Ausgezeichnet

Helmholtz verleiht Promotionspreis

Der Helmholtz-Präsident im Kreise der Promotionspreisträger:innen (v.l.n.r.): Marvin Carl May, Clara Vázquez García, Stephan Hilpmann, Lars Grundhöfer, Otmar D. Wiestler, Laura Helleckes, Monica Keszler, Benedikt Wagner, Hanna Trzesniowski, Celia Dobersalske, Tim Ziegler und Vanessa Stenvers. Bilder: Oliver Walterscheid

Bei Helmholtz forschen knapp 9.000 Doktorandinnen und Doktoranden. Elf von ihnen wurden jetzt ausgezeichnet. Mit dem Promotionspreis würdigt Helmholtz jedes Jahr die besten und originellsten Doktorarbeiten.

Celia Dobersalske

Deutsches Krebsforschungszentrum

Unser Verständnis des Zusammenspiels von Immunsystem und Gehirntumoren ist noch nicht umfassend genug, um Immuntherapien effektiv zum Einsatz zu bringen. Trotz vielfältiger Ansätze bleibt der bösartigste Hirntumor – das Glioblastom – bis heute unheilbar. Im Rahmen ihrer translationalen Promotion charakterisierte Celia Dobersalske zusammen mit ihren Kolleg:innen zunächst die Stamm- und Vorläuferzellen des Immunsystems im Tumorgewebe und stieß dabei auf tumorreaktive, zytotoxische CD8+ T-Lymphozyten im Schädelknochen. Diese Zellen könnten bei der Krebsabwehr eine essenzielle Rolle spielen. Innovative Bildgebung an Patienten:innen in Korrelation mit dem Krankheitsverlauf ergab erste Hinweise auf das therapeutische Potenzial der Entdeckung. Künftige Studien sollen nun untersuchen, wie diese besonderen Zellen gezielt in bessere Therapiekonzepte eingebunden werden können.

„Die Erkenntnis, dass wir etwas völlig Neues entdeckt hatten, war ein unvergesslicher Moment. Unser Befund, dass der menschliche Schädelknochen ein übersehenes Immun-Reservoir direkt neben Hirntumoren darstellt, ergänzte entscheidend das sich wandelnde Verständnis des Gehirns, das lange als immunologisch isoliert galt. Dieser Moment markierte für mich einen absoluten Wendepunkt.“

Clara Vázquez García

Max Delbrück Center

In ihrer Promotion entwickelte Clara Vázquez García eine neue Technologie namens SWIBRID, kurz für SWItch-joint Breakpoint Repertoire IDentification. Diese Methode analysiert kleine DNA-Narben, die während der Bildung von Antikörpern entstehen. Anfangs wurde SWIBRID eingesetzt, um zu untersuchen, wie DNA-Fragmente in die Antikörpergene von Menschen und Mäusen eingebaut werden. Doch schnell zeigte sich, dass SWIBRID auch genutzt werden kann, um Probleme im Immunsystem oder bei der Reparatur von DNA in Zellen zu erkennen. Mithilfe von SWIBRID konnte Clara Vázquez García DNA-Reparaturdefekte in Immunzellen von Mäusen mit über 90 Prozent Genauigkeit nachweisen. Heute erkennt ihre Methode Immundefekte beim Menschen mit über 99 Prozent Genauigkeit, und sie entwickelt die Technologie kontinuierlich weiter. SWIBRID ist äußerst vielseitig einsetzbar, da das Immun- und das DNA-Reparatursystem zentrale Regulatoren in verschiedenen Körpersystemen sind. Daher gilt die Technologie als vielversprechender Kandidat, um zur Zukunft der personalisierten Medizin beizutragen.

 „Als ich in einer Grafik sah, dass wir zwischen DNA-Reparaturdefekten und gesunden Kontrollpersonen unterscheiden konnten, erkannte ich das Potenzial der von mir entwickelten SWIBRID-Technologie. Da wusste ich: Diese Methode muss in die klinische Anwendung kommen, damit Menschen davon profitieren können. Seitdem konzentrieren wir uns darauf, die klinisch relevantesten Einsatzmöglichkeiten für die Technologie zu identifizieren.“

Lars Grundhöfer

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Lars Grundhöfers hat wichtige Beiträge zur Entwicklung alternativer Navigationssysteme geleistet, insbesondere im Bereich des R-Mode-Systems für terrestrische Navigation. Das R-Mode-System, kurz für Ranging Mode, ist ein bodengebundenes, alternatives Navigationssystem für die Schifffahrt, das auf bereits vorhandener maritimer Funkinfrastruktur basiert. Es nutzt existierende Mittelwellensender, um Schiffen eine Entfernungsschätzung zu ermöglichen und so deren Position zu bestimmen, insbesondere als Backup-System für den Fall von Ausfällen globaler Satellitennavigationssysteme wie GPS. Im Rahmen seiner Promotion entwickelte Lars Grundhöfer das R-Mode-System maßgeblich weiter. Er erarbeitete unter anderem theoretische Grundlagen für die Abdeckungsabschätzung und die Signalentwicklung. Darüber hinaus entwickelte er einen Software-Defined-Radio-Empfänger, der in der Lage ist, das R-Mode-Signal zu empfangen und es ermöglichte die erste Position auf offener See zu bestimmen.

