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Interview

„Innovation ist eine unserer Kernaufgaben“

Prof. Holger Hanselka ist seit dem 1. Oktober 2013 Präsident des KIT. Bild: Andrea Fabry, KIT

Das Karlsruher Institut für Technologie hat eine Dachstrategie für die nächsten Jahre vorgelegt. Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft will Spitzenforschung und Lehre noch enger miteinander verzahnen, Finanzströme von Bund und Land zusammenführen und ihr Profil weiter schärfen. KIT-Präsident Holger Hanselka erklärt die Strategie.

Herr Hanselka, eigentlich läuft’s beim KIT doch gerade ziemlich rund. Die Turbulenzen nach dem Verlust des Exzellenz-Status’ sind weitgehend überwunden, die Institution ist wieder in ruhigerem Fahrwasser. Warum brauchen Sie da eine neue Strategie?

Die große Herausforderung ist, dass das KIT seit der Fusion 2009 zwar eine Einrichtung ist, wir aber bis heute mit getrennten Finanzströmen aus der Bundes- und Landesfinanzierung wirtschaften. Auch in anderen Bereichen gibt es noch unterschiedliche Regelungsvorgaben. Mit der Dachstrategie KIT 2025 haben wir ein Papier erarbeitet, das die nötigen Veränderungen identifiziert, damit das KIT am Ende tatsächlich auch als EINE Einrichtung handeln und mit verbesserter Qualität in Forschung, Lehre und Innovation wirken kann.

Was sind das für Veränderungen?

Die Kernaufgaben des KIT sind Forschung, Lehre und Innovation - wobei die Lehre ursprünglich nur in unserem Auftrag als Universität enthalten war, nicht aber in unserem Auftrag als Forschungseinrichtung in der Helmholtz-Gemeinschaft. Das KIT kann aber nur dann als eine Einheit funktionieren und damit verbesserte Qualität erzeugen, wenn es einheitliche Aufgaben in Forschung, Lehre und Innovation für ganz KIT gibt: Jeder Wissenschaftler beteiligt sich an der Lehre, unabhängig davon, ob er oder sie aus dem Großforschungsteil oder der Universitätswelt kommt. Und umgekehrt kann sich jeder Wissenschaftler in alle Forschungsaufgaben des KIT einbringen. Damit verbunden ist ein Signal an unsere Geldgeber in Bund und Land, für und mit uns die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle in der Wissenschaft Tätigen sich an der Lehre und der Forschung gleichermaßen beteiligen können. Das ist eine Grundidee der Dachstrategie.

Sie haben als Hauptthemen Energie, Mobilität und Information benannt. Warum?

Die Universitätswelt steht für die Breite der Disziplinen und des Wissens, während sich die Helmholtz-Welt wegen des forschungspolitischen Auftrags mit Blick auf die großen gesellschaftlichen Fragestellungen ausrichtet. Hier stehen Themen wie Ernährung, Gesundheit, aber eben auch Energie, Mobilität und Information im Fokus. Die strategischen Themen des KIT haben ihre Wurzeln in der Geschichte der Vorgängereinrichtungen. Das Helmholtz-Zentrum in Karlsruhe war früher Kernforschungszentrum, das heißt, es gibt eine große Tradition in der  Energieforschung. Genauso ist das Thema Information in den Vorgängereinrichtungen des KIT fest verankert: In Karlsruhe wurde 1972 die erste Informatik-Fakultät in Deutschland gegründet.  Um Lösungen für viele Herausforderungen der Gesellschaft zu finden, brauchen wir heute eine hohe IT-Kompetenz. Und genau dieses geballte IT-Wissen bringt das KIT in die Helmholtz-Gemeinschaft ein.  Gleiches gilt für die Mobilitätsforschung, die in Karlsruhe eine über hundertjährige Tradition hat. So kann beispielsweise die Energiewende nur durch die geschickte Kombination dieser Disziplinen gelingen. Daher stellen wir am KIT diese Themen in den Fokus, ohne unser Forschungsprofil in unseren Disziplinen aus den Augen zu verlieren.

Wie wird sich der Haushalt  durch die Dachstrategie verändern?

Die Dachstrategie KIT 2025 setzen wir in dem Finanzrahmen um, der uns zur Verfügung steht. Insgesamt haben wir als KIT ein Jahresbudget von 850 Mio. Euro. Wir bekommen etwa 30 Prozent unserer Mittel vom Land, um unserer Aufgabe als Universität gerecht zu werden, 30 Prozent erhalten wir vom Bund für unseren Helmholtz-Auftrag, also die programmorientierte Forschung. 40 Prozent unseres Haushaltes bestehen aus Drittmitteln, die wir im Wettbewerb  als Drittmittel der öffentlichen Hand zum Beispiel bei der DFG, der EU, bei den Ministerien einwerben und auch im Markt bei der Industrie über Forschungsaufträge und Kooperationen erwirtschaften.

