Global Carbon Project (GCP)
„Für die Pariser Klimaziele sieht es schlecht aus“

Bild: AWI
2015 einigten sich 195 Staaten und die EU in Paris darauf, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu beschränken und Anstrengungen für eine Begrenzung auf 1,5 °C zu unternehmen, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern. Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut erklärt im Interview, warum das 1,5°C Ziel faktisch gescheitert ist.
Das Global Carbon Project (GCP) ist ein internationales Forschungsprojekt der Forschungsinitiative Future Earth zur globalen Nachhaltigkeit. Ein internationales Team von mehr als 130 Klimaforschenden erstellt einen Bericht zum globalen Kohlenstoffbudget, der jährlich – inzwischen zum zwanzigsten Mal – aktualisiert wird. Auf deutscher Seite arbeiten auch drei Helmholtz-Zentren am Bericht mit: das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), das Helmholtz-Zentrum Hereon und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die diesjährige Ausgabe wurde auf der 30. UN-Klimakonferenz in Belém vorgestellt.
Judith Hauck ist stellvertretende Sektionsleiterin Marine Biogeochemie am AWI und Professorin für Polare Biogeochemische Modellierung an der Universität Bremen. Für den aktuellen GCP-Bericht hat sie die Einschätzungen zur Rolle des Ozeans koordiniert. Im Interview stellt sie die wichtigsten Ergebnisse vor und erklärt, warum die Aufnahmekraft der Ozeane für CO2 künftig abnehmen könnte.
Frau Hauck, was sind die zentralen Botschaften des neuen GCP-Berichts zum globalen Kohlenstoffbudget?
Die globalen CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger werden auch 2025 auf ein neues Rekordhoch steigen. Der erhoffte Gipfelpunkt, nach dem die Emissionen zu sinken beginnen, bleibt also aus. Unseren Prognosen zufolge werden in diesem Jahr 38.1 Gigatonnen zusätzliches CO2 ausgestoßen – das sind 1,1 Prozent mehr als 2024. Das Klimaziel, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, ist damit praktisch nicht mehr erreichbar. Das dafür noch verbleibende Emissionsbudget ist voraussichtlich schon in vier Jahren aufgebraucht. Auch vom Erreichen des 2°C-Ziels sind wir noch weit entfernt. Bliebe das aktuelle Emissionsniveau bestehen, ist das dafür verbleibende Kohlenstoffbudget von 1055 Gigatonnen CO2 bereits in 25 Jahren aufgebraucht. Die Weltgemeinschaft muss ihre Anstrengungen deutlich verstärken.
Das sind keine guten Nachrichten. Gibt es auch Positives zu berichten?
Ja, auf jeden Fall. Trotz des etwas darüber liegenden Werts für 2025 hat sich der Emissionsanstieg in den vergangenen Jahren im Mittel deutlich verlangsamt. Im letzten Jahrzehnt stieg er im Schnitt um 0,3 Prozent pro Jahr. In der Dekade davor – 2005 bis 2014 – waren es noch durchschnittlich 1,9 Prozent Jahr. Auch in China und Indien deutet sich eine Trendumkehr an, weil beide Länder die erneuerbare Energieproduktion sehr stark ausbauen. Im Vergleich zu den Vorjahren steigen die Emissionen hier nun deutlich langsamer an, auch ein Gleichbleiben der Emissionen ist im Unsicherheitsbereich enthalten. Das könnten die ersten Anzeichen des Gipfelpunktes sein. Immerhin 35 Länder konnten ihren CO2-Ausstoß sogar verringern, während ihre Wirtschaft weiter wuchs, darunter auch Deutschland. Das sind doppelt so viele Nationen wie noch vor einem Jahrzehnt. Positiv zu bewerten ist auch die seit den späten 90er Jahren sinkende CO2-Freisetzung aus der Landnutzung. Insbesondere im Amazonasgebiet werden weniger Waldflächen abgeholzt oder brandgerodet. Hier sehen wir Erfolge der Umweltpolitik. Für 2025 prognostizieren wir einen weiteren Rückgang der Landnutzungsemissionen auf 4,1 Gigatonnen CO2. All das geht in die richtige Richtung, ist aber in der Summe noch weit von dem entfernt, was für unsere Klimaziele nötig wäre.
