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Chemie-Nobelpreis

„Ohne DNA-Reparatur kein Leben“

Bild: MDC

Zellen können beschädigte DNA reparieren. Ohne diese Fähigkeit wäre Leben, wie wir es kennen, nicht möglich. Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an drei Forscher, die grundlegende Mechanismen der DNA-Reparatur entdeckt haben.

Jeden Tag ist unsere DNA Einflüssen ausgesetzt, die sie chemisch verändern. UV-Strahlung etwa oder bestimmten Chemikalien aus der Umwelt, die in unsere Zellen gelangen. Auch ohne diese schädlichen Einflüsse verändert sich das Erbgut-Molekül im Laufe der Zeit. Doch die DNA beinhaltet alle Informationen, die das Leben braucht. Veränderungen im genetischen Code kann sich eine Zelle kaum leisten. Das präzise Ablesen der richtigen Erbinformation zur richtigen Zeit macht eine Zelle zu dem was sie ist. Und nicht nur das: Der Bauplan für das Leben verdoppelt sich bei jeder Zellteilung und muss korrekt an die Tochterzellen weitergegeben werden. Die DNA-Reparatur ist für alle Zellen lebensnotwendig. Die diesjährigen Preisträger haben grundlegende Mechanismen entdeckt, mit denen die Zelle ihre DNA selbst repariert.

Noch Anfang der 70er Jahre glaubten die Wissenschaftler, dass die DNA ein sehr stabiles Molekül sei. Der Schwede Tomas Lindahl konnte das Gegenteil beweisen. Seine Experimente zeigten, dass das Molekül ohne Schutzmechanismen schnell zerfällt. So schnell, dass Leben eigentlich unmöglich sein müsste. Ausgehend von dieser Erkenntnis entdeckte er in einem Bakterium einen Mechanismus, der eine häufige Veränderung – die chemische Umwandlung der Base Cytosin in Uracil – gezielt erkannte und rückgängig machte. Ein ähnliches System fand er schließlich auch in menschlichen Zellen.

UV-Strahlung führt dazu, dass zwei nebeneinander liegende Basen eine feste chemische Verbindung miteinander eingehen. Die Bindung verhindert, dass die DNA fehlerfrei repliziert werden kann. Der türkisch-amerikanische Genetiker Aziz Sancar fand einen Mechanismus, der diese Defekte repariert. Auch Sancar fand die sogenannte Nukleotid-Exzisionsreparatur zunächst in Bakterien. Heute wissen die Forscher, dass Menschen, bei denen dieses System nicht richtig funktioniert, häufiger an Hautkrebs erkranken. Sancar ist übrigens der zweite türkische Staatsbürger, der nach Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk (2006) den Nobelpreis erhält.

Der dritte Preisträger, der Amerikaner Paul Modrich, fand ein Werkzeug, das gezielt Schäden repariert, die bei der Vervielfältigung der DNA auftreten. Hierbei kommt es im Schnitt bei einem von einer Millionen Basenpaaren zu einer falschen Basenpaarung. Das sogenannte Mismatch-Repair-System erkennt die falschen Paare, schneidet eine kurze Sequenz um die falsche Base heraus und komplettiert das Molekül mit der richtigen Base.

Doch das Reparatursystem der Zellen hat Grenzen. Ist die Zelle zu vielen schädigenden Einflüssen ausgesetzt, kommt die Reparatur nicht hinterher. Nicht reparierte Schäden und Veränderungen in Genen, die mit der Steuerung der Zellteilung zu tun haben, können dazu führen, dass Krebs entsteht. Die Arbeit der drei Preisträger hat so auch viel zum Verständnis der Krebsentstehung beigetragen. Krebszellen sind oft aus Zellen entstanden, deren Reparatursystem nicht einwandfrei funktioniert. Ein teilweise angeschlagenes Reparatursystem macht Krebszellen aber auch variabler. Forscher vermuten, dass dies ein Vorteil für die Krebszellen sein kann, mit dem sie Resistenzen gegen Medikamente entwickeln. Doch auch bei den Krebszellen muss das System noch funktionieren. Sonst würden sie rasch sterben.

"Mutationen in  Proteinen, die mit der DNA-Reparatur zu tun haben, spielen bei vielen Krankheiten eine Rolle. Von Krebs über Immunschäche, vorzeitigem Altern bis zu Entwicklungs- und neuronalen Störungen", erklärt Michela Di Virgilio, vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft. "Der Nobelpreis würdigt die Bedeutung der DNA-Reparatur als ein fundamentalen Prozess in der menschlichen Physiologie. Mit der Entdeckung der Instabilität der DNA und der besonderen Reparatur-Mechanismen haben die drei Preisträger das Forschungsfeld der sogenannten Genom-Integrität mit begründet", so Di Virgilio weiter.

Informationen des Nobel-Komitees

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