Direkt zum Seiteninhalt springen

Artenvielfalt

„Die rote Liste gefährdeter Arten wird länger!“

Insekten im Berliner Naturkundemuseum. Bild: Ernst Fesseler

Vom 22.-28. Februar tagt der Weltbiodiversitätsrat in Kuala Lumpur. Ähnlich wie der Weltklimarat berät das Gremium die Politik wissenschaftsbasiert. Wie viele der Vorschläge in der politischen Praxis ankommen und umgesetzt werden ist allerdings ungewiss.

Mehr als sieben Millionen Pflanzen- und Tierarten, die in verschiedenen Ökosystemen wie Wäldern, Seen und Meeren leben, aber auch die Funktionen dieser Systeme – all das fällt unter den Begriff der „Biodiversität". Er bezeichnet die ökologische Vielfalt auf der Erde. Diese Vielfalt geht jedoch stark zurück. Jedes Jahr sterben  tausende Arten aus und der Mensch ist maßgeblich daran beteiligt. Vom 22. bis 28. Februar 2016 tagen Delegationen der 124 Mitgliedstaaten des Weltbiodiversitätsrates in Kuala Lumpur, Malaysia. Ziel ist es, politische Maßnahmen zu verhandeln, um einem weiteren Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken.

Dass Biodiversität geschützt werden muss, wurde bereits 1992 mit der sogenannten Biodiversitätskonvention beim ersten Weltklimagipfel in Rio de Janeiro beschlossen. Bis 2020 soll der Schwund der ökologischen Vielfalt gestoppt sein. „Die Forschungsdaten zeigen jedoch, dass dieses Ziel in vielen Bereichen verfehlt wird. Die rote Liste gefährdeter Arten wird länger“, sagt Carsten Neßhöver, stellvertretender Leiter des Departments für Naturschutzforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ. Neßhöver verfolgt die Arbeit des Biodiversitätsrates seit seiner Gründung im April 2012. Auch in diesem Jahr analysiert der Geoökologe dessen aktuelle Sitzung für das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Der Weltbiodiversitätsrat „IPBES“ (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) trägt vorhandene Erkenntnisse zusammen und bereitet sie für die politische Beratung der Mitgliedstaaten auf. Gemeinsam diskutieren hier Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. Dabei will der IPBES auch den direkten Zusammenhang zwischen ökologischer Vielfalt und menschlichem Wohlbefinden hervorheben. Ist das ökologische Gleichgewicht gestört, können sich zum Beispiel gefährliche Krankheitserreger leichter verbreiten. Auch Nahrungsmittel wie etwa Fisch können knapp werden. „Diese direkte Verbindung zum alltäglichen Leben erfordert, dass nicht nur die Wissenschaft als Informationsgeber dient, sondern dass zum Beispiel auch das Wissen indigener Völker in die Berichte des Rates einfließt“, erklärt Neßhöver. Bewusst berücksichtigt der Rat dabei sowohl ökonomische als auch kulturelle Werte – das Ganze vergleichend ohne von vornherein zu gewichten. Westliche Staaten bewerten das Thema oftmals aus rein ökonomischer Sicht. „IPBES ist in diesem Sinne eine Erfahrungsarena. Die unterschiedlichen Werte stärker zu berücksichtigen und auch nicht-wissenschaftliche Erkenntnisse in die Analysen zu integrieren, erfordert durchaus Mut“, so Neßhöver.

In Kuala Lumpur steht nun unter anderem die Verhandlung zum ersten inhaltlichen Bericht, der von IPBES veröffentlich werden soll, auf der Tagesordnung. Bei ihm geht es um den Bienenverlust der letzten Jahre und die Bestäubung von Nutzpflanzen. Die Delegationen werden auch diskutieren, ob ein Online-Katalog für Politikinstrumente erstellt werden soll. Regierungen könnten hieraus Maßnahmen gegen den Rückgang der Biodiversität ableiten. „Das könnten etwa erfolgreiche Anreize, Verbote oder Subventionen sein – aber auch Anregungen für eine effizientere Verwaltung, mit der sich die Naturschutzgesetzgebung verbessern ließe“, sagt Carsten Neßhöver.

Die im Weltbiodiversitätsrat verhandelten Ziele auf nationaler und regionaler Ebene umzusetzen, ist allerdings eine Herausforderung. Das Gremium kann nur beraten. Entscheiden müssen nationale Regierungen. In Deutschland kommt hinzu, dass Themen wie Naturschutz und Agrarpolitik Ländersache sind. „Als globales Gremium tatsächlich diejenigen Entscheidungsträger zu erreichen, die für die Lösung der Probleme relevant sind, ist schwer. Die Umsetzung seiner Ergebnisse vor Ort wird also für den Erfolg des Biodiversitätsrates entscheidend sein“, so Neßhöver. 

Eines der Kernthemen des IPBES ist die weltweite Lage der Bestäuber. Als koordinierender Leitautor dabei: Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig.  

"Ein guter Bericht, der viele Akteure einbezieht" - Interview mit Josef Settele

Aktueller Blog des Netzwerk-Forums zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeoFo) zum IPBES-Plenum

Weitere Informationen zu IPBES auf der NeFo-Seite

Leser:innenkommentare