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CO2-Speicherung

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Bohranlage in Ketzin am Abend. Bild: GeoForschungsZentrum Potsdam

Wohin mit dem Kohlendioxid, dass die Menschen in großer Menge die Atmosphäre pusten? In einem Forschungsprojekt in Ketzin versuchen Wissenschaftler es in der Erde zu versenken. Erste Ergebnisse zeigen: Mit kleinen Mengen CO2 funktioniert das Prinzip - negative Effekte konnten die Forscher nicht beobachten. Die Zukunft der Technik in Deutschland ist dennoch sehr ungewiss

Es ist kaum größer als eine Pferdekoppel, jenes Gelände auf den Wiesen des Havellands, wo erprobt wird, ob man den Klimakiller CO2 einfach so im Boden verschwinden lassen kann. Zehntausende Tonnen Kohlendioxid sind hier, im brandenburgischen Ketzin, seit 2008 in die Erde injiziert worden, mehr als 600 Meter tief. Ein einzigartiges Projekt in Deutschland, das eine Antwort darauf geben will, ob man CO2 unterirdisch speichern kann, ohne dass unkalkulierbare Risiken für Mensch und Natur entstehen. Eine Frage, die im Kampf gegen die Erderwärmung nicht ganz uninteressant ist: Könnten dank dieser Technologie die tonnenschweren CO2-Emissionen von Kohlekraftwerken gefahrlos im Boden verpresst werden statt schmutzig in die Luft aufzusteigen, hätte man ein Instrument zur Minderung des Treibhauseffekts zur Hand. Das sagen jedenfalls die Befürworter solcher CO2-Speicher. Sie gehen davon aus, dass in den Schwellenländern auch in den kommenden Jahrzehnten massenweise Kohle verfeuert wird - allen Warnungen zum Trotz. Besonders in Wachstumsstaaten wie Brasilien, Indien oder China werden CO2-Speicher daher möglicherweise ein Thema. Nicht auszuschließen, dass die Debatte um Für und Wider dieser Technologie an Schärfe gewinnt, wenn der Weltklimarat (IPCC) am kommenden Freitag in Stockholm den ersten Teil seines neuen Berichts vorstellt - und klar wird, dass die Zeit drängt, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Bereits 2007 bezeichnete der IPCC die unterirdische Speicherung von CO2 als eine Schlüsseltechnologie "mit dem Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Emissionsminderung bis 2030 zu leisten".

Zumindest in Ketzin konnte jetzt nachgewiesen werden: Die Einspeisung von CO2 in den Boden, auch CCS-Technologie genannt, birgt dort keine bösen Überraschungen. "Wir haben zeigen können, dass die Injektion von CO2 an unserem Pilotstandort sicher ist und nicht der Umwelt schadet", sagt der Leiter des Projekts, der Geologe Axel Liebscher. Im August sind hier die letzten CO2-Injektionen in den Untergrund eingespeist worden, zusammen gerechnet lagern dort nun etwa 67 000 Tonnen Kohlendioxid. Damit ist die erste Testphase des Pilotprojekts abgeschlossen - ein Etappenerfolg für den Betreiber der Anlage, das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam, einem Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft. In einer zweiten Phase wollen Liebscher und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter die mittelfristigen Auswirkungen auf die Bodenverhältnisse untersuchen. 2018 wird die Anlage dann geschlossen.

Das Kohlendioxid, das in der Tiefe eingebettet ist, stammt zum größten Teil vom Industriegashersteller Linde. Gasförmig haben es die Forscher ins Erdreich gepumpt. Zuvor war das Gas auf 33 Grad erwärmt worden, zunächst in den Lagertürmen der dortigen Anlage, anschließend in einem Elektroverdampfer. Das ist ungefähr die Temperatur jener Gesteinsschichten, in die das CO2 heruntergedrückt wird. "Saline Aquifere" nennen Geologen die Schichten, in denen das Kohlendioxid nun ruht - eine Bodenschicht mit hohem Salzwassergehalt, welche die einzige auf dem Festland ist, die für CO2-Reservoirs überhaupt in Frage kommt. Ihr exklusiver Vorzug: Sie ist durchlöchert von kleinen Poren, die das Gas wie die Löcher eines Schwamms aufnehmen können. Sonst bieten sich zur CO2-Speicherung auf dem Kontinent nur noch die Erdreiche ehemaliger Förderstätten für Öl oder Gas an, wo sich ebenfalls Hohlräume befinden, in die das COeindringen kann.

Doch die Sammlung des Kohlendioxids in den Poren der "salinen Aquifere" bewirkt einen problematischen Nebeneffekt, nämlich einen Verdrängungsprozess im Inneren der Schicht. Damit sich der Kohlenstoff ausbreiten kann, muss er wegschieben, was vorher dort war: Salzwasser. Eine Wanderung, die Umweltschützer daran zweifeln lässt, dass CO2-Speicherung grundsätzlich ungefährlich ist - sie befürchten, das Salzwasser könne in Grundwasserschichten aufsteigen und so das Trinkwasser verschmutzen. "Ein mögliches Risiko bei der CO2-Speicherung in salinen Aquiferen" räumt der Projektleiter Axel Liebscher ein. Am Standort Ketzin sei dieses Risiko allerdings extrem klein. "Aufgrund der vergleichsweise geringen Menge an gespeichertem CO2 spielt die Salzwasserverdrängung hier keine Rolle. Unsere Überwachungsmessungen zeigen, dass es zu keinem Aufstieg von verdrängtem Salzwasser in höher gelegene Schichten gekommen ist."

