Direkt zum Seiteninhalt springen

Batterieforschung

Eine Revolution mit KI und Robotik

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz kann die Entwicklung neuer Batterien beschleunigen. Bild: KIT/Messling

Helmholtz-Wissenschaftler wollen Batterien leistungsfähiger, umweltfreundlicher und günstiger machen. Für die Suche nach neuen Materialien nutzen sie auch künstliche Intelligenz, Roboter und Supercomputer.

Bisher konnten sich Elektroautos in Deutschland noch nicht durchsetzen.Bild: Mikes Photos. Pixabay

Elektrofahrzeuge sind laut einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) die kostengünstigste Option, um den Verkehrssektor treibhausgasneutral zu machen. Doch die Bundesregierung hat ihr ursprüngliches Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen, deutlich verfehlt. Zwischen 2008 und 2019, so das UBA, wurden insgesamt 168.594 Elektroautos neu zugelassen, 63.281 davon im Jahr 2019.

Es gibt viele Gründe, warum sich E-Fahrzeuge bisher nicht durchsetzen konnten: Die hohen Anschaffungskosten, die schwach ausgebaute Ladeinfrastruktur – und die unvollständige Marktreife. Ein Knackpunkt sind die Batterien. Denn mittlerweile können die üblicherweise in Elektroautos, Smartphones und Laptops verwendeten Lithium-Ionen-Batterien kaum noch verbessert werden. Forscher suchen deshalb nach neuen Technologien für leistungsfähige, umweltfreundliche und preiswerte Batterien.

KI und Roboter beschleunigen die Batterieentwicklung

Diese Forschung könnte bald einen erheblichen Schub bekommen: Geht es nach Wissenschaftlern des Projekts BIG-MAP (Battery Interface Genome – Materials Acceleration Platform), könnten neue Batteriematerialien künftig zehnmal schneller entwickelt werden als bisher. Um die Batterieforschung zu revolutionieren, nutzen sie künstliche Intelligenz (KI) und setzen auf konsequente Automatisierung. „Wir füttern die KI mit Daten über Grenzflächen und Materialien aller Arten von Batterien, egal ob auf Lithium-, Natrium- oder anderen Ladungsträgern basierend“, erläutert Maximilian Fichtner, stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm und Sprecher der Forschungsplattform CELEST. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist an beiden Einrichtungen beteiligt und hat sie mit Partnern gegründet. „Diesen Input verwendet die KI, um das chemische Verhalten der Systeme zu verstehen, sie zieht daraus Schlüsse und erkennt komplexe Zusammenhänge.“ Daran angeschlossen ist eine autonome Robotik: Die Roboter bauen auf Anweisung der KI neuartige Batteriekomponenten (Prototypen), die anschließend von den Forschern getestet werden. Auch Fehlschläge sind dabei einkalkuliert, aus denen die KI wiederum lernt.

Skizze der "Robotikstraße" aus dem Projekt BIG-MAP. Die Robotiklinie wird von der Arbeitsgruppe von Helge Stein am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) entwickelt und aufgebaut. Visualisierung: KIT

„Die Robotik wird auf einer zwölf Meter langen und zwei Meter breiten Fläche aufgebaut, an der Seite befinden sich weitere Apparate zur Synthese und tiefergehenden Charakterisierung“, erklärt Helge Stein, der die Robotikline am Helmholtz-Institut Ulm zusammen mit seiner Arbeitsgruppe entwickelt und umsetzt. 2021 soll die Anlage in Betrieb gehen. „Aufgrund der vielen Variablen werden die von der KI entwickelten Batterie-Modelle so komplex sein, dass Menschen sie kaum erfassen können“, sagt Fichtner. „Unser – bislang noch fernes – Ziel ist es, der KI zu sagen, welche Eigenschaften wir benötigen und anschließend ein passgenaues System zu erhalten.“

Im Rahmen von BIG-MAP soll eine gemeinsame europäische Dateninfrastruktur entstehen. Forscher können somit über Landesgrenzen und Zeitzonen hinweg zusammenarbeiten. 34 Institutionen aus 15 Ländern sind daran beteiligt. Es ist das größte Einzelforschungsprojekt der europäischen Forschungsinitiative für Batterien BATTERY 2030+ – und wichtig für den internationalen Wettbewerb. Denn nur mit vereinten Kräften kann Europa in der Batterieforschung konkurrenzfähig bleiben, weiß Maximilian Fichtner: „Eine Neuausrichtung der bestehenden Entdeckungs-, Entwicklungs- und Herstellungsprozesse für Batterietechnologien ist notwendig, damit Europa es mit seinen Hauptkonkurrenten in den USA und Asien aufnehmen kann.“

