Wasserstoff nachhaltig nutzen
Mit künstlichen Blättern und Metallpulvern
Damit Wasserstoff die Energiewende voranbringen kann, muss er effizient hergestellt und sicher gespeichert werden. Mit innovativen Lösungen gehen Wissenschaftler neue Wege in der Wasserstoffforschung.
Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für den Erfolg der Energiewende. Doch nur wenn er CO2-neutral auf Basis erneuerbarer Energien erzeugt wird, trägt der vielseitig einsetzbare Energieträger zum Klimaschutz bei. Forscher arbeiten daran, etablierte Produktionsverfahren wie die Elektrolyse noch günstiger, nachhaltiger und zuverlässiger zu machen. Eine Möglichkeit besteht darin, Solarzellen mit Elektrolysegeräten zu verbinden, die Strom in Wasserstoff umwandeln. „Dies ist technisch kein Problem, zumindest in kleinerem Maßstab“, sagt Roel van de Krol, der das Institut für Solare Brennstoffe am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) leitet. In einigen Jahren lasse sich diese Technologie in großem Maßstab kostengünstig einsetzen. „Wir arbeiten aber schon an der nächsten Technologiegeneration. Die Wasserstoffproduktion soll mithilfe von Solarkraft mittelfristig deutlich effizienter werden.“
Wasserstoff klimaneutral mithilfe des Sonnenlichts herstellen
Das Forscherteam will Elektrolyse- und Solarzellen in einem Bauteil integrieren. „Um solaren Wasserstoff zu erzeugen, kombinieren wir neuartige Photoelektroden und Katalysatoren zu einem künstlichen Blatt“, erläutert van de Krol. Dabei arbeitet das HZB eng mit dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht zusammen. Die Wissenschaftler des Instituts für Werkstoffforschung entwickeln kostengünstig herzustellende Photoelektroden, denn bisher sind die Materialien sehr teuer und kompliziert in der Herstellung. Auf diesen Weise wird Sonnenlicht direkt zur Spaltung von Wasser verwendet.
Die Kombination in einem Bauteil hat gegenüber dem bisherigen Konzept drei Vorteile. Erstens wird eine Solarzelle bis zu 80 Grad Celsius heiß. Bei diesen hohen Temperaturen sinkt der Wirkungsgrad der Solarzelle. Elektrolysezellen aber können durch diese thermische Energie ihre Leistung steigern. Werden beide Elemente in einem Bauteil vereint, lässt sich dieser Umstand nutzen. Zweitens ist die Konstruktion eines einzigen Bauteils effizienter, weil Materialien eingespart werden. Drittens werden Elektrolysezellen bei einer hohen Stromdichte von einem halben bis zu zwei Ampere pro Quadratzentimeter betrieben. Um diese Dichte zu gewährleisten, bedarf es bislang teurer Edelmetalle wie Platin. Bei dem künstlichen Blatt hingegen verteilt sich der gleiche Gesamtstrom über eine größere Fläche. Statt einem Ampere wären dann nur noch etwa 20 Milliampere pro Quadratzentimeter nötig und die Katalysatormaterialien hierfür deutlich günstiger.
„Noch sind die Materialsysteme nicht stabil und leistungsfähig genug, um in der Praxis eingesetzt zu werden“, sagt van de Krol. Gemeinsam mit seinem Team konnte er die Effizienz der Technologie bereits steigern. Mittlerweile können die Forscher ein Äquivalent von knapp acht Prozent der eingehenden Sonnenenergie in Wasserstoff umwandeln. „Damit kommen wir in den Bereich, wo der Einsatz in größerem Maßstab wirtschaftlich interessant wird“, so der Institutsleiter. „Diesen Schritt gehen wir nun.“
Ein Demonstrationsmodul mit einer Photovoltaikfläche von 50 Quadratzentimetern ist derzeit im Einsatz. Mit der Größe wachsen bislang die Probleme: Je höher eine Anlage skaliert wird, desto geringer wird ihr Wirkungsgrad. Weil bei der Elektrolyse mit hohem Druck gearbeitet wird, wachsen mit größeren PV-Flächen auch die Sicherheitsanforderungen. Dies treibt die Kosten nach oben. „Wenn wir 2030 erste Pilotanlagen erfolgreich betreiben“, so van de Krol, „und ein Jahrzehnt später Wasserstoff auf diesem Weg in großem Stil produzieren, ist das ein enormer Fortschritt.“
Wasserstoff effizient und kostengünstig mit Metallpulver speichern
Auch um den künftig in großem Stil hergestellten Wasserstoff speichern zu können, sind effiziente Methoden gefragt. Das flüchtige Gas einigermaßen raumsparend festzuhalten, gelingt bislang entweder mit enorm hohem Druck von etwa 700 Bar – oder man arbeitet mit extremer Kühlung: Bei minus 253 Grad Celsius wird Wasserstoff flüssig gelagert. Beide Wege sind energie- und kostenintensiv. „Mit Metallpulver können wir Wasserstoff zu wesentlich günstigeren Bedingungen speichern“, sagt Thomas Klassen, Leiter des Bereichs Werkstofftechnologie am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. „Das ist bei Raumtemperaturen und bei moderatem Druck von 10 bis maximal 50 Bar möglich.“ Sein Team forscht daran – von der grundlegenden Materialentwicklung bis zum fertigen Tank.
