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Schlaf

Gute Nacht

Bild: ullstein bild - CARO/Andreas Teich

Erholsamer Schlaf trägt nicht nur zum Wohlbefinden des Menschen bei, er ist vor allem wichtig für die Gesundheit. Das Entscheidende dabei: Qualität statt Quantität.

Wenn die Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen und das Kuscheltier fest in den Arm genommen ist, dauert es meist nicht mehr lange, bis die Augen zufallen und der Atem der Kleinen regelmäßig wird. Der Stress und die Aufregung des vergangenen Tages scheinen verflogen. Doch die äußerliche Ruhe täuscht. Kinder wie Erwachsene fallen direkt nach dem Einschlafen zunächst in den Tiefschlaf – und in dem ist der Körper höchst aktiv. Wissenschaftler wissen heute, dass in dieser Phase die wichtigsten Reinigungsprozesse stattfinden: das Immunsystem wird aktiviert, Wachstumshormone werden ausgeschüttet, Eiweiße aufgebaut und freie Radikale, die beim Stoffwechsel entstehen und das Erbgut schädigen können, abgebaut.

Schlaf ist ein wichtiger Baustein unseres Wohlbefindens und unserer Gesundheit. Neueste Studien zeigen, dass es weniger auf die Quantität des Schlafs ankommt, als vielmehr auf die Qualität. An eben dieser scheint es vielen Menschen jedoch zu fehlen. Einer Statistik des Robert-Koch-Instituts zufolge erleben elf Prozent der deutschen Bevölkerung ihren Schlaf als „häufig nicht erholsam“. Rund 25 Prozent klagen über Schlafstörungen.

Durchschnittlich schlafen Erwachsene täglich sieben Stunden und 15 Minuten. „Der individuelle Schlafbedarf kann davon jedoch wesentlich abweichen“, sagt Alfred Wiater, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. „Es gibt Kurz- und Langschläfer. Entscheidend ist, wie wir uns tagsüber fühlen, ob wir schlafbedingt körperliche Störungen oder psychische Belastungen erfahren.“

<b>Nicht erholsam</b> Lärm, künstliches Licht oder Ablenkung durch elektronische Geräte stören den Tag-Nacht-Rhythmus. Bild: Justin Paget/Corbis

Die erste Tiefschlafphase nach dem Einschlafen dauert rund eine Stunde, anschließend folgt die erste Traumphase. Da sich in dieser die Augen unter den Lidern schnell hin und her bewegen, wird sie auch REM-Phase genannt, kurz für Rapid Eye Movement. Wissenschaftler gehen davon aus, dass während des REM-Schlafs die Ereignisse des Tages verarbeitet werden. Außerdem werde das Gehirn trainiert.

„Während der Nacht durchlaufen wir mehrfach Schlafzyklen mit den unterschiedlichen Schlafstadien“, sagt Wiater. „Zum Beispiel ermöglicht erst das Zusammenwirken dieser Schlafstadien die Gedächtniskonsolidierung, also die Festigung des Gedächtnisses.“ Ist dieses Zusammenspiel gestört, kann das fatale Folgen haben. Verschiedene Studien setzen schlechten Schlaf in Verbindung mit erhöhtem Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen. Einer der Hauptgründe dafür ist den Experten zufolge, dass die meisten regulativen Hormone im Körper einen 24-Stunden-Rhythmus haben. Das körpereigene Anti-Stress-Hormon Kortisol beispielsweise folgt einem solchen circadianen Rhythmus: Unmittelbar vor dem Aufstehen wird es in erhöhter Konzentration ausgestoßen, um es dem Körper zu ermöglichen, mit dem Stress durch das Aufwachen umzugehen. Im Laufe des Tages nimmt die Konzentration kontinuierlich ab und bleibt nachts konstant niedrig, da kein Stress zu erwarten ist. „Wenn aber unser Schlafrhythmus gestört ist, verändert sich auch der Rhythmus, in dem Kortisol ausgeschüttet wird“, sagt Karl-Heinz Ladwig, Professor am Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München. „Etwas Ähnliches lässt sich auch bei vielen anderen Hormonen oder beispielsweise beim Blutdruck beobachten. Hält die Schlafstörung länger an, kommen die circadianen Rhythmen durcheinander und es kommt zwangsläufig zu Fehlleistungen.“

