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Vulkane

Ein Wechselspiel von Feuer und Eis

Ausbruch des Ätna auf Sizilien, Bild: Wead/Shutterstock

Das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam will Vulkanausbrüche verstehen und zuverlässiger vorhersagen.

Es war ein Ereignis mit Ansage: Im März brach auf Sizilien der Ätna, Europas größter und aktivster Vulkan, aus. Aus dem schneebedeckten Gipfel sprühten glühende Fontänen in die Höhe, am Südostkrater wälzte sich ein Lavastrom die Hänge hinab. Der Lavastrom bedeckte auch winterliche Schnee- und Eisfelder und löste eine verheerende Kettenreaktion aus. Das Schmelzwasser kam mit glühend heißer Lava in Kontakt und wurde zu Wasserdampf. Dabei wird die Lava abgeschreckt, während sich das Wasservolumen tausendfach ausdehnt – die sogenannte phreatische Explosion, die sich daraufhin ereignete, verletzte Besucher, Reporter, Bergführer und Wissenschaftler.

Für Wissenschaftler sind solche phreatischen Explosionen eine Herausforderung: Sie vorherzusagen erfordert nicht nur eine genaue Beobachtung des Vulkans, sondern auch des Wetters, des Niederschlags und der vorhandenen Schneemassen, erklärt Thomas Walter von der Arbeitsgruppe Vulkangefahren am Helmholtz- Zentrum Potsdam – Deutsches Geo- ForschungsZentrum (GFZ). Das Thema ist hochaktuell. Am GFZ haben sich gleich zwei Forschungsprojekte, die vom Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert werden, zum Ziel gesetzt, die Magmenbewegung und Überwachung von Vulkanen zu verbessern.

Vulkane entstehen vorwiegend an Stellen, an denen verschiedene Erdplatten aufeinander stoßen. Beim Ätna zum Beispiel schiebt sich die afrikanische unter die europäische Kontinentalplatte. Durch veränderte Temperatur- und Druckbedingungen lösen sich Fluide aus den Gesteinen des Erdmantels, eine Schmelze entsteht. Das flüssige Magma im Inneren der Erde ist mobil und oftmals auch leichter als das umgebende Gestein, außerdem steht es durch das Gewicht und die Verschiebung der Erdplatten unter hohem Druck. Deshalb sucht sich das Magma einen Weg durch die Spalten nach oben. In der Erdkruste sammelt es sich zunächst in sogenannten Reservoiren an: Zonen, an denen die Spannungen der Erdkruste ein weiteres Aufsteigen des Magmas erschweren, oftmals mit geringerer Festigkeit und hoher Porosität. Sobald diese Reservoire weiter wachsen, steigt der Druck in ihrem Innern an. Einzelne kleine Reservoire können sich verbinden und größere Magmakammern bilden. Beim weiteren Aufstieg des Magmas wird darin gelöstes Gas freigesetzt. Dadurch wird das Gemisch aus Magma und Gasen weiter beschleunigt, durch den Vulkanschlot drängt es hinauf, schließlich bricht der Vulkan aus.

Vor einem Ausbruch kommt es wegen dieser Prozesse zu verschiedenen Veränderungen am Vulkan: Die vulkanischen Gase sind messbar, Temperaturen ändern sich, Erdbeben entstehen und der Boden bewegt sich leicht. Darüber hinaus führt eine Druck- und Temperaturänderung des Magmas dazu, dass sich die Oberfläche des Vulkans verformt – Bewegungen, die Forscher Thomas Walter mit seinem Team per Satellitenradar und hochauflösenden Überwachungskameras analysiert. Außerdem lassen sich durch chemische und petrologische Studien einzelne Magmaquellen in der Tiefe identifizieren. „Genaugenommen sind Vorhersagen an Vulkanen also eher Frühwarnungen, weil letztlich nicht aufhaltbare Prozesse in der Tiefe rechtzeitig gedeutet werden müssen“, sagt Thomas Walter. Eine zentrale Frage der Vulkanforschung ist daher:

Vulkanvorhersage Die GPS-Bodenstation misst örtliche Hebungen und ein Schweresensor ortet unterirdische Magmen. Bild: GFZ

Wann kommt es zu einem Ausbruch und wie wird er aussehen? „Obwohl es jedes Jahr etwa 60 Vulkanausbrüche gibt, ist ein Vulkanausbruch vor allem ein seltenes Ereignis“, sagt Walter. Wissenschaftler konnten mit verschiedenen Studien belegen, dass über 80 Prozent aller Unruhezustände – so nennen es die Forscher, wenn sich Magma im Untergrund sammelt oder bewegt – nicht zu einer Eruption führen. Das heißt im Umkehrschluss, dass weniger als 20 Prozent tatsächlich in Vulkanausbrüchen enden. Für die Forscher ist es zentral, herauszufinden, warum sich ein Vulkan oftmals wieder beruhigt. Nur dann sind genauere Frühwarnungen möglich.

