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5 Fragen an … Pascal Friederich

Mit KI neue Materialien vorhersagen

Pascal Friederich, Professor am KIT, erhält einen Heinz Maier-Leibnitz-Preis der DFG. (Bild: KIT, Amadeus Bramsiepe)

Pascal Friederich vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nutzt künstliche Intelligenz, um neue Materialien zu erschaffen. Dafür wurden er und sein Team mit dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet.

Herr Friederich, die Deutschen Forschungsgemeinschaft zeichnet Sie mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis für Ihre Forschung zum Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Materialforschung aus. Wie können Algorithmen helfen, neue Materialien zu entwickeln?

Die Eigenschaften neuer Materialien können am Computer simuliert werden, ohne dass es die Materialien überhaupt schon gibt. Dabei geht es vor allem um Simulationen der Quantenmechanik, die den Materialeigenschaften zugrunde liegt. Ein schönes Beispiel kommt hier aus der organischen Elektronik. Wie ein bestimmtes Material auf Quantenebene mit Licht interagiert, bestimmt seine Fähigkeiten als organische Solarzelle oder als Display. So etwas zu berechnen, ist aber sehr aufwändig, langwierig und teuer. Es benötigt viel Computerpower und Rechenzeit an Großrechnern. Mit Methoden des maschinellen Lernens kann dieser Aufwand verringert werden. Denn die KI kann aus den Ergebnissen von vielleicht 1.000 Materialsimulationen die Eigenschaften von mehreren Millionen Materialien vorhersagen. Dabei variieren wir nicht nur die Zusammensetzung der Materialien, sondern oft auch die Prozessierungsbedingungen. Denn ein Material ist nicht nur darüber definiert, aus welchen Elementen es besteht. Auch die Art der Herstellung beeinflusst seine Eigenschaften maßgeblich. Das Ziel dabei ist immer, neue Materialkandidaten zu finden, die dann im Labor hergestellt werden können und hoffentlich bestätigen, was wir vorausgesagt haben. Und auch wenn wir keine Simulationsmethoden für ein Material haben, kann die KI helfen. Wir können den Algorithmus beispielsweise in automatisierten Experimenten lernen lassen, sodass die KI dann das nächste Experiment vorschlägt. Mit all diesen Methoden wollen wir einen Geschwindigkeitsvorteil erlangen, indem wir die Entwicklungszeit für neue Materialien von den bisher üblichen 20 Jahren auf vielleicht zehn oder gar fünf verkürzen. Das ist ein enormer Vorteil für die Weiterentwicklung essenzieller Technologien. Und diesen Geschwindigkeitsvorteil können eben KI-Methoden erbringen.

Was hat Sie dazu gebracht Informatik und Materialwissenschaften zu verbinden?

Ich habe Physik studiert und in meiner Masterarbeit an der Simulation von organischer Elektronik gearbeitet. Zu dieser Zeit waren Simulationen noch sehr häufig Tools, um bereits gemachte Experimente zu bestätigen; sie zu verstehen; und ein Stück weit zu rationalisieren. Schon während meiner Masterarbeit und dann noch mehr während meiner Promotion gab es diesen Trend, Simulationen so weit zu beschleunigen, dass sie den Experimenten einen Schritt voraus sind. Wir konnten also damals bereits tausende Materialien am Computer testen und den ExperimentatorInnen Tipps geben. Allerdings stößt man so sehr schnell an die Leistungsgrenzen der Computer. Zeitgleich gab es damals aber auch immer mehr Erfolge im Machine Learning Bereich, zum Beispiel für Computer Vision, für Machine Translation, eigentlich für alles, wofür man heute schon KI im alltäglichen Leben einsetzt. Und es gab erste Ansätze, die Simulationen mit der KI zu verbinden. Genau das habe ich in meiner Post Doc Zeit gemacht. Ich bin mit einem Marie Sklodowska-Curie Stipendium in eine Forschungsgruppe an der Harvard Universität in die USA gegangen, die auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet hatte. Mit dieser Gruppe bin ich 2018 nach Toronto umgezogen. Wir haben intensiv an der Frage gearbeitet, wie wir Simulationsmethoden mit KI verknüpfen können. Und dann habe ich den Ruf zurück nach Karlsruhe bekommen, um hier weiter daran zu arbeiten.

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit besonders?

Ich finde es besonders faszinierend, dass wir Aussagen über Materialien treffen können, die noch nie jemand hergestellt hat. Wir bekommen immer öfter die Chance mithilfe von Computersimulationen und datengetriebenen Modellen, dem Experiment voraus zu sein. In der Teilchenphysik gibt es so etwas schon länger. Da werden Teilchen basierend auf Theorien vorausgesagt und Jahre oder Jahrzehnte später mit riesigen Beschleunigern experimentell bestätigt. In der Chemie und in den Materialwissenschaften ist das aber gerade erst im Entstehen. Und diesen Kipppunkt hin zur virtuellen Materialentwicklung miterleben zu können, finde ich äußerst faszinierend. Sicher sind die KI-Methoden dabei nur ein Werkzeug, aber ein sehr spannendes. Ich glaube, wir können momentan noch gar nicht abschätzen, wo die Grenzen von KI-Methoden liegen.

Materialentwicklung ist ja nun ein riesiges Betätigungsfeld. In welche Richtung zieht es Sie persönlich?

Materialien, die grüne Energie erzeugen können oder die Energieeffizienz erhöhen, haben mich in meiner Forschung schon immer begleitet. Das sind die Materialklassen, die mich auch persönlich motivieren. Denn bei diesen sehe ich einen großen Impact, vor allem, was gesellschaftliche Herausforderungen wie die Energiewende betrifft. Das treibt mich an und hier sehe ich auch einen tieferen Sinn, neue Materialien schneller entwickeln zu wollen, um damit dringende Probleme zu lösen. Das ist zwar nicht das einzige Thema, auf das wir uns spezialisieren, aber es ist ein roter Faden, der sich über die Jahre durchgezogen hat.

Was bedeutet der Heinz Maier-Leibnitz-Preis für Sie persönlich und für Ihre Wissenschaftskarriere?

Der Preis erzeugt erstmal sehr viel Aufmerksamkeit – nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des KIT und wird sicher einige Türen öffnen. Mich persönlich motiviert der Preis, so weiterzumachen wie bisher. Denn der Preis zeigt, dass meine Wissenschaft als relevant angesehen wird und dass die wissenschaftliche Community davon profitiert. Daher ist der Gewinn für mich auch ein großer Motivationsboost.

Heinz Maier-Leibnitz-Preis für Pascal Friederich (KIT)

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