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OSCM

Internationale Forschungsplattform vor der Küste Afrikas

Das Ocean Science Centre Mindelo (OSCM) befindet sich in der Bucht von Mindelo, welche regelmäßig von deutschen sowie internationalen Forschungsschiffen angelaufen wird. Foto: Edson Silva Delgado, OSCM

Auf Cabo Verde betreibt das GEOMAR in Kooperation mit dem Instituto do Mar eine besondere Forschungsstation. Das Ocean Science Center Mindelo dient internationalen Meeres- und Atmosphärenforschenden als Basis für ihre Studien.

570 Kilometer vor der Küste Westafrikas liegt Cabo Verde mit seiner atemberaubenden natürlichen Schönheit. Reichhaltige Natur und vielfältige Tierwelt zeichnen die zehn Hauptinseln und mehrere kleinere Inselchen aus. Auf der Insel São Vicente, mitten im Atlantischen Ozean, hat sich das GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel zusammen mit dem kapverdischen Instituto do Mar (IMar) eine einzigartige Forschungsplattform geschaffen: das Ocean Science Centre Mindelo (OCSM).

„Solch hervorragende Bedingungen für die Meeresforschung gibt es nur selten“, schwärmt GEOMAR-Experte für Marine Biogeochemie Björn Fiedler. „Die Möglichkeiten zur Durchführung von Meeresforschung im tropischen Nordostatlantik und in der westafrikanischen Region wurden mit dem OCSM deutlich verbessert – binnen weniger Augenblicke erreicht man den offenen, 3500 Meter tiefen Atlantischen Ozean und kann direkt mit der Forschung loslegen – das ist wirklich großartig.“ Zusammen mit seiner Kollegin Cordula Zenk, Koordinatorin der Deutsch-Kapverdische Kooperation, steuert er die deutschen Aktivitäten im OCSM. Beide sind jeweils mindestens drei bis viermal im Jahr vor Ort, Fiedler hat im Eröffnungsjahr sowie im vergangenen Winter sogar jeweils ein halbes Jahr dort mit seiner Familie verbracht.

Die Kapverdischen Inseln liegen 1.500 Kilometer südwestlich der Kanarischen Inseln und rund 600 Kilometer westlich der Küste Senegals. Grafik C. Kersten/ GEOMAR, Karte: GEBCO

Wissenschaftlicher Austausch und spannende Tiefseedaten

Das OSCM in Mindelo dient mit einer Nutzfläche von mehr als 1.700 Quadratmetern und einer modernen Infrastruktur seit seiner Eröffnung im Jahr 2017 als multifunktionale Basis für wissenschaftliche Langzeitbeobachtungen und Feldforschungen im tropischen Nordostatlantik. Gleichzeitig trägt das Zentrum aber auch zum wissenschaftlichen Austausch und zur Netzwerkbildung mit und innerhalb von Westafrika bei und ermöglicht die Ausbildung von Studierenden und angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Bereich der Meereswissenschaften.

Forschungsschwerpunkte in Hinblick auf das marine Ökosystem im Atlantischen Ozean vor der Küste Westafrikas liegen im Bereich der marinen Ökologie sowie der chemischen als auch physikalischen Ozeanographie. „Bereits seit 2006 liefert eine Langzeit-Ozeanbeobachtungsstation, die ungefähr 100 Kilometer nordöstlich von der Insel im tiefen Atlantik verankert ist, kontinuierlich Daten über Temperatur, Sauerstoff und andere Parameter,“ erklärt Fiedler. Die gewonnenen Daten werden mit den ebenfalls vor Ort aktiven Forschenden des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena abgeglichen und erlauben tiefe Einblicke in die durch den Klimawandel verursachten Veränderungen im Ozean sowie in der Atmosphäre.

Eine autonome Segeldrohne während einer mehrmonatigen Mission zur Messung von CO2 Austauschflüssen zwischen Ozean und Atmosphäre bei den Kapverdischen Inseln. Die Mission wurde gemeinsam vom BMBF sowie dem EU Projekt EuroSea unterstützt. Foto: Martin Visbeck, GEOMAR

Fokus auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit

Da die Kapverdischen Inseln und der Bereich des Atlantiks, der sie umgibt, ein empfindliches Ökosystem darstellen, sind Umweltschutz und Nachhaltigkeit wichtige Aspekte der Aktivitäten am OSCM. Die großen Auftriebsgebiete an den östlichen Rändern des Atlantiks und Pazifiks gehören zu den biologisch produktivsten und artenreichsten Regionen und sind daher von höchster ökologischer und sozioökonomischer Bedeutung. Cordula Zenk erklärt: „Wir beobachten deswegen: Wie stark verliert der Ozean in der Region den Sauerstoff in einer bestimmten Wassertiefe? Welche Auswirkungen hat das auf die Ökosysteme vor Ort? Und vor allem: Welche Folgen hat dies für die Fischerei und die Bevölkerung?“