„Wasserstoff lässt sich in Metallhydriden besonders kompakt speichern, weil er nicht in Form von Molekülen, sondern auf atomarer Ebene an das Metall gebunden wird“, erläutert Klassen. „Im Metallhydrid finden die Wasserstoffatome sozusagen noch Platz zwischen den Metallatomen, sodass wir im gleichen Volumen bis zur doppelten Menge an Wasserstoff speichern können als im leeren Tank.“
Der Prototyp eines neuartigen, kompakten Metallhydridtanks steht beim Projekts HyCARE (Hydrogen CArrier for Renewable Energy Storage) im Fokus der Wissenschaftler. 2022 soll in Paris eine Demonstrationsanlage in Betrieb gehen, die für die stationäre Nutzung konzipiert ist. Der Speicher soll dabei zehnmal kleiner als die bisherigen Gasspeicher sein. Ein weiterer Clou ist die Energieeffizienz: Wärme, die beim Beladen üblicherweise entweicht, wird im System gespeichert, bis man sie für das Entladen wieder benötigt. Der Speicher wird 50 Kilo Wasserstoff aufnehmen können. Dies entspricht etwa einer Megawattstunde. Ein Brennstoffzellenfahrzeug kommt damit etwa 5.000 Kilometer weit. „Die Anlage wird noch nicht die Dimension für einen großskaligen Einsatz erreichen“, so Klassen, „ist vom Konzept aber auf solche Maßstäbe skalierbar.“
Mobile Speicher für Fahrzeuge
Auch für mobile Anwendungen sind solche Speichermöglichkeiten relevant, etwa als Tank für Fahrzeuge, die mithilfe einer Brennstoffzelle Wasserstoff in Strom umwandeln. Für mobile Speicher geht es insbesondere darum, leichte Materialien zu entwickeln. Sie nehmen Wasserstoff zwar gut auf; die Herausforderung besteht aber darin, ihn wieder herauszubekommen. Das funktionierte zunächst nur bei Temperaturen von 300 Grad Celsius und mehr. Die Idee, zwei verschiedene Leichtmetall-Hydride zu kombinieren, brachte den Durchbruch. Darauf haben die Forscher inzwischen ein weltweites Patent. „Die Reaktion der beiden Hydride liefert Energie“, sagt Klassen. „Dadurch wird der Wärmebedarf reduziert, ohne den Speicher schwerer zu machen, sodass der Wasserstoff bei deutlich geringeren Temperaturen freigesetzt wird.“ So ist es dem Team gelungen, dass die Wasserstoffabgabe bereits unter 100 Grad Celsius einsetzt.
Wasserstoff als Energieträger hat gegenüber der Akku-Technologie dann Vorteile, wenn es um größere Energiemengen geht. Für Lkw oder Busse sind Batterien bei den geforderten Reichweiten zu schwer und zu groß. Aber auch bei Pkw erreichen Brennstoffzellenfahrzeuge eine höhere Reichweite, schon heute 500 Kilometer und mehr. Außerdem lassen sich die Wasserstofftanks innerhalb von Minuten wieder befüllen. Die Forscher kooperieren deshalb mit einem Automobilhersteller zur Erprobung der Technologie.
„Das Potenzial der Speicherung nachhaltiger Energie als Wasserstoff ist schon heute enorm“, betont Klassen. „Die Deutschen zahlen jährlich rund 1,5 Milliarden Euro Kompensation für Strom aus Sonnen- und Windenergie, der nicht gespeichert werden kann und deshalb verloren geht. Für die Energiewende samt Wasserstoffstrategie werden wir künftig noch deutlich mehr Sonnen- und Windenergie nutzen und speichern müssen. Mit unseren Speichermaterialien wollen wir dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“
https://www.hzg.de/science/materialien_verfahren/wasserstoffspeicherung/index.php.de
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