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Krebsabwehr beim Elefanten – Inspiration für die Medizin?

Foto: pixabay/jbpic (CC0)

Elefanten erkranken nur selten an Krebs. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, was die Dickhäuter schützt: Sie besitzen viele Kopien des Gens p53, das eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Krebs spielt. Könnte eine Überdosis des p53-Gens auch den Menschen vor Tumoren schützen?

Jährlich erkranken rund 475.000 Menschen in Deutschland an Krebs  und trotz großer Fortschritte in der Medizin geht noch immer jeder vierte Todesfall  auf ein Krebsleiden zurück. Die Krankheitsbilder sind dabei so verschieden, wie die betroffenen Menschen. Allen gemeinsam ist lediglich die Tatsache, dass Zellen mit geschädigtem oder verändertem Erbgut beginnen, sich unkontrolliert zu vermehren. Ein Tumor entsteht.

Auch im Tierreich ist Krebs eine häufige Todesursache. Und je größer ein Tier, desto wahrscheinlicher ist die Entstehung eines Tumors, weil der Körper aus einer größeren Zahl an Zellen besteht – sollte man meinen. Tatsächlich haben zwei US-amerikanische Forscherteams gerade das Gegenteil gezeigt. Joshua Schiffman und Team veröffentlichen Ergebnisse einer Studie an Elefanten, die ein erstaunlich geringes Krebsrisiko belegt: nur jeder zwanzigste Dickhäuter stirbt demnach an einem Tumor. Dass Körpergröße und Krebsrisiko bei Tieren nicht korrelieren, ist bereits seit den 1970er Jahren bekannt. Dieses als Peto-Paradox bekannte Phänomen brachte den Genetiker Vincent Lynch auf die Idee, die Entwicklungsgeschichte des Elefanten hinsichtlich seiner Krebsabwehr zu beleuchten. Zeitgleich mit Schiffman veröffentlichten Lynch und sein Team  Daten, die auf die Evolution eines explizit gegen die Bildung von Tumoren gerichteten Mechanismus bei Elefanten hindeuten.

p53, der Wächter des Genoms


Im Zentrum der Kontrolle von veränderten und damit potenziell krebsgefährdeten Körperzellen steht das Protein p53. Es ist bei allen bisher untersuchten Säugetieren, von der Maus über den Menschen bis hin zum Elefanten, gleich aufgebaut und im selben Funktionszusammenhang aktiv. Einzigartig ist die Zahl der p53-codierenden Genkopien, die im Elefantengenom gefunden wurden. Während der Mensch wie die Mehrzahl der Säugetiere eine Kopie des Gens (à ein mütterliches und väterliches Allel) besitzt, hat der Elefant wenigstens 20 Kopien.

Bereits als „Wächter des Genoms“ und „Molekül des Jahres 1993“ gefeiert , kommt p53 eine zentrale Rolle in der Regulation des Zellzyklus zu. Es aktiviert Gene, die den Zellzyklus kontrollieren, an der DNA-Reparatur beteiligt sind oder den Zelltod einleiten. Treten in einem Gewebe vermehrt DNA-Schäden auf, etwa durch Strahlungseinwirkung oder Chemikalien wird die Produktion von p53 hochreguliert, beziehungsweise der Abbau vermindert und die geschädigten Zellen werden eliminiert. „Zusätzliche Kopien des p53-Gens scheinen mit einem gewissen Schutz vor Krebs verbunden zu sein“, erklärt Thomas Hofmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Entsprechende Beobachtungen gebe es unter anderem schon von transgenen Mäusen. Und tatsächlich: in Elefantenzellen wurde nach DNA-Schädigung eine stark erhöhte Aktivität von Zelltod-induzierenden Proteinen im Vergleich zu gesunden humanen Zellen festgestellt

Alt werden als Selektionsvorteil – leider nur bei Elefanten

Warum nur entwickelt sich ein Mechanismus, der krebsgefährdete Zellen gezielt ausschaltet, ausgerechnet bei Elefanten? Die Antwort dürfte in der Fortpflanzungsbiologie der grauen Riesen liegen. Elefanten haben etwa die gleiche Lebenserwartung wie Menschen, jedoch können die Kühe bis zum Ende ihres Lebens Nachwuchs bekommen. Die Investition in die jahrelange Aufzucht und Pflege jedes Nachkommen ist dabei sehr groß und mit dem Alter steigt dank der Erfahrung der Mutter die Überlebenswahrscheinlichkeit des Kalbes. Dadurch entsteht ein starker Selektionsdruck darauf, alt zu werden, der die Entwicklung von lebensverlängernden Schutzmechanismen begünstigt. Beim Menschen dagegen ist die reproduktive Phase bereits nach der ersten Hälfte des Lebens vorbei und damit ist es – rein biologisch gesehen – nicht sinnvoll, in eine erweiterte Krebsunterdrückung zu investieren.

Chancen für die Therapieentwicklung


Die Erkenntnisse um p53 bieten einige Ansätze für die Entwicklung von Therapien. „Die Elefantenergebnisse rücken das Protein wieder in den Fokus“, so Hofmann. „Schließlich ist p53 das meistmutierte Gen in Tumoren.“ Ein Weg, den die Forscher aktuell beschreiten, ist den Abbau zu blockieren. Ganz einfach sei es jedoch nicht, erläutert Hofmann weiter. Eine Erhöhung des p53-Spiegels führe zwar zum vermehrten Suizid von Tumorzellen, habe aber unerwünschte Nebeneffekte. Einer davon sei die Zielgenauigkeit der Behandlung. Wie bei anderen Therapien auch, besteht die Gefahr, dass gesunde Zellen – insbesondere die hochempfindlichen Zellen des Immunsystems – ebenfalls abgetötet werden, was die Abwehrkräfte des Patienten zusätzlich schmälert.

Aber nicht jede Mutation im p53-Gen führt zu einem Totalausfall. Häufig ist das Protein einfach falsch gefaltet und kann dadurch seine Aufgaben nicht erfüllen. In solchen Fällen besteht ein hoffnungsvoller Therapieansatz darin, die Funktionalität des Proteins durch ein gezieltes Umfalten der 3D-Struktur wieder herzustellen. Bis aus diesen Ansätzen eine klinisch erprobte Therapie entsteht, wird jedoch noch einige Zeit vergehen.

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