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Nanotechnologie

Ein Labor im Wassertropfen

Bild: marqs / photocase.com

In Ketchup und Kosmetikartikeln sind sie zu finden: Nanopartikel. Eine Entdeckung aus der Küche könnte dabei helfen, ihre Herstellung umweltfreundlicher zu gestalten

Die Idee, die die Herstellung von Nanoteilchen revolutionieren könnte, entstand in einer Küche. Der Chemiker Mady Elbahri hatte gerade Pfannkuchen gebacken und wusch sich die Hände. Dabei fielen ein paar Wassertropfen auf die Herdplatte. Es geschah nichts Ungewöhnliches: Die Tropfen tanzten auf der noch heißen Platte, ein Phänomen, das Wissenschaftler den Leidenfrost-Effekt nennen. Dabei entsteht auf der Unterseite der Tropfen ein Dampfpolster, das durch den heißen Untergrund hervorgerufen wird. Die Tropfen schweben wie ein Luftkissenboot über die Herdplatte.

Als Elbahri, der die Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe Nanochemistry and Nanoengineering des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und der Universität Kiel leitet, Rückstände entdeckte, nachdem die Tropfen verdampft waren, wurde er neugierig: Wie sind die unter diesen besonderen Umständen entstandenen Partikel beschaffen? Einer Intuition folgend, machte er im Labor einen Test. Er löste Zinkacetat und Silbernitrat in Wasser auf, ließ die Tropfen tanzen und untersuchte die Struktur der Rückstände. Das Ergebnis war mehr als verblüffend. Die Partikel, die sich entwickelten, entpuppten sich unter dem Rasterelektronenmikroskop als Nanoteilchen aus Zinkoxid und Silber.

Nanopartikel sind in der Industrie äußerst begehrt. Sie besitzen spezielle Eigenschaften, etwa eine hohe chemische Reaktivität oder elektrische Leitfähigkeit. Die winzigen Teilchen, die über 1.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars sind, kommen zum Beispiel in Kosmetikartikeln oder Kraftstoffzusätzen zum Einsatz, etwa in Form von Metalloxiden.

Elbahri bezeichnet seine Entdeckung als "Triumph". Der Wissenschaftler war einem bis dahin unbekannten Kuriosum auf die Spur gekommen: dass in Leidenfrost-Tropfen chemische Bedingungen herrschen, mit denen sich Nanopartikel erzeugen lassen. Dafür sorgt ein kompliziertes Zusammenspiel innerhalb der Tropfen, verursacht durch Wasser, Ionen und überhitzten Regionen. Das neue Verfahren ist eine kleine Sensation, weil es den Weg für eine nachhaltige Produktion von Nanoteilchen ebnet. Nutzt man nämlich Leidenfrost-Tropfen, um die klitzekleinen Partikel zu kreieren, ist ausschließlich Wasser als Lösungsmittel nötig. Ganz im Gegensatz zu bisherigen Herstellungsmethoden: Zur Aufbereitung ist dabei der Einsatz giftiger Zusatzstoffe notwendig.

Im vergangenen November hat das Team um Elbahri mit ihrer Innovation für Furore in Wissenschaftsmagazinen gesorgt. Auslöser war ein ausführlicher Aufsatz in der Zeitschrift "Nature Communications". Jetzt steht der nächsten Schritt an: Die Herstellung von Nano-Partikeln im Leidenfrost-Verfahren soll in größeren Maßstäben als bisher erprobt werden. Zudem will die Forschergruppe ganz grundsätzliche Fragen klären: "Wir können immer noch nicht sämtliche Prozesse, die beim Leidenfrost-Phänomen zum Tragen kommen, hinreichend beschreiben. Daran wollen wir etwas ändern", sagt Elbahri.

Die Untersuchungen der Kieler Materialwissenschaftler sind unterdessen nicht das einzige Vorhaben, das die hiesige Nano-Forschung umtreibt. Forscher des Instituts für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) haben jüngst eine Methode entwickelt, die die Produktion nanoelektronischer Bauteile vereinfachen könnte. Sie nutzen DNA-Stränge als Gerüst für die Herstellung nanoelektronischer Bauteile. Das Besondere: "Die Muster bilden sich selbstorganisiert. Daher sind keine chemischen und lithografischen Vorstrukturierungen nötig wie bei anderen Ansätzen, mit denen man DNA-Nanodrähte platziert und ausrichtet. Das macht unser Verfahren schnell und unkompliziert", erklärt der Projektleiter Adrian Keller. Ein weiterer Erfolg für die Nano-Forschung.

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