 „Als die erste Positionslösung auf einem Schiff mitten auf der Ostsee erfolgt ist, wurde mir klar, dass mein theoretischer Ansatz und die Implementierung funktionieren und wir ohne GNSS* navigieren können.“

*GNSS steht für Global Navigation Satellite System und ist ein Überbegriff für alle Satellitennavigationssysteme, die eine weltweite Positionsbestimmung und Navigation ermöglichen.

Laura Helleckes

Forschungszentrum Jülich

Wie können wir biotechnologische Prozesse schneller, präziser und nachhaltiger entwickeln? Genau dieser Frage hat sich Laura Helleckes in ihrer Doktorarbeit gewidmet. Am Forschungszentrum Jülich hat sie neue Wege gefunden, wie Laborautomatisierung und Maschinelles Lernen kombiniert werden können, um biotechnologische Produktionsprozesse – etwa für Enzyme oder andere Proteine – effizienter zu gestalten. Mit automatisierten Laboren, statistischen Modellen und selbstentwickelter Software konnte sie Experimente nicht nur beschleunigen, sondern auch gezielter planen. Das spart Zeit, Ressourcen und eröffnet neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Bioökonomie. Ihre Forschung bringt uns dem Ziel näher, dass biotechnologische Prozesse sich künftig fast autonom weiterentwickeln können – intelligent, automatisiert und datengetrieben.

„In meiner Doktorarbeit habe ich gelernt, dass ich als gelernte Biotechnologin und Doktorandin im Bereich Maschinelles Lernen zwei Welten vereinen kann, die oft Schwierigkeiten haben miteinander zu sprechen. Interdisziplinäre Gruppen und deren Wissen zusammenzubringen ist seitdem meine Leidenschaft.“

Stephan Hilpmann

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

Ein tiefgreifendes Verständnis mikrobieller Prozesse ist entscheidend, um die langfristige Sicherheit von Endlagern für radioaktive Abfälle wissenschaftlich fundiert bewerten zu können. Ziel von Stephan Hilpmanns Promotion war die Untersuchung der Wechselwirkungen des anaeroben, sulfatreduzierenden Bakteriums Desulfosporosinus hippei DSM 8344T mit Uran und Europium. Diese bakterielle Gattung konnte in verschiedenen Umgebungen potenzieller Endlagerstandorte nachgewiesen werden. D. hippei DSM 8344T immobilisiert Uran(VI), was zur Rückhaltung von Uran im Umfeld eines Endlagers beitragen kann. Stephan Hilpmann gelang es erstmals, Uran(V) als Zwischenprodukt der Bioreduktion mithilfe von Synchrotron-Röntgenspektroskopie nachzuweisen. Die von ihm durchgeführten Experimente helfen, Prozesse in komplexen Umweltproben besser zu verstehen und Konzepte weiterzuentwickeln, um die Sicherheit zukünftiger Endlager für radioaktive Abfälle zu verbessern.

 „Zunächst wollte ich die Bildung von Uran(IV) im System mit relativ einfachen UV-Vis-Methoden nachweisen. Es erschienen aber immer wieder Signale, die ich nicht richtig zuordnen konnte. Erst durch den Umstieg auf Synchrotron-Spektroskopie wurde mir klar: Der Prozess ist da und auch die Bildung von Uran(V), aber unsichtbar für klassische Methoden. Die Wissenschaft braucht manchmal einfach die richtigen ‘Brillen’.“

