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Standpunkt

Fahrplan für die Wasserwende

Prof. Dr. Dietrich Borchardt ist Leiter des Departments Aquatische Ökosystemanalyse und Management am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ. Bild: Sebastian Wiedling/UFZ

Prof. Dr. Dietrich Borchardt ist Leiter des Departments Aquatische Ökosystemanalyse und Management am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ. Bild: Sebastian Wiedling/UFZ

Warum wir die Nationale Wasserstrategie brauchen: Hydrobiologe Dietrich Borchardt über Starkregen und Ernteausfälle, die ökologische Gesundheit unserer Flüsse – und Deutschlands Weg zur nachhaltigen Wasserversorgung.

Auch wenn der gefühlt vergleichsweise kühle und nasse Sommer anderes vermuten lässt: Deutschlands Wasserversorgung droht eine Schieflage. Das zeigen nicht erst die wiederholten Dürreperioden der vergangenen Jahre, sondern auch die in vielen Regionen stetig absinkenden Grundwasserspiegel und trockenfallende Gewässer: In zahlreichen Landkreisen musste dort in Hitzeperioden Wasser bereits rationiert werden. Privathaushalte belieferten die Versorger dabei wie gewohnt, einzelne Industrien aber mussten ihren Verbrauch drosseln.

Wer darf Wasser bevorzugt nutzen? Vor dieser schwierigen Entscheidung stehen glücklicherweise erst wenige Regionen oder Gemeinden, denn im internationalen Vergleich ist Deutschland gut versorgt. Doch das hat uns sorglos werden lassen: Wir gebrauchen mehr Wasser, als es die Natur mit ihrem Wasserkreislauf unter den Bedingungen des Klimawandels überall und zu jeder Zeit bereitstellen kann.

Allein die Landwirtschaft wird künftig deutlich mehr Wasser benötigen, denn der Klimawandel führt zu längeren Trockenperioden. Studien zeigen, dass in bestimmten Szenarien im Jahr 2050 bis zu 30 Prozent aller Felder in Deutschland auf eine künstliche Bewässerung angewiesen sein könnten – heute sind es nur etwas mehr als zwei Prozent. Zwar fällt insgesamt nicht weniger Niederschlag, er verteilt sich aber anders: Selbst im Winter und Frühling bleibt es nun mitunter wochenlang trocken, dann aber setzt Starkregen ganze Landstriche unter Wasser.

Diese Wassermengen können unsere Landschaften nicht mehr ausreichend aufnehmen: Versiegelte Flächen, Drainagen und begradigte Flüsse sorgen dafür, dass Niederschlag schnell abfließt, statt über Wochen, Monate und Jahre allmählich in den Boden zu sickern – und dort schließlich Grundwasser zu bilden.

Deshalb ist die jetzt vom Bundeskabinett verabschiedete Nationale Wasserstrategie so wichtig. Sie legt nicht nur fest, nach welchen Prinzipien Wasser verteilt werden sollte, wenn Knappheiten und Konkurrenzsituationen drohen. Sondern sie weist auch Wege auf, wie wir unsere Versorgung für kommende Krisen wappnen und den Wasserkreislauf wieder in Ordnung bringen können. Ich freue mich, dass dabei viele Vorschläge aus der Forschung berücksichtigt wurden. Unsere Städte zum Beispiel sollten künftig funktionieren wie ein Schwamm – Dachgärten, Parks und unterirdische Wasserreservoirs nehmen dann Regen auf und geben ihn in Trockenzeiten wieder ab. Auch unsere Flüsse und Seen müssen wir renaturieren, damit sich plötzlich auftretende Wassermassen dort besser verteilen. So halten wir Niederschläge nicht nur länger im Boden, sondern erhöhen auch die biologische Vielfalt unserer Gewässer – schließlich ist ein großer Teil von ihnen in schlechtem ökologischen Zustand.

Das alles wissen wir seit Jahren. Doch zu lange wurden die Herausforderungen nicht ernst genommen und viele notwendige Maßnahmen nur zögerlich und lokal begrenzt umgesetzt. Die Nationale Wasserstrategie legt nun erstmals ein Gesamtkonzept vor, das Input aus der Wissenschaft, von Bürgerinnen, Bürgern und NGOs, Behörden, der Industrie, Ländern und Kommunen, Ver- und Entsorgern berücksichtigt. Die Regionen stehen vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen, je nach Wasservorkommen und Nutzungen. Dabei fehlen vielerorts noch immer regionalisierte Daten zum Wasserdargebot, zum Wasserbedarf und zur Wasserversorgung. Diese müssen wir zusammentragen und für faktenbasierte Entscheidungen bereitstellen.

Dann sind die Länder und Kommunen gefordert: Die Wasserstrategie sieht ein Aktionsprogramm mit 78 Maßnahmen vor, die bis 2030 schrittweise umgesetzt werden sollen, etwa die Wiederverwässerung von Feuchtgebieten und Mooren einschließlich der Renaturierung der Fließgewässer, die Realisierung einer wasserverträglichen und klimaangepassten Flächennutzung im urbanen und ländlichen Raum, die weitere Reduktion der Risiken durch Einträge von Nährstoffen und Mikroschadstoffen oder die Verbindung von Wasser-, Energie- und Stoffkreisläufen.

Gewaltige Aufgaben kommen also auf uns zu. Wir müssen sie jetzt als Gesellschaft gemeinsam angehen – die Nationale Wasserstrategie gibt dafür wichtige Leitlinien vor.

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