Eine Fusion wird ja normalerweise immer auch mit Kosteneinsparung durch Synergie-Effekte begründet…

Im Moment müssen wir  zwei verschiedenen Haushaltssystemen gerecht werden. Die Zusammenführung der Haushalte ist wichtig, liegt aber nicht in unserem Hoheitsgebiet. Daher erhoffen wir uns wichtige Weichenstellungen seitens der Ministerien, die nachhaltig zu einem einheitlichen KIT führen. Sobald dies erfolgt ist, können wir die internen Prozesse klarer und schlanker gestalten und es werden Ressourcen frei, die wir zielführend im Sinne unserer Dachstrategie und damit zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit in Forschung, Lehre und Innovation nutzen werden.

Wie konkret sind Ihre Pläne zum Thema Innovation?

Eine wichtige Maßnahme ist, dass wir zum 1. Januar  ein neues Vizepräsidentenressort für Innovation uns Internationales geschaffen haben, Die Innovation ist eine unserer Kernaufgaben und daher auf Vorstandsebene angesiedelt. Zum Thema Innovation zählen wir Entwicklungen der Wissenschaft, die am Ende dem Markt und der Gesellschaft in Form von Produkten, Prozessen oder Verfahren zugutekommen. Die Innovationsstrategie zeigt sich im Ergebnis unter anderem in erfolgreichen Ausgründungen, Startups und Lizenzen.

Aber kommen sich Innovation und Grundlagenforschung dabei nicht in die Quere?

Im Gegenteil, das eine befruchtet das andere. Wissenschaft entwickelt sich entlang einer Wertschöpfungskette. Solange wir uns tief in den Grundlagen bewegen, sind wir auch weit weg von der Antwort, wofür das Erforschte und Analysierte am Ende gut ist. Das ist das Charakteristikum und der Charme der Grundlagenforschung, dass sie zweckfrei und ergebnisoffen ist. Je weiter wir uns zum Produkt hin entwickeln, desto zielgerichteter ist die Forschung. Wir decken den gesamten Spannungsbogen ab, von der tiefsten Grundlagenforschung in den Disziplinen Mathematik, Physik, Chemie und Astroteilchenphysik, bis hin zu den Produktionsstraßen in unseren Ingenieursfakultäten. Aber es ist bei alledem erforderlich den internen Prozess so zu gestalten, dass egal wo wir in dieser Wertschöpfungskette stehen, die Ergebnisse denjenigen zur Verfügung stellen, die es zur Anwendung führen. Und das geht nur, wenn man die Menschen mit ihren Potenzialen zusammenführt. Das ist Teil unserer Innovationsstrategie. Jeder darf sich also angesprochen fühlen und die Frage stellen, ob das, was hier von ihm geleistet wird, an irgendeiner anderen Stelle jemandem nützen könnte.

Aber ist eine gezielte Zusammenarbeit zwischen gewinnorientierter Industrie und freier Forschung nicht ein paradoxes Ziel?

Nein. Schon jetzt arbeiten zum Beispiel in der Batterieforschung Wissenschaftler aus der Industrie mit Wissenschaftlern des KIT zusammen. Die einzige Herausforderung bezogen auf Ihre Frage sind die Verträge, die so gestaltet sein müssen, dass die Freiheit der Forschung nicht gefährdet ist, andererseits aber für alle Beteiligten Anreize geschaffen werden, zu investieren.

Sie haben durch den Verlust des Exzellenztitels 20 Millionen Euro weniger im Jahr im Geldbeutel. Welche Rolle spielt nun die Exzellenzinitiative und deren Nachfolgerin ab 2017 für Sie?

Uns hat die erste Phase der Exzellenzinitiative die Chance gegeben, die Idee des KIT zu positionieren und diese Chance wurde erfolgreich genutzt. Unabhängig vom Ausgang der Exzellenzinitiative im Jahr 2012 haben wir den größten aller Schritte im deutschen Wissenschaftssystem getan. Niemand hat im System eine derart große Veränderung herbeigeführt, nämlich eine Landes- und eine Bundeseinrichtung zu verschmelzen. Und dieses Ziel haben wir konsequent weiterentwickelt und wir sind nicht auf halber Strecke stehen geblieben. Mit unserer Dachstrategie KIT 2025 bin ich optimistisch für kommende Wettbewerbe.

Weitere Informationen zur Dachstrategie des KIT 

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