Standpunkt

„Klimapolitische Umsetzungskrise trotz großer wirtschaftlicher Relevanz: Wissenschaft und Politik müssen besser zusammenarbeiten“

Dr. Markus Groth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Gesellschaft am Climate Service Center Germany (GERICS), einer Einrichtung des Helmholtz-Zentrums Hereon. Bild: GERICS.

Die Wissenschaft sammelt immer mehr Erkenntnisse über die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels. Das Problem ist, dass sie von der Politik noch nicht genügend berücksichtigt werden.  Ein Standpunkt von Markus Groth, Wissenschaftler am Climate Service Center Germany (GERICS).

Der Klimawandel schreitet voran und seine wirtschaftlichen Folgen rücken immer stärker in den Fokus. Die Forschung hierzu hat sich in den letzten Jahren deutlich erweitert. Sie zeigt eine große Bandbreite an verwendeten Modellen und Szenarien sowie regionalen und sektoralen Perspektiven. Die Ergebnisse sind eindeutig: Global ist bis Mitte des Jahrhunderts mit erheblichen wirtschaftlichen Schäden zu rechnen. Um die schlimmsten Folgen zu begrenzen, müssen wir jetzt Emissionen drastisch reduzieren und gleichzeitig verstärkt Anpassungsmaßnahmen umsetzen. In Deutschland manifestieren sich die wirtschaftlichen Folgen vor allem in der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei sowie kritischen Infrastrukturen wie Verkehr und Energie. Auch die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben eine bedeutende wirtschaftliche Komponente. Die größten Risiken gehen von Überflutungen, Dürren und Hitze aus. Diese Extremwetterereignisse, die infolge des Klimawandels noch häufiger auftreten werden, beeinträchtigen die Wirtschaftsleistung. Maßnahmen, die die Erderwärmung mindern und helfen, uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen, reduzieren nicht nur Schäden, sondern haben insgesamt positive wirtschaftliche Effekte.

Die Dimension der Schäden zeigt der Blick auf vergangene Extremwetterereignisse. Die Flutkatastrophe im Ahrtal verursachte 2021 mindestens 40,5 Milliarden Euro Schäden. Die Hitze- und Dürrejahre 2018 und 2019 kosteten mindestens 35 Milliarden Euro. Darüber hinaus sind 99 Prozent der mindestens 30.000 seit dem Jahr 2000 aufgetretenen extremwetterbedingten Todesfälle auf Hitze zurückzuführen.

Das Problem: Die Erkenntnisse über die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels wachsen zwar an, sie werden aber in der Politik nicht ausreichend berücksichtigt. Besonders auf lokaler und regionaler Ebene von Landkreisen und Kommunen – also dort, wo die direkte Umsetzung der Klimapolitik erfolgen muss – ist hierfür zudem ein teilweise großer Unterstützungsbedarf zu erkennen.

Dabei ist die Dringlichkeit zum Handeln unbestritten. Eine besondere Brisanz erhält die Debatte aktuell durch das Thema „Overshoot“ – also das vorübergehende Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens. Die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sowie deren Bedeutung für die lokale Anpassungsplanung sind bislang noch nicht ausreichend verstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es Grenzen der Anpassung gibt, bei deren Überschreiten keine Anpassung mehr möglich ist.

Gleichzeitig befinden wir uns in einer klimapolitischen Umsetzungskrise. Sie betrifft nicht nur die Nutzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Auch ökonomische und nachhaltigkeitswissenschaftliche Perspektiven und Lösungsansätze finden politisch nicht die notwendige Berücksichtigung. Vorschläge zur Überwindung dieser Defizite wurden insbesondere im „Augsburger Aufruf zur Stärkung der gesellschaftswissenschaftlichen Klimaforschung“ und der Stellungnahme „Nachhaltigkeitsforschung dringender denn je!“ des Deutschen Komitees für Nachhaltigkeitsforschung (DKN) formuliert. Sie zeigen neue Forschungsschwerpunkte und Handlungsbedarfe auf und betonen die Notwendigkeit einer langfristig verlässlichen Forschungsfinanzierung.

Um die klimapolitische Umsetzungskrise zu überwinden, müssen Wissenschaft und Politik besser zusammenarbeiten. Vor allem die regionale und lokale Ebene brauchen mehr Unterstützung, um wissenschaftlich fundierte, langfristig wirksame und gesellschaftlich tragfähige Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

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