Direkt zum Seiteninhalt springen

Wendelstein 7-X

„Die letzten Monate waren aufregend“

Wendelstein 7-X

Wendelstein 7-X im Juni 2015 während der Betriebsvorbereitungen. Foto: IPP, Tino Schulz

Nach mehr als zehn Jahren Montage ging die Fusionsanlage „Wendelstein 7-X“ im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald in Betrieb. Heute schaltete die Bundeskanzlerin Angela Merkel das erste Wasserstoff-Plasma ein. Wir haben mit Thomas Klinger, dem wissenschaftlichen Leiter des Experiments, über die Zukunft der Anlage und die Hintergründe der Fusionsforschung gesprochen.

Im April wurden die Hauptmontage von Wendelstein 7-X abgeschlossen. Was ist in den letzten Monaten passiert?

Die letzten Monate waren sehr aufregend. Zunächst haben wir das große Vakuumgefäß abgepumpt, in dem sich die Magnetspulen und das Plasmagefäß befinden. Im nächsten Schritt wurden die Magnetspulen auf Minus 270 Grad Celsius herunter gekühlt. Sie sind supraleitend: Erst bei dieser Temperatur leiten die Spulen den Strom ohne elektrischen Widerstand und können so ein Magnetfeld erzeugen. Die Kühlung hat nur einen Monat gedauert und war der aufregendste Schritt, weil eventuell auftretende Lecks in dem sehr komplexen Konstrukt schwer zu finden gewesen wären. Keine einzige der etwa 5000 Schweißnähte darf undicht sein. Anschließend haben wir stufenweise die insgesamt sieben verschiedenen Magnetgruppen mit je zehn Magneten hochgefahren und  den Stromkreis getestet. Im Anschluss wurden alle 70 Magnete hochgefahren. Danach wurde dann das Plasmagefäß ausgepumpt, um das nötige Vakuum herzustellen. Damit das Magnetfeld das Plasma gefangen hält, muss es eine ganz bestimmte Geometrie haben. Mithilfe von Elektronenstrahlen in dem Gefäß haben wir das Magnetfeld vermessen, um zu sehen, ob die Geometrie stimmt, also die Magnete richtig gebaut worden sind.

Das hört sich nach Präzisionsarbeit an.

Ja, in der Tat ist eine große Genauigkeit beim Erstellen und Zusammenbau aller Komponenten gefragt. Lediglich beim Abpumpen des Plasmagefäßes gab es ein größeres Leck, was wir aber schnell und erfolgreich reparieren konnten. Bis zuletzt wussten wir nicht, ob tatsächlich alles zusammen passt. Aber es hat sich herausgestellt, dass die Geometrie des Magnetfeldes fantastisch genau ist.

Warum wird das Plasma erst mit Helium erzeugt? Das eigentliche Untersuchungsobjekt soll doch ein Wasserstoff-Plasma sein.

Mit dem Edelgas Helium ist es leichter einen Plasmazustand zu erreichen. Wasserstoff liegt molekular vor und besteht aus zwei Molekülen, die erst zerlegt werden müssen, um an die geladenen Kerne zu gelangen, aus denen  das Plasma erzeugt wird. Helium hingegen ist atomar und muss nicht erst zerlegt werden. Außerdem reagiert Helium nicht mit anderen Elementen. Diese Eigenschaft wollen wir nutzen, um die Oberfläche des Plasmagefäßes zu reinigen. Die Helium-Ionen tragen den Dreck von den Wänden sehr effizient ab.

Hintergrund

Was ist der Unterschied zwischen Wendelstein 7-X und anderen Fusionsforschungsanlagen?