Sie sind Expertin für den marinen Kohlenstoffkreislauf. Welche Rolle spielen die Ozeane im globalen CO2-Budget?
Etwa die Hälfte der CO2-Emissionen verbleibt in der Atmosphäre und treibt dort die globale Erwärmung an. Die andere Hälfte wird von den Ozeanen und den Pflanzen an Land aufgenommen. Ohne diese natürlichen Kohlenstoffsenken hätte sich die Welt im Vergleich zum vorindustriellen Niveau heute schon um katastrophale 3 bis 4 °C erwärmt und nicht um „nur“ 1,36 °C. Lange gingen wir davon aus, dass beide Senken – die marine und die terrestrische – etwa gleich große Mengen an CO2 aufnehmen. Eine unserer aktuellen Studien zeigt jedoch, dass die Ozeane hier unterschätzt wurden. Insgesamt haben die Meere im letzten Jahrzehnt etwa 29 Prozent aller Emissionen aufgenommen, Landpflanzen haben rund 21 Prozent gebunden. Der Ozean ist also die mit Abstand größte natürliche Senke für CO2.
Wie stabil ist diese Leistung der Ozeane? Werden sie auch in Zukunft knapp ein Drittel unserer Emissionen schlucken?
Das zusätzliche CO2 in der Atmosphäre wird immer so lange vom Oberflächenwasser der Ozeane aufgenommen, bis ein neues chemisches Gleichgewicht herrscht. So lange der atmosphärische CO2-Gehalt also steigt, wird der Ozean CO2 aufnehmen. Allerdings setzt irgendwann eine chemische Sättigung ein: je mehr CO2 der Ozean heute aufnimmt, umso weniger kann er in der Zukunft aufnehmen. Außerdem wird die Senkenleistung vom Klimawandel beeinträchtigt. Zum Beispiel lösen sich Gase deutlich schlechter im warmen als im kalten Wasser. Ein wärmer werdendes Meer kann also rein physikalisch schon weniger Kohlendioxid aufnehmen. Solche Klimaeffekte sehen wir bereits jetzt. Die Ozeansenke ist aktuell etwa 7 Prozent schwächer als sie in einer Welt ohne globale Erwärmung wäre. Die Landsenke wird von der Erwärmung sogar noch stärker abgeschwächt, um etwa 25 Prozent. Ein weiterer starker Klimaeffekt in den Ozeanen: Seit den 1980er-Jahren verstärkt und verschiebt sich das Westwindband rund um die Antarktis. Die Folge ist ein verstärkter Auftrieb von CO2-reichem Tiefenwasser an die Oberfläche. Dieses Wasser kann nicht so viel Kohlendioxid aufnehmen, weil das Gleichgewicht mit der Atmosphäre schneller erreicht ist. Schreitet der Klimawandel auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ungebremst voran, fallen diese Klimaeffekte immer stärker ins Gewicht. Und die relative Aufnahmeleistung der Ozeane wird weiter sinken.
Angenommen, es gelingt der Menschheit in Zukunft, den CO2-Gehalt der Atmosphäre massiv zu senken – zum Beispiel durch neue Technologien zur CO2-Entnahme oder massive Aufforstung. Wie reagieren dann die Ozeane?
Meeresströmungen transportieren Oberflächenwasser in die Tiefe, wo es über viele Jahrhunderte zirkuliert, bis es dann irgendwann wieder an die Oberfläche kommt. Das darin jetzt zusätzlich gelöste CO2 wird zu einem großen Teil noch da sein. Dann stellt sich ein neues chemisches Gleichgewicht ein. Die Meere geben das gespeicherte CO2 dann wieder an die Atmosphäre ab und werden von der Senke zur Quelle.
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