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Forschung

Geldsegen aus Brüssel

Hochfliegende Hoffnungen&nbsp; &quot;Horizon 2020&quot; soll die Wissenschaft beflügeln.<br />Foto: Jorisvo/istockphoto

In den nächsten sieben Jahren wird es für Forschung in Europa mehr Mittel geben. Doch wer profitiert davon wirklich?

Wie misst man eigentlich „Impact“? Markus Rex ist ratlos. Auch nach einem Gespräch mit einem EU-Mitarbeiter ist er nicht schlauer. Impact, zu Deutsch Auswirkung, sei die neue Währung, wenn Forschungsmittel vergeben würden, so habe es ihm der Mann aus Brüssel berichtet. Forschung soll sich niederschlagen: in neuen Geräten, Techniken, Verbesserungen. Wer die Bedeutung seines Projekts für die Gesellschaft nicht beschreiben kann, hat nun schlechtere Karten bei einer Bewerbung. „Aber wir wollen ja nicht nur vorhersagen, wie hoch die Dämme gebaut werden müssen, wir wollen auch einfach nur das Klimasystem besser verstehen“, sagt Klimaforscher Rex vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Dafür sei im neuen EU-Programm weniger Geld vorgesehen. „Die neugiergetriebene Forschung wird unwichtiger.“

Horizon 2020 heißt der Fahrplan, den die Europäische Kommission für die nächsten sieben Jahre aufgestellt hat. Zum ersten Mal hat das, was sonst schlicht Forschungsrahmenprogramm genannt wurde, einen klangvollen Namen. Den Horizont im Blick, gibt die EU bis 2020 insgesamt 70,2 Milliarden Euro für europaweite Forschung aus (nach sieben Jahren wird dieser Betrag wegen der Inflation auf fast 80 Milliarden gestiegen sein). Das Vorgängerprogramm war mit 54 Milliarden deutlich schlanker – allerdings muss Horizon 2020 auch weitere Programme mitfinanzieren. Am Ende bleibt trotzdem ein Plus. „Größtes Forschungsprogramm der Welt!“ jubelte im November die Präsidentin des Europäischen Forschungsrates ERC. Gute Nachrichten also für die Wissenschaftswelt?

Eigentlich: ja. Immerhin sind die Mittel für den Europäischen Forschungsrat verdoppelt worden – er fördert einzelne Wissenschaftler und setzt den Fokus auf Grundlagenforschung. Und immerhin wurden nun auch Formalia vereinfacht, aufwendige Audits teilweise abgeschafft, sollen Stipendien schneller vergeben werden. „Aber es ist schon eine gewisse Polarisierung in der Kommission zu merken“, sagt Uwe Möller vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Brüssel. „Die einen fordern Grundlagenforschung, die anderen wollen sich auf Innovation konzentrieren.“ In Horizon 2020 haben die Innovations-Befürworter an Einfluss gewonnen. Denn während der ERC sich noch über die Verdopplung seiner Mittel auf 13 Milliarden Euro freut, wurde für fast 18 Milliarden Euro ein komplett neuer Programmbereich namens „Industrielle Führungsrolle“ geschaffen: Kooperationen mit Unternehmen sollen dadurch gefördert, anwendungsbezogene Forschung unterstützt werden. Und auch im fast 32 Milliarden Euro schweren Programmbereich „Gesellschaftliche Herausforderungen“ werden konkrete Lösungen gesucht, etwa für drängende Probleme wie Luftverschmutzung, Umgang mit natürlichen Ressourcen oder Müllvermeidung. „Die Kommission scheint sich den IT-Bereich zum Vorbild zu nehmen, wo von der Idee bis zum Projekt gerade mal zwei Jahre vergehen“, sagt Uwe Möller. „Bei uns sind aber eher zehnjährige Entwicklungen die Regel.“ Einen Grund zur Beschwerde hat das DLR eigentlich nicht: Auch für Luft- und Raumfahrt gibt es unter Horizon 2020 deutlich mehr Mittel. Mehr prestigeträchtige Großprojekte also, mehr Zugang zu europaweiten Kooperationen, zu Knowhow und möglichen Kunden. „Das ist für uns fast wichtiger als das Geld“, sagt Möller. Die EU-Förderung mache gerade einmal zwei Prozent des DLR-Budgets aus.