Ein durch Schlafstörungen oder Schlafmangel bedingtes hormonelles Ungleichgewicht führt zu einem Risiko für Diabetes und Adipositas, also Fettleibigkeit. „So kann ein mit Schlafstörungen einhergehender Mangel des Hormons Leptin, das unser Hungergefühl hemmt, Adipositas begünstigen“, sagt Alfred Wiater.

Neben körperlichen Erkrankungen ist auch der Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen ein bekanntes Phänomen. Wiater und seine Kollegen konnten in der Kölner Kinderschlafstudie ein erhöhtes Risiko für Hyperaktivität und emotionale Störungen wie Angstzustände und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen nachweisen. Darüber hinaus zeigte sich, dass Schlafstörungen zu Konzentrations- und Ausdauerproblemen sowie eingeschränkter schulischer Leistungsfähigkeit führen. „Die optimale Schlafumgebung ist dunkel, still und maximal 18 Grad temperiert“ Eine aktuelle, im Journal Sleep veröffentlichte Studie zeigt, dass vor allem unterbrochener Schlaf zu Stimmungsschwankungen führt. Menschen, die in der Nacht mehrfach aufwachen, weil sie sich um ihr Kind kümmern müssen, der Partner schnarcht oder Lärm sie stört, sind demnach unausgeglichener und weniger leistungsfähig. „Durch unterbrochenen Schlaf wird die Schlafarchitektur gestört. Das ist schädlich“, sagt Ladwig. „Die Studie unterstreicht im Wesentlichen, dass die Qualität des Schlafs wichtiger ist als die Quantität.“

Die zunehmende Globalisierung und permanente kommunikative Verfügbarkeit stört empfindlich den Tag-Nacht-Rhythmus, was wiederum zu Schlafstörungen führt. „Die optimale Schlafumgebung ist dunkel, still und maximal 18 Grad temperiert“, sagt Alfred Wiater. So induziere Dunkelheit die Ausschüttung des Einschlafhormons Melatonin. Fehlt es oder ist es in geringerer Menge vorhanden, etwa durch künstliches Licht, stört das den natürlichen Wach-Schlaf-Rhythmus, der Schlaf ist schlechter. Nicht nur künstliche Lichtquellen wirken den natürlichen Hell-Dunkel-Einflüssen entgegen, auch erfordert der Alltag der meisten Menschen, dass sie zu einer bestimmten Zeit aufstehen müssen. Dazu kommen Wecker, Mobiltelefone oder der zunehmende Verkehr, die den Schlaf stören.

An neue Bedingungen und Störfaktoren kann man sich nur scheinbar gewöhnen. „Schlafen wir einige Zeit bei extremem Lärm oder in hellen Räumen, kommen wir damit zwar nach eigenem Empfinden zurecht, Daten zeigen aber, dass die körperlichen Folgen weiter Bestand haben“, sagt Ladwig. „Gleiches gilt für die zunehmende Unsicherheit in der Lebensplanung, die es in der heutigen Gesellschaft gibt.“ Denn auch die Gemütslage wirkt sich auf die Schlafqualität aus.

Alfred Wiater fasst die wichtigsten Parameter für gesunden und erholsamen Schlaf zusammen unter Schlafhygiene und Schlafumgebung: „Schlafhygiene beinhaltet, dass wir physisch und emotional entspannt zu Bett gehen, weder hungrig noch übersättigt, ohne Stimulantien wie Tee, Kaffee oder Nikotin und ohne die schlafstörende Wirkung des Alkohols.“ Ein probates Mittel, um gegen die Folgen einer wenig erholsamen Nacht anzukämpfen, ist übrigens der Mittagsschlaf. „Dieser ist zur Gesamtschlafzeit hinzuzurechnen“, sagt Alfred Wiater. „Er ist in der Regel nicht so erholsam wie der Nachtschlaf, kann aber durchaus der kurzen Regeneration und Leistungsverbesserung dienen.

