Interview
Die große Wende in der Energieforschung
Seit 18. Oktober 2013 ist Professor Holger Hanselka Wissenschaftlicher Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft und koordiniert den Forschungsbereich Energie. Der studierte Maschinenbauer folgt in dieser Funktion und als Präsident des KIT dem in den Ruhestand gegangenen langjährigen Vizepräsidenten Professor Eberhard Umbach.
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Sie waren bereits Vizepräsident - an einer Universität. Welche Gemeinsamkeiten zum neuen Amt innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft erwarten Sie?
Mit dem Wechsel von Darmstadt nach Karlsruhe bin ich in die Helmholtz-Welt eingestiegen und dort in ein Helmholtz-Zentrum, das eine besondere Rolle hat: sowohl Universität als auch ein Helmholtz-Zentrum zu sein. Das ist meine Ausgangsposition, aus der ich nun in die Funktion des Vizepräsident für den Forschungsbereich Energie gewählt worden bin. Ich denke, die Rolle als Vizepräsident ist einerseits eindeutig eine Kommunikations- und Moderationsrolle, um die Interessen der unterschiedlichen Helmholtz-Zentren an gemeinsamen strategischen Zielen zu orientieren und andererseits eine gestaltende Rolle. Es geht darum, gemeinsame strategische Ziele zu entwickeln und zwischen den Zentren abzustimmen. Weiter habe ich die gemeinsame Basis mit unseren Ministeriumspartnern im Blick. Also, die Rolle beinhaltet Verbindendes und Entwickelndes.
Und gibt es Unterschiede zur dieser Rolle an einer Universität?
Eindeutig. Das System Helmholtz beinhaltet die sogenannte Programmorientierte Förderung. Wir machen Forschung innerhalb von politischen Rahmenbedingungen, ausgerichtet an gesellschaftlichen Bedürfnissen. Ziele werden dabei eher in einem top down-Prozess entwickelt. An Universitäten ist die intrinsische Motivation des einzelnen Forschers die treibende Kraft in der Forschungsausrichtung - also die Forschungsausrichtung entwickelt sich einem bottom-up-Prozess. Diesem Spagat in der Forschung gerecht zu werden, ist auch eine meiner Aufgaben.
Zudem hat auch das Thema Lehre an der Universität einen anderen Stellenwert als in der Helmholtz-Gemeinschaft. Die Universität holt den Abiturienten ab und führt ihn zum Master, und manchmal noch zur Promotion. Helmholtz holt frühestens im Master ab, begleitet auf dem Weg zur Promotion und gestