Interview
"Die UN-Ozeankonferenz bringt nicht nur Staaten zusammen"

Bild: Felix Gross, CAU
Drei Fragen an Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, zum Abschluss der UN-Ozeankonferenz in Nizza.
Wo sehen Sie – aus Sicht der Meeresforschung – aktuell den größten Handlungsbedarf im internationalen Umgang mit den Ozeanen?
Die Meere werden immer wärmer, verlieren Sauerstoff, die Versauerung schreitet voran. Ganze Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht – mit Folgen für das Leben unter Wasser und für uns Menschen. Drei Herausforderungen sind derzeit besonders dringlich:
Erstens: Die Hochsee beginnt bereits 200 Kilometer vor der Küste – ein riesiger, weitgehend ungeschützter Lebensraum. Das BBNJ-Abkommen (Biodiversity Beyond National Jurisdiction) soll das ändern. Es ist auch die Grundlage für das Ziel, mindestens 30 Prozent der Meeresflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen – ein Vorhaben, das bisher nur schleppend vorankommt. Dafür brauchen wir auch eine engmaschige Ozeanbeobachtung, die derzeit durch die geopolitische Lage massiv gefährdet ist. Wir sehen schon jetzt, dass Datensätze nicht mehr verfügbar sind.
Zweitens: der Tiefseebergbau. Die Internationale Meeresbodenbehörde arbeitet seit Jahren an einem Regelwerk – ein beschlussfähiger Mining Code liegt jedoch nicht vor. Unsere Forschung zeigt: Der Abbau von Rohstoffen wie Mangan könnte die Tiefseeökosysteme über Jahrhunderte bis Jahrtausende schädigen. Dass nun in den USA erste Lizenzen vergeben werden, ohne die ökologischen Risiken abschätzen zu können, ist hoch problematisch.
Drittens: Der Ozean ist eine wichtige Kohlenstoffsenke. Er bedeckt 70 Prozent der Erde und bindet ein Viertel des Kohlenstoffdioxids. Wir müssen noch intensiver und gleichzeitig verantwortungsvoll an Entnahme- und Speichermöglichkeiten forschen.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse der UN-Ozeankonferenz und was bedeuten sie für den Schutz der Meere?
Die offiziellen Verhandlungen haben wichtige Impulse gesetzt. Über 20 Staaten haben das Hochseeschutzabkommen während der Konferenz ratifiziert, Deutschland will bald folgen – damit rückt das Inkrafttreten des Vertrags und damit alle Folgemaßnahmen wie die Einrichtung von Meeresschutzgebieten in greifbare Nähe. Präsident Emmanuel Macron brachte gleich zu Beginn die Ausweitung der Meeresschutzgebiete auf die Agenda. Bundesumweltminister Carsten Schneider unterstützte dieses Ziel ausdrücklich. Auch das Moratorium für Tiefseebergbau hat weiteren Rückhalt erfahren. Deutschland und die Europäische Union setzen hier ein wichtiges Gegengewicht zu Staaten, die auf kurzfristige Rohstoffgewinnung setzen. Diese Entwicklungen sind ein starkes Signal für die kommenden UN-Verhandlungen.
Die UN-Ozeankonferenz bringt aber nicht nur Staaten zusammen – sie schafft einen Raum für sektorübergreifenden Austausch und neue Allianzen auf den zahlreichen Side-Events. Gemeinsam mit führenden internationalen Meereswissenschaftler:innen haben wir Empfehlungen für die Stärkung missionsorientierter Forschung erarbeitet und diese in den Verhandlungsprozess eingebracht, gleiches gilt für die Stärkung der Ozeanbeobachtung als Voraussetzung für ein nachhaltiges Ökosystemmanagement. Diese Ergebnisse zeigen, dass die multilaterale Zusammenarbeit weiterhin stark ist und der aktuellen geopolitischen Lage trotzt.
Welche persönlichen Eindrücke nehmen Sie mit?
Besonders inspirierend war für mich die Atmosphäre an Bord des deutschen Forschungsschiffs METEOR: Fünf Tage lang haben Forschungseinrichtungen und Stakeholder Projekte vorgestellt, diskutiert, an gemeinsamen Ideen gearbeitet. Wir haben dort mit internationalen und lokalen Partnern unsere einjährigen Forschungskampagne FUTURO weiterentwickelt. Sie hat das Ziel, ein nachhaltiges Ökosystemmanagement vor der Küste Westafrikas zu etablieren, einer Region, über die kaum Daten vorliegen und gleichzeitig die Lebensgrundlage für Millionen von Menschen ist.
Ein persönliches Highlight war die Ausfahrt mit dem Malizia Explorer. Das Segelschiff von Boris Herrmann ist mit modernster Messtechnik ausgestattet und wird künftig für GEOMAR, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung und Helmholtz-Zentrum HEREON wertvolle Daten aus schwer zugänglichen Regionen liefern. Solche Impulse nehmen wir mit – wissenschaftlich wie persönlich.
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