Die Geowissenschaftler haben in Ketzin ein aufwändiges Monitoring entwickelt. Mit allerhand Werkzeug rücken sie dem Boden zu Leibe, um Veränderungen feststellen zu können. Die Forscher rammen zum Beispiel elektrisch aufgeladene Stahlnadeln in die Erde. Diese Nadeln speisen Strom in Elektroden, die entlang der unterirdischen Bohrleitungen installiert worden sind. Aus den Widerständen, die dabei entstehen, gewinnen die Forscher Rückschlüsse über räumliche Strukturen im Untergrund. Neben solchen geoelektrischen Messungen sind auch seismische Kontrolltechniken im Einsatz: Mit Vibratoren erzeugen die Wissenschaftler zum Beispiel Schallwellen, deren Schwingungen in den Boden gesendet werden. Anschließend wird deren Widerhall aufgenommen. Daraus entstehen sonografische Skizzen, die ebenfalls Bodenformationen abbilden. Außerdem messen die Geologen die Druckverhältnisse im Boden.

Bislang haben die Forscher keine besorgniserregenden Auffälligkeiten am CO2-Speicher und dessen Umgebung registriert. Liebscher berichtet lediglich von "Hinweisen auf sehr geringe Veränderungen in der Mineralogie des Speichersandsteins". Diese Änderungen seien jedoch mengenmäßig so gering, dass sie keine Folgen für die Integrität des Speichergesteins hätten. Ein anderes befürchtetes Negativ-Szenario, dass nämlich das Kohlendioxid in obere Bodenschichten entweicht, haben die Geologen bislang ebenso wenig beobachten können.

Doch so vielversprechend die Ergebnisse klingen mögen, so wenig verhelfen sie der CCS-Technologie zum Durchbruch im Wettlauf gegen steigende CO2-Emmissionen. Denn die injizierte Menge von 67.000 Tonnen ist viel zu gering, um aus den bisherigen Befunden schlussfolgern zu können, dass auch der großflächige Einsatz in der Kohle-Industrie gefahrlos ist. Dort kommen nämlich ganz andere Abgas-Dimensionen ins Spiel. Um wirksamen Klimaschutz mittels CO2-Ablagerung betreiben zu können, müsse man allein in Deutschland jährlich Kohlendioxid-Emissionen aus industriellen Quellen in einer Größenordnung von 50 Millionen Tonnen ablagern, sagt Samuel Höller, Umweltwissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Massen, von denen man nicht ansatzweise weiß, wie sie die Bodenformationen beeinflussen.

Wegen potenzieller Unwägbarkeiten dieser Art sind CO2-Speicher in Deutschland unerwünscht. Das Gesetz erlaubt zwar grundsätzlich den Bau solcher Anlagen. Es räumt den Bundesländern dabei aber ein Vetorecht ein. Prompt erließ Schleswig-Holstein, ausgerechnet jenes Land, dessen Böden besonders günstige Speicherbedingungen aufweisen, vor kurzem ein Verbot gegen CO2-Reservoirs jeglicher Art. Ob zu Forschungszwecken oder als Anhängsel von Kraftwerken. Sämtliche Parteien stimmten zu. Christian Hey, Generalsekretär beim Sachverständigenrat für Umwelt, fasst zusammen: "Ich sehe keine Zukunft für eine Kohleverstromung mit CCS-Technologie in Deutschland."

In Ketzin wünscht man sich dennoch mehr Offenheit gegenüber weiteren Forschungsvorhaben. "Man müsste den nächsten Schritt hin zu sogenannten Demo-Projekten gehen, die in der Größenordnung von mehreren Hunderttausend Tonnen CO2 pro Jahr speichern. An einem solchen Demo-Projekt kann dann überprüft werden, ob die in Ketzin gewonnenen Daten und Erkenntnisse übertragen werden können", sagt Liebscher. Wenn das gelänge, sei die industrielle Nutzung der CCS-Technologie umsetzbar. Im Jahr 2025 könne dieses Szenario Wirklichkeit werden, wenn man keine Zeit verliere.

Bleibt jedoch das Problem, dass CO2-Speicher in Deutschland, in denen abgeschiedenes Kohlendioxid aus hiesigen Kohlekraftwerken verklappt wird, nicht zur langfristigen klimapolitischen Strategie passen - sie würden die mühsam errungene Energiewende in Frage stellen. CCS-Technologie könnte zum Vorwand werden, die schmutzigsten aller Energieträger, Braun- und Steinkohle, auch im Stromnetz von morgen am Leben zu erhalten. Deshalb fordern Klimaexperten, CO2-Reservoirs hierzulande ganz woanders einzurichten: in der Stahlindustrie zum Beispiel, wo während der Fabrikation Kohle verfeuert wird, um die nötige Prozesswärme zu erzeugen. "Im Gegensatz zur Stromerzeugung stehen in der Stahlindustrie aus heutiger Sicht kaum alternative Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen sich hinreichend CO2-Emmissionen mindern lassen. Ähnliches gilt für die Petrochemie und Zementindustrie. In diesen Industriezweigen könnte eine ausgereifte CCS-Technologie tatsächlich der Umwelt helfen", erklärt Peter Viebahn, stellvertretender Forschungsgruppenleiter am Wuppertal Institut. Auch Axel Liebscher, der Projektleiter in Ketzin, nennt einen solchen CCS-Einsatz eine "zentrale Option für die Zukunft" - zumal die Volumen, die dann in den Untergrund gespeist würden, kleiner wären als beim Abscheideprozess aus Kohlekraftwerken. Die CO2-Speicher sollten aber grundsätzlich von einem wissenschaftlichen Überwachungsprogramm begleitet werden. In Ketzin haben Liebscher und seine Kollegen schon erste Erfahrungen darin gesammelt.

CO2-Einspeisung am Pilotstandort Ketzin nach gut fünf Jahren erfolgreich abgeschlossen (Pressemeldung des GFZ).

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