Monica Keszler

Forschungszentrum Jülich

Angesichts der wachsenden Nachfrage nach einer nachhaltigeren, zirkulären Wirtschaft bietet das direkte Recycling vielversprechende Möglichkeiten, Materialien wiederzuverwenden, ohne sie durch aufwendige chemische Prozesse zerlegen zu müssen. In ihrer Dissertation konzentriert sich Monica Keszler auf die Verwendung einer speziellen Sintertechnik, die als feldunterstützte Sintertechnologie/Funkenplasmasintern (FAST/SPS) bekannt ist, um zwei unterschiedliche Materialabfallströme direkt zu recyceln: heißverformte NdFeB-Magnete und Späne von Schnellarbeitsstahl. NdFeB-Magnete sind Schlüsselkomponenten in Windkraftanlagen, E-Mobilitätsgeräten und Unterhaltungselektronik. Schnellarbeitsstahl enthält oft kritische Elemente wie Chrom und Wolfram. Aufgrund ihrer speziellen Mikrostruktur oder Verunreinigungen sind direkte Recyclingverfahren für diese Abfälle jedoch noch nicht vollständig entwickelt. Mit FAST/SPS gelang es Monica Keszler, aus NdFeB-Schrott neue Magnete mit starker magnetischer Leistung herzustellen. Das Verfahren wurde auch angepasst, um kontaminierte Stahlspäne in neue 120-mm-Trennscheiben umzuwandeln, was zeigt, wie Industrieabfälle ohne aufwendige Aufbereitung wieder in nützliche Produkte zurückverwandelt werden können.

„Oftmals beschädigten oder zerbrachen ungleichmäßiges Pulver und Rückstände meine Sinterformen. Die Lösung für dieses Problem war jedoch recht ungewöhnlich: Ich verwendete Barista-Werkzeuge und Pinsel, um sicherzustellen, dass mein Pulver gleichmäßig verteilt und meine Formen sauber waren. Manchmal sind die besten Lösungen die unerwartetsten!“

Marvin Carl May

Karlsruher Institut für Technologie

Industrielle Produktionsprozesse – besonders in der Halbleiterfertigung – werden immer komplexer. In solchen Umgebungen ist operative Exzellenz entscheidend für den Erfolg. Eine große Herausforderung ist dabei die Einhaltung enger Zeitfenster zwischen zwei aufeinanderfolgenden Produktionsschritten. Wird dieses Zeitlimit überschritten, muss der Auftrag häufig aussortiert werden – mit hohen Kosten. Marvin Carl May entwickelte im Rahmen seiner Promotion einen neuartigen, datengetriebenen Steuerungsansatz, der speziell für solche zeitkritischen Systeme konzipiert ist. Mithilfe von uni- und multivariaten Zeitreihenmodellen sowie einem digitalen Zwilling konnten mögliche Zeitüberschreitungen frühzeitig vorhergesagt werden. Auf Basis dieser Vorhersagen und unter Berücksichtigung der Unsicherheiten der Modelle leitete Marvin May einen intelligenten Steuerungsmechanismus ab – und validierte diesen erfolgreich in Zusammenarbeit mit der Industrie.

 „Der entscheidende Aha-Moment war für mich die Erkenntnis, dass die meisten Prozesse in der Produktion sehr gut, beinahe zu gut funktionieren. Die wenigen, aber teuren Fehler zu finden, war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Dadurch wurde klar, dass klassische End-to-End-Machine-Learning-Ansätze nicht ausreichen. Ich richtete meinen Fokus daher auf die Quantifizierung von Unsicherheiten, die Integration eines digitalen Zwillings und die Ableitung von Steuerungsentscheidungen in einem zweiten – letztlich erfolgreichen – Schritt.“

Vanessa Stenvers

GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

In ihrer Doktorarbeit untersuchte Vanessa Stenvers Anpassungen bei pelagischen Wirbellosen, sowohl kurzfristig als Reaktion auf Umweltstress als auch langfristig auf evolutionären Zeitskalen. Dabei konzentrierte sie sich auf die Auswirkungen der globalen Erwärmung und des Tiefseebergbaus auf eine pelagische Qualle. Während die Auswirkungen von Sedimentablagerungen in der Wassersäule ein zunehmend besorgniserregendes Thema im Zusammenhang mit dem Bergbau sind, fehlten bisher experimentelle Daten. Vanessa Stenvers fand heraus, dass die Exposition gegenüber Plumes mit hohen energetischen Kosten verbunden ist, aber auch schwerwiegendere Auswirkungen hat als das extremste Erwärmungsszenario. Darüber hinaus zeigte sie, dass Kenntnisse über symbiotisches Verhalten entscheidend sind, um die Tarnung und visuelle Anpassungen einer Gruppe von Krebstieren zu verstehen. Dieses Wissen wird dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen vorherzusagen, da sich pelagische Gemeinschaften und ihre Wechselwirkungen unter Umweltveränderungen wahrscheinlich verändern werden.