Die einheimische Fischerei wird in unterschiedlichste Studien einbezogen. Das fördert auch das Verständnis der Bevölkerung für die Meeresumwelt und die Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean. „Uns liegen der enge Kontakt und der Austausch mit den Interessensvertretern vor Ort besonders am Herzen“, bekräftigt Zenk. „Die Ökosysteme, die unter Druck sind, sind gleichzeitig Nahrungsgrundlage für Millionen von Menschen in Westafrika. Die meisten davon leben an den Küsten und sind stark abhängig von der Fischerei und einem funktionierenden Ökosystem.“ Deswegen werde auch der sozioökonomische Aspekt stets mitbetrachtet. „Das OSCM ist insofern viel mehr als eine Forschungsplattform, wo Studien gemacht, Daten mit nach Hause genommen und Erkenntnisse veröffentlicht werden,“ führt Björn Fiedler aus. „Wir unterstützen daher vor Ort aktiv den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse hin zu Interessensvertretern und Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik.“

Mitarbeiter des GEOMAR und des OSCM bilden gemeinsam Studierende des vom BMBF finanzierten WASCAL M.Sc. Programms während der "Floating University” Expedition auf FS Maria S. Merian aus. Foto: Sarah Kaehlert, GEOMAR

FUTURO: das Großprojekt

Eins der großen Projekte für die Zukunft ist die einjährige Forschungskampagne „Die Zukunft der tropischen Auftriebsgebiete im Atlantischen Ozean“ (Future of Tropical Upwelling Regions in the Atlantic Ocean, kurz: FUTURO). Das internationale Großprojekt soll untersuchen, wie sich das natürliche und für Westafrikas aber auch Europas Bevölkerung äußerst wichtige Auftriebsgebiet im Atlantik vor Westafrika im Zuge des Klimawandels entwickeln wird und wie diese biologisch besonders produktive und artenreiche Region geschützt und nachhaltig bewirtschaftet werden kann. Unter Fragestellungen wie etwa „Wie werden sich die Küstenauftriebsgebiete in Zukunft verändern? Wie wirken sich diese Änderungen auf Klima und Menschheit aus? Welche Art und Intensität der Nutzung in Auftriebsgebieten ist längerfristig möglich?“ sollen im Zeitraum von 2027 bis 2029 Forschungsschiffe und autonome Geräte in der erweiterten westafrikanischen Küstenauftriebsregion operieren und Untersuchungen ermöglichen. Dabei sollen unter anderem Gesundheits- und Krankheitsprozesse im Meer betrachtet werden, die grundlegend für Nahrungsmittelsicherheit und andere wichtige Funktionen des Ozeans sind. Besonderer Fokus von FUTURO liegt vor allem auf der aktiven Zusammenarbeit mit westafrikanischen Forschenden, Interessengruppen und Meeresforschungsinstituten sowie dem unmittelbaren Transfer der Erkenntnisse und daraus folgenden Handlungsempfehlungen in die Politik vor Ort.

Beobachtungsplattformen zusammen mit physikalischen und biogeochemischen Prozessen und Komponenten der Nahrungskette als Teil der FUTURO-Kampagne. Illustration: Christoph Kersten/GEOMAR

Björn Fiedler erklärt die Relevanz des Projekts mit der besonderen Situation der Region: „Hier kommen für den Ozean drei große Stressfaktoren zusammen: Versauerung, Erwärmung und Sauerstoffverlust. Das sind alles Prozesse, die global an vielen Orten oft separat auftreten, aber hier finden sie alle gleichzeitig statt und erzeugen einen enorm hohen Druck auf das Ökosystem.“ Gleichzeitig sei die Datenlage aber so gering, dass man gar nicht wisse, wie stark sich diese Veränderungen auswirken werden. Robuste Prognosen treffen zu können und die Politik verlässlich und rechtzeitig über mögliche Veränderungen des Ökosystems zu informieren. „Um am Ende ein wirklich nachhaltiges Management der Ökosysteme zu ermöglichen“, hofft Fiedler. Nicht zuletzt, damit die Inselgruppe im Nordostatlantik mehr als eine logistische Ausgangbasis für die Meeresforschung bleibt.

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