Durch das Be- und Entladen ändert sich die Struktur kristalliner Silizium-Elektroden in ein schachbrettartiges Bruchmuster.Bild: HZB

Auf dem Weg zu preisgünstigen Natrium-Akkus

Auch am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) sind die Forscher auf dem Weg zu Lithium-Alternativen einen wichtigen Schritt voran gekommen. Eine deutsch-russische Arbeitsgruppe hat dort eine Studie erstellt, die zumindest in der Theorie zeigt, wie ein Natrium-Akku funktionieren könnte. Seltenes und deshalb teures Lithium durch das häufig vorkommende Natrium zu ersetzen, würde die Produktion von Batterien deutlich günstiger machen. Der Haken daran: Die Graphit-Anode der Batterie nimmt bisher zu wenig Natrium auf.

Die Studie legt nahe, dass Doppelschichten aus Graphen – hauchdünnem Kohlenstoff – deutlich mehr Natriumatome einlagern könnten als im Graphit. Dadurch würde sich die Speicherkapazität erhöhen, wie Supercomputer-Simulationen des internationalen Forscherteams zeigen. „Dank des immensen Wachstums der Rechenleistung und der Entwicklung effizienter Algorithmen haben wir heute sehr leistungsfähige Methoden zur Hand“, erklärt Arkady Krasheninnikov, Physiker am HZDR. „Sie erlauben es, detaillierte Materialstrukturen und Eigenschaften vorauszusagen.“

Leistungsstarke Batterien mit Silizium

Doch es geht nicht nur darum, Lithium in Batterien zu ersetzen, sondern auch die verbreiteten Lithium-Ionen-Batterien mit neuen Materialien zu verbessern. Dazu bietet sich Silizium an: Als Werkstoff für Elektroden in Lithium-Ionen-Batterien verspricht es eine deutliche Steigerung der Kapazität. Außerdem ist das Element in der Erdkruste fast unerschöpflich verfügbar. Doch bislang wird das Silizium durch die Belastung beim Be- und Entladen mit Lithium leicht beschädigt. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) konnten nun entschlüsseln, wie Brüche im Silizium entstehen – und wie sich das Material dennoch vorteilhaft einsetzen lässt. „Wir haben blitzlichtartige Messungen gemacht, ähnlich wie bei einem Stroboskop“, erläutert Sebastian Risse, der sich am HZB mit der Analyse von Speicherwerkstoffen beschäftigt. „Die Daten erfassen den kompletten Zeitraum, in dem Strom durch die Batterie fließt, sodass wir nun einen richtigen Film vom Geschehen haben.“

Risse und sein Team konnten zeigen, dass beim Laden und Entladen ein schachbrettartiges Bruchmuster entsteht und wieder verschwindet. „Zwar werden die Brüche bei jedem Entladen etwas größer, doch das Muster bleibt erhalten, neue Brüche entstehen nicht.“ Das heißt: Wird die Kapazität einer Siliziumbatterie entsprechend gedrosselt, verlängert sich ihre Lebensdauer um ein Vielfaches. Theoretisch hat Silizium als Ersatz für Graphit eine elf Mal größere Kapazität, in der Praxis reduziert sich dieser Vorsprung auf das Dreifache. Silizium übernimmt dabei die Funktion des Graphits als Anode, also dem Minuspol einer Batterie, etwa beim Natrium-Akku. Diese deutlich leistungsstärkeren Batterien müssten allerdings häufiger ausgewechselt werden als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien. „Silizium als zweithäufigstes Element nach Sauerstoff wäre ein kostengünstiger Werkstoff“, betont Risse. „Außerdem stellen die Mikroteilchen bei der Entsorgung keine Belastung für die Umwelt dar.“

Handys müssten dann seltener an die Steckdose, Elektroautos könnten mit einer Batteriefüllung weitere Strecken zurücklegen. Auch ein Drohnenhersteller signalisiere bereits Interesse an den leistungsstarken Batterien für die künftige Paketzustellung. Das wissenschaftliche Fundament ist hiermit gelegt.

Neues EU-Projekt soll Batterieentwicklung beschleunigen

Ein theoretischer Schritt zum Natrium-Akku

Hoffnung auf bessere Batterien

Leser:innenkommentare