„Die Tiefsee und ihre Bewohner existieren nicht isoliert vom Leben an Land. Pelagische Tiere tragen zur Regulierung unseres Klimas, zum Nährstoffkreislauf und zum Erhalt der Fischbestände bei. Ob und wie sich diese Tiere anpassen, ist eine zunehmend wichtige Frage, und das Verständnis ihrer Reaktionen auf Veränderungen ist für die Erhaltung eines gesunden Planeten von entscheidender Bedeutung.“

Hanna Trzesniowski

Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie

Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein für das Energiesystem der Zukunft und wird auch als Rohstoff für die chemische Industrie in großen Mengen benötigt. Mithilfe von Katalysatoren lässt sich Wasser elektrolytisch aufspalten und so Wasserstoff gewinnen. Im Rahmen ihrer Promotion forschte Hanna Trzesniowski an nickelbasierten Elektrokatalysatoren für die Wasserspaltung. Diese stellen unter alkalischen Bedingungen eine vielversprechende Alternative zu seltenen Materialien wie Iridium für die Wasserstoffgewinnung dar. Eine zentrale Erkenntnis ihrer Forschung war die Aufklärung der elektronischen Struktur von Nickel-Eisenoxid-Katalysatoren im katalytisch aktiven Zustand. Darüber hinaus gelang es ihr erstmals, die Prozesse an der elektrochemischen Grenzfläche - also genau dort, wo die Wasserspaltung stattfindet - spektroskopisch zu beobachten. Hanna Trzesniowskis Arbeit trägt dazu bei, das Verständnis der alkalischen Wasserelektrolyse zu vertiefen und den Weg für die Entwicklung effizienterer und stabilerer Katalysatoren zu ebnen.

„Ich saß mitten in der Nacht an der Beamline, leicht enttäuscht, weil auf den ersten Blick nichts an der Grenzfläche zwischen Katalysator und Elektrolyt zu passieren schien. Doch dann, bei genauerer Analyse, wurde klar: Elektrolytionen schlüpfen zwischen die Katalysatorschichten. Das passiert zu einem Zeitpunkt kurz bevor der Katalysator seine Arbeit aufnimmt und Wasser spaltet, so als wollten die Ionen ganz nah dran sein, wenn es spannend wird.“

Benedikt Wagner

CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit

Ziel von Benedikt Wagners Promotionsarbeit ist die Stärkung der kryptografischen Grundlagen für Varianten digitaler Signaturverfahren, die in der Praxis – etwa in elektronischen Wahlsystemen, bei Blockchains oder verteilten Systemen – eingesetzt werden können. Benedikt Wagners Arbeit trägt zur Verbesserung der Sicherheit und Effizienz solcher Verfahren bei, insbesondere in Szenarien mit starken Angreifern. Sie adressiert aktuelle Limitationen bestehender Verfahren und liefert neue theoretische und praktische Werkzeuge für vertrauenswürdige digitale Infrastrukturen.

„Kurz nach dem Beginn meiner Promotion hatte ich bereits ein erstes Ergebnis, auf das ich sehr stolz war. Anstatt es aber direkt fertig aufzuschreiben und auf den ePrint-Server zu laden, feilten mein Supervisor und ich an vielen Details und verbesserten es weiter. Nach einer Weile mussten wir aber feststellen, dass in der Zwischenzeit ein anderes Team ein ähnliches Ergebnis veröffentlicht hat. Daraus habe ich gelernt, Ergebnisse an einem gewissen Punkt schnell aufzuschreiben und zu veröffentlichen, bevor es ein anderer tut.“

Tim Ziegler

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)

In seiner Dissertation untersucht Tim Ziegler Optimierungsverfahren für die lasergetriebene Plasmabeschleunigung von Protonen – eine vielversprechende Technologie für kompakte, leistungsstarke Teilchenquellen. Tim Zieglers Arbeit kombiniert präzise Charakterisierung und Kontrolle von ultrakurzen Laserpulsen mit innovativen Targetkonzepten. Die dabei entwickelten Methoden verbesserten die Qualität laserbeschleunigter Protonenstrahlen maßgeblich und ermöglichten einen neuen Energie-Rekord von 150 MeV. Die Ergebnisse markieren einen technologischen Durchbruch und schaffen robuste Standards für zukünftige Plasma-Experimente mit hochintensiven Lasersystemen. Damit leistet die Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung laserbasierter Beschleuniger – von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung in Medizin und Materialwissenschaft.

„Über Monate hinweg tasteten wir uns an die ideale Parameterkombination heran. Als der Laserpuls schließlich abgefeuert wurde und unsere Detektoren einen neuen Energierekord anzeigten, brach im Kontrollraum großer Jubel aus. Allen wurde in dem Moment klar: Das Konzept funktioniert besser als erhofft.“

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