Bei den ERC-Projekten am GFZ in Potsdam geht es darum, diese Prozesse eingehend zu untersuchen und Methoden für die Frühwarnung zu entwickeln. Die Forscher stehen dabei vor großen Problemen: Sie können sich Vulkanen häufig nicht nähern; Asche verhindert oft die Sicht auf einen Vulkan, herabfallende Gesteinsbrocken und pyroklastische Ströme – heiße Glutwolken, die die Hänge hinabschießen – werden schnell lebensgefährlich. Deshalb sollen jetzt insbesondere Messverfahren aus sicherer Entfernung entwickelt werden – sei es aus dem Weltraum oder von unbemannten Drohnen aus. Dank solcher Daten wollen die Geoforscher künftig die Vorboten nahender Vulkanausbrüche erkennen und das Gefährdungspotenzial während Eruptionen ermitteln. Derzeit wird am GFZ in Potsdam außerdem an neuen Verfahren für die Datenauswertung gearbeitet, vor allem mithilfe von Computersimulationen. „Das hat zum Ziel, ein möglichst detailgenaues Abbild der Erde und der Veränderungen im Unterbau von Vulkanen zu erhalten und verbesserte Vorhersagemodelle zu entwickeln“, sagt Torsten Dahm, Leiter der Sektion für Erdbeben- und Vulkanphysik am GFZ Potsdam. Da der Ätna zu den am besten beobachteten Vulkanen der Welt gehört, geht Dahm davon aus, dass die Bevölkerung rechtzeitig vor einem gefährlichen Ausbruch gewarnt werden kann. Dennoch ist der Ätna schwer berechenbar, weil die Art seiner Ausbrüche – mal mit gemächlich ausfließender Lava, mal mit heftigen Explosionen verbunden – sehr weit gefächert ist, betont Thomas Walter.

„Auch in anderen Teilen der Welt wird es weiterhin Ausbrüche ohne Vorwarnung geben“, sagt Walter. Ein Grund ist die schiere Anzahl von Vulkanen: 1.500 aktive Vulkane gibt es weltweit. Vielen Ländern fehlt das Know-how und die Technologie. Nach Jahrzehnten ohne besondere Vorkommnisse wird oft vergessen, dass weiterhin eine Vulkangefährdung besteht.

Einer der schlagzeilenträchtigsten Vulkane der vergangenen Jahre befindet sich in Island: Als nach beinahe 200-jähriger Ruhephase im Jahr 2010 der Eyjafjallajökull ausbrach, wurde Europa überrascht. Die wirtschaftlichen Folgen sind auch heute noch nicht zu beziffern: Es kam wochenlang zu Flugausfällen in ganz Europa; hinzu kommen Schäden an Flugzeugen, in der Landwirtschaft und sogar bei privaten und industriellen Photovoltaikanlagen, wie ein jüngeres Forschungsprojekt am GFZ zeigte. „Bis nach Mitteleuropa waren Beeinträchtigungen der Solaranalagen nachweisbar, ihre Effizienz ging teilweise um bis zu dreißig Prozent zurück“, sagt Walter.

Überraschend war die große Wirkung des relativ kleinen Vulkans. Verstärkt wurde sie auch hier dadurch, dass Magma auf Eis und Wasser traf. Über dem Vulkan befindet sich ein Gletscher, das Eis schmolz, riesige Wassermengen verdampften und rissen kleine Aschepartikel explosionsartig in die Höhe. Die Vulkanaschewolken wurden bis zu 10.000 Meter hoch in die Atmosphäre geschleudert, und verteilten sich über eine Fläche von über sieben Millionen Quadratkilometern. Starke Winde konnten diese weit nach Europa wehen.

Quellen: Heidi Wehrmann/GEOMAR, USGS, Inge Niedeck & Harald Frater: Naturkatastrophen 2004. Grafik: eskp.de

Umso alarmierter waren die Forscher, als sich 2014 die Anzeichen verdichteten, dass beim isländischen Vulkan Bardarbunga ein Ausbruch bevorstand. Auch hier war eine phreatische Explosion wahrscheinlich, es gibt einen mächtigen Gletscher, deutlich dicker noch als an Eyjafjallajökull. Tatsächlich kam es zur größten Vulkaneruption Europas, die jemals durch moderne Monitoringsysteme aufgezeichnet wurde: Ihr Volumen war mit etwa zwei Kubikkilometern rund zehnmal größer als beim Eyjafjallajökull. Am Bardarbunga kündigte sich zunächst eine Eruption unter dem Gletscher an, verborgen unter bis zu 800 Meter dicken Eisschichten.

Dass sich die Ereignisse von 2010 nicht wiederholten, lag daran, dass das Magma nicht senkrecht zum Gletscher aufstieg, sondern horizontal eine Spalte bildete, die sich vom Eisschild wegbewegte und über 45 Kilometer in nördliche Richtung führte. Anhand von Computersimulationen konnten die Forscher des GFZ zeigen, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gab: Dort, wo das Magma eruptierte, kam es zu einer Einsenkung im Eisschild. Nur dadurch, dass das Magma neben dem Eis hervorbrach, kam es nicht zur gefürchteten Magma-Wasser-Interaktion wie beim Eyjafjallajökull. Dass die Aschewolke vergleichbar gering blieb, obwohl das Volumen der Eruption gewaltig war, interpretierte man zunächst als glücklichen Zufall. Neuere Untersuchungen am GFZ zeigen jedoch, dass derart lange Bewegungen von Magma durch das Spannungsfeld in der Erdkruste erklärbar sind. Nun gilt es, diese Erkenntnisse auch in zukünftige Vorhersagemodelle einfließen zu lassen.

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