Verlierer dieses Fokus auf Innovation werden wohl die Sozialwissenschaften sein. Hochschulen wie die Universität Freiburg ahnen, was auf sie zukommt: „In den neuen Anträgen müssen von vornherein die Anwendbarkeit und der gesellschaftliche Nutzen verdeutlicht werden“, sagt Klaus Düformantel von der EU-Beratungsstelle der Freiburger Universität. „Grundlagenorientierte und sozialwissenschaftliche Forschung hat es da naturgemäß schwerer.“ Dabei könne er in gewisser Weise sogar verstehen, dass Ergebnisse nun sichtbarer werden sollen. „Es wurde in der Vergangenheit bemängelt, dass zu viele Projektergebnisse in Schubladen landeten“, sagt er. Und auch, dass aktuelle Umwelt- und Klimaprobleme angegangen werden, könne ja niemand schlecht finden. Er hofft, dass sozialwissenschaftliche Projekte dennoch Chancen bleiben. EU-Förderung mache bisher etwa 20 Prozent der Drittmittel in Freiburg aus, sagt Düformantel. „Darauf können wir nicht verzichten.“

Mehr als die Hälfte seiner Drittmitel kommt aus Brüssel: Klimaforscher Markus Rex.<br />Foto: AWI

Die deutsche Forschung hat zwischen 2007 und 2013 insgesamt 6,4 Milliarden Euro EU-Fördermittel erhalten; etwa ein Drittel davon ging an außeruniversitäre Forschungsinstitute. In der Helmholtz-Gemeinschaft machen die Fördergelder etwa zehn Prozent der Drittmittel aus. Klimaforscher Markus Rex zählt zu den alten Hasen in diesem Geschäft. Mehr als die Hälfte seiner Drittmittel kommt aus Brüssel. Derzeit koordiniert er ein Projekt zur Verbesserung der Klimavorhersage, in das 28 Partner aus elf Ländern eingebunden sind. Fragt man ihn, wie das zu schaffen sei, so sagt er ein einziges Wort: „Vernetzung.“ Denn Netzwerken mit europäischen Kollegen hilft erstens, um auf Ideen zu kommen. Es hilft zweitens, um bei einem Call – einer Ausschreibung – einen Experten-Verbund bilden und sich bewerben zu können. Und drittens hilft das Netzwerken mit Brüsseler Mitarbeitern, schon vorab Ideen für die Ausschreibungen einzubringen. „Sich einfach auf einen Call zu bewerben, ist bisher weniger erfolgsversprechend gewesen“, sagt Rex. Im Prinzip sei es in seinem Forschungsbereich bislang so abgelaufen: Aus Brüssel kommen Fragen, was denn dringend erforscht werden müsse. Der gut vernetzte Wissenschaftler schlägt ein Thema vor und kontaktiert schon einmal mögliche Partner, um ein Konsortium zu bilden. Wenn die Ausschreibung dann erscheint, ist sie quasi auf dieses Konsortium zugeschnitten. „So läuft es ja häufig bei der Einwerbung von Drittmitteln“, sagt Rex. Ob das auch im neuen Programm so bleibt, ist ungewiss. Immerhin sind nun viele Themen deutlich breiter ausgeschrieben. Als Einzelkämpfer ohne Kontakte wird man es aber auch in Zukunft schwer haben. Laut Markus Rex hilft da nur eines: exzellente Arbeit – „denn darauf werden auch bestehende Konsortien aufmerksam.“
Der Wegbereiter

Er bestimmt, was morgen in der EU erforscht wird: Blitz-Gespräch mit Hans-Jörg Lutzeyer, einem Research Programme Officer der Europäischen Kommission

Herr Lutzeyer, warum kann es für einen Wissenschaftler nützlich sein, Sie zu kennen?

Als Research Programme Officer formuliere ich Ausschreibungen für zukünftige EU-Forschungsprojekte. Wer sich mit dem Prozedere auskennt, ist im Vorteil.

Wie läuft das Prozedere denn ab?

In unserem Fachbereich fragen wir einmal im Jahr bei Industrie und Forschung nach, wie ihre strategischen Agenden aussehen – was also an Technologientwicklung antsteht. Wir nutzen dafür Technologie-Plattformen, wo Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenkommen. Daraus entwickeln wir die Ausschreibungen.

Man kann also nicht bei Ihnen anrufen, um seinem Thema Gehör zu verschaffen?

Nein, man sollte sich stattdessen in Plattformen, Workshops und Arbeitskreisen einbringen, wo Themen diskutiert werden. Daraus entwickeln sich ja die Schwerpunkte, die es dann auf Agenden schaffen.

Was sollte ich beachten, wenn ich mich für eine Horizon 2020-Ausschreibung bewerbe?

Formulieren Sie schon in der Bewerbung den Impact, also die Auswirkung, die Ihre Forschung haben wird. Die Anwender, die Produzenten aus der Industrie sollten am besten schon Teil des Forschungskonsortiums sein. Und beziehen Sie unterschiedliche europäische Perspektiven mit ein.

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