<b>Ohrenbetäubend</b> In einer Lärmschutzhalle haben DLR-Forscher Lärm verursachende Strömungen hinter den Treibwerken untersucht. Bild: DLR (CC-BY 3.0)

Schlafstörung durch Fluglärm – der versteckte Stress

Wie lange und wie gut Menschen schlafen, ist von vielen äußeren Faktoren abhängig: Ein unbequemes Bett, Temperaturschwankungen oder bestimmte Lichtverhältnisse können den Schlaf erheblich stören. „Das sind allerdings Faktoren, die sie selbst regulieren und abstellen können“, sagt Uwe Müller vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der studierte Physiker und seine Kollegen untersuchen dagegen einen Störfaktor, der sich nicht so einfach ausschalten lässt: Fluglärm. Müller leitete ein Teilprojekt der NORAH-Studie – kurz für Noise-Related Annoyance, Cognition, and Health-Studie. Zwischen 2011 und 2013 untersuchten die Wissenschaftler das Schlafverhalten von über 200 Personen in der Region um den Frankfurter Flughafen. Das Besondere: Die erste Messung fand schon vor der Einführung der Kernruhezeit von 23 bis 5 Uhr und der Inbetriebnahme einer zusätzlichen Landebahn statt. „Wir haben sowohl die Körpersignale während des Schlafs aufgezeichnet, als auch die Geräusche, die während der Nacht zu hören waren“, sagt Müller. „Dadurch konnten wir sehen, wie tief die Teilnehmer schliefen und wie sie auf die Überflüge von Flugzeugen und den dadurch steigenden Lärmpegel reagierten.“

Im Schnitt wacht jeder Mensch zwischen 20- und 25-mal in der Nacht auf. Studien zufolge kann man sich in der Regel am nächsten Morgen aber nur dann daran erinnern, wenn man dabei länger als 90 Sekunden wach war. „Lärm sorgt dafür, dass die bewussten und auch die unbewussten Aufwachreaktionen zunehmen und unser normaler Schlafzyklus verändert wird“, sagt Uwe Müller. Der Schlaf sei dann weniger erholsam. Und auch das Risiko für Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steige langfristig.

Sicher ist: Fluglärm ist nicht gut für den Körper. Die NORAHDaten belegen, dass selbst dann körperliche Reaktionen auftreten, wenn Menschen meinen, sich an den Lärm gewöhnt zu haben. Flugverbote in der Nacht könnten Abhilfe schaffen, sind aber längst nicht überall verordnet. Die Studie zeigt allerdings auch, dass der Fluglärm allein nicht darüber entscheidet, ob sich die Anwohner müde fühlen oder nicht. In der Studie wurde das subjektive Schläfrigkeitsempfinden mit einem Fragebogen auf einer 9-stufigen Skala von 1 (sehr wach) bis 9 (sehr müde) gemessen. „Obwohl die Aufwachreaktionen unserer Probanden seit der Einführung der Kernruhezeit in Frankfurt weniger geworden sind, gaben sie an, sich am nächsten Morgen noch genauso schläfrig zu fühlen“, sagt Müller. Was genau hinter diesem Ergebnis steckt, müssen die Forscher noch weiter untersuchen.

Bei der Diskussion rund um Lärmschutz in Flughafennähe spielten laut Müller unterschiedliche Interessen eine große Rolle. Er fordert deshalb einen ehrlicheren Diskurs: „Es muss einfach ein gesellschaftlicher Konsens darüber erzielt werden, wie wichtig der wirtschaftliche Mehrwert des durchgängigen Flugverkehrs ist, und dem müssen die Risiken, die er für die Bevölkerung bedeutet, gegenübergestellt werden.“ Bisher werde die Diskussion sehr emotional geführt, kritisiert er. „Die Daten, die wir und andere Studien erheben, werden von beiden Seiten sehr selektiv ausgewertet.“

Mehr Informationen zur NORAH-Schlafstudie: www.norah-studie.de/s2d

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