Die große Kunst bei der Kernfusion ist es, ein Magnetfeld zu erzeugen, das ein Plasma mit Temperaturen von bis zu 100 Millionen Grad einschließt. Das Plasma muss möglichst stabil und begrenzt sein. Um das zu erreichen, braucht es ein verdrilltes Magnetfeld. Das kann man bei einer ringförmigen Anlage erreichen, indem man einen starken Strom durch das Plasma schickt, der wiederum ein Magnetfeld erzeugt, das mit dem von außen erzeugten Magnetfeld so zusammenwirkt, dass das Ergebnis eine Verdrillung ist. Das ist das Tokamak-Prinzip. Die andere Möglichkeit ist die des Stellarators. Dabei sind die Spulen so geartet, dass sie alleine ein verdrilltes Magnetfeld erzeugen. Wendelstein 7-X ist so ein Stellarator.

Was sind die Vorteile des Stellarator-Prinzips gegenüber dem Tokamak?

Der Tokamak braucht einen starken Strom im Plasma. Den kann man nicht über beliebig lange Zeit aufrechterhalten. Für den Dauerbetrieb ist ein Stellarator also besser geeignet. Der Strom führt außerdem dazu, dass das Plasma instabiler ist.

Weltweit gibt es ja schon eine Reihe von Forschungsanlagen, die nach dem Stellarator-Prinzip funktionieren. Was ist das Besondere am Wendelstein 7-X?

Wir hoffen mit Wendelstein 7-X ein Magnetfeld aufzubauen, dass ein ähnlich dichtes und heißes Plasma erzeugt, wie es bei den Anlagen nach dem Tokamak-Prinzip der Fall ist. Die bisherigen Stellaratoren konnten das nicht. Wendelstein 7-X ist gewissermaßen der am weitesten entwickelte Stellarator, den es weltweit gibt. Und es ist der, von dem wir überzeugt sind, das er das Zeug zum Kraftwerk hat. Aber Überzeugung oder Computersimulationen reichen in der Wissenschaft nicht aus. Wir müssen nun zeigen, ob das Prinzip im größeren Maßstab funktioniert.

Wie kam es zu dem Namen Wendelstein 7-X?

Der Wendelstein ist einer der Hausberge der Münchener in den Alpen. Das IPP hat seinen Hauptsitz in Garching bei München. Die ersten Wendelsteine standen alle dort. Daher der lokale Bezug. Die Benennung der Stellaratoren nach Bergen ist gewissermaßen eine Tradition. Die ersten Stellaratoren standen in Princeton, entwickelt von dem Astrophysiker Lyman Spitzer. Sie wurden unter dem Dach eines Projektes entwickelt, das sich „Project Matterhorn“ nannte. So kamen die Berge zu den Stellaratoren.

Prof. Thomas Klinger, Bild: IPP

Thomas Klinger ist wissenschaftlicher Leiter der Unternehmung "Wendelstein 7-X". Der 50jährige studierte an der Universität Kiel Physik. Nach Forschungsaufenthalten in Frankreich und Schweden habilitierte er sich 1998 mit einer Arbeit über "Steuerung von Plasmainstabilitäten". Anschließend wurde er zum Professor für Experimentelle Physik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald ernannt. Seit April 2001 ist er Wissenschaftliches Mitglied des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, Teilinstitut Greifswald, und Leiter des Bereichs "Stellarator-Dynamik und -Transport". Im April 2002 wurde er auf einen Lehrstuhl für Experimentelle Plasmaphysik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität zu Greifswald berufen. Seit 2005 ist er Mitglied des Direktoriums des IPP.

Ein ausführliches Gespräch mit Thomas Klinger können Sie in unserem Forschungs-Podcast hören.

Auch am Karlsruher Institut für Technologie – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft arbeiten Wissenschaftler im Programm Kernfusion. Insgesamt arbeiten acht KIT-Institute interdisziplinär zusammen. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf dem ingenieurtechnischen Entwurf von Bauteilen.

Warum ist die Politik bereit, viel Geld in Forschung zu investieren, die sich erst in Jahrzehnten auszahlen wird? Ein Artikel in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins Helmholtz Prespektiven versucht Antworten zu finden: Das Sonnen-Prinzip

Leser:innenkommentare