Direkt zum Seiteninhalt springen

Standpunkt

Nachhaltige Landwirtschaft braucht eine andere Agrarpolitik

Jun.-Prof. Dr. Bartosz Bartkowski ist Umweltökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. Bild: Sebastian Wiedling/UFZ

Seitdem die Bundesregierung die Subvention für Agrardiesel gestrichen hat, versammeln sich Bäuerinnen und Bauern in ganz Deutschland zu lautstarken Protesten. Sie beklagen eine zu starke finanzielle Belastung. Was steckt hinter dem Ärger der Landwirt:innen? Umweltökonom Bartosz Bartkowski vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ ordnet die gegenwärtige Situation ein.

Klimapolitisch ist die Abschaffung der Agrardieselvergünstigung grundsätzlich sinnvoll. Doch die Streichung „von heute auf morgen“ war sicher überhastet. Unklar bleibt auch, warum gerade diese klimaschädliche Subvention abgeschafft wurde und nicht andere – sei es das Dienstwagen-Privileg oder die Steuerbefreiung von Kerosin.

Meines Erachtens galten die massiven Proteste der Bäuerinnen und Bauern im Januar allerdings nicht so sehr dieser konkreten Maßnahme. Sie sind vielmehr Ausdruck eines grundsätzlicheren Unmuts über die Agrarpolitik der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung der vergangenen Jahre.

Um diesen Ärger zu verstehen, hilft ein Blick auf die Herausforderungen, denen sich die Landwirtschaft heute stellen muss: Sie hat einen maßgeblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Darum muss sie multifunktionaler werden, also nicht nur Nahrungsmittel produzieren, sondern auch eine intakte Umwelt als öffentliches Gut erhalten helfen. Dazu gehört der Erhalt von Kulturlandschaften genauso wie der Schutz von Biodiversität und Ökosystemen, damit diese auch weiterhin bedeutsame Aufgaben übernehmen können, etwa das Klima regulieren oder vor Hochwasser schützen.

Hierfür bedarf es staatlicher Anreize, zum Beispiel in Form von Mindeststandards, die alle Betriebe grundsätzlich einhalten müssen, Lenkungssteuern, wie eine Steuer auf den Pestizid- oder Düngereinsatz, und Agrarumweltzahlungen als Honorierung etwa von biodiversitätsfördernden Blühstreifen. Diese Anreize müssten in einen agrarpolitischen Rahmen für eine nachhaltige Landwirtschaft eingebettet werden. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union als das Hauptinstrument der europäischen und deutschen Agrarpolitik könnte hier eine entscheidende Rolle spielen, indem sie ihre Zahlungen stärker als bisher an den verantwortungsbewussten Umgang mit Klima und Umwelt bindet. Trotz punktueller Verbesserungen bleibt die GAP jedoch hinter den selbstgesetzten Nachhaltigkeitsansprüchen Deutschlands und der EU zurück. Zudem wäre es sinnvoll, vorhandene Vorschläge aus Forschung und Praxis zur Verbesserung von Agrarumweltzahlungen umzusetzen sowie alternative Politikinstrumente mutiger zu testen, etwa eine Pestizidsteuer oder Investitionsförderung.

Gerade die letztgenannte Maßnahme könnte ein großes Potenzial entfalten, denn der Klimawandel zwingt landwirtschaftliche Betriebe mittelfristig zur Anpassung und damit einhergehend zu Investitionen. Dadurch ergibt sich ein Gelegenheitsfenster, im Rahmen dessen klug gewählte Anreize die Landwirtschaft unterstützen können, Klimaanpassung und Umweltschutz gemeinsam zu verfolgen. Dafür muss der Staat die richtigen Maßnahmen und Investitionen fördern. Wichtig wäre beispielsweise, die Intensität der Bodenbearbeitung zu reduzieren, wodurch der Ackerboden mehr Wasser speichern kann. Ein weiterer Ansatz wäre, die Vielfalt der angebauten Pflanzen zu erhöhen.

Dabei gilt allerdings: Der Handlungsspielraum von landwirtschaftlichen Betrieben ist eng begrenzt. Das liegt an der Marktstruktur mit wenigen Abnehmern von Agrarprodukten; es liegt aber auch an Konsument:innen, die beispielsweise auf wenige Pflanzen fokussiert sind und für Abweichungen von der Norm in Geschmack, Form oder Farbe wenig Toleranz aufbringen. Unter diesen Bedingungen können Betriebe ihre Strategien nicht beliebig anpassen.

Neue Anreize müssen deshalb nicht nur für Landwirt:innen gefunden werden, sondern auch für Konsument:innen. Gleiches gilt für die Lebensmittelverarbeitung und den Einzelhandel, die über sehr viel Marktmacht und Einfluss verfügen. Eine erfolgreiche Agrarumweltpolitik setzt voraus, dass auch diese Beteiligten sich mehr in Richtung Nachhaltigkeit bewegen. Ich vermute, dass mit einer umfassenden und klar kommunizierte Strategie für die Agrarpolitik die meisten Landwirt:innen auch die Streichung von klimaschädlichen Subventionen wie Agrardieselvergünstigung akzeptieren würden.

Dieser Artikel erscheint außerdem in der Januar-Ausgabe unseres Newsletters „Helmholtz Monthly“.

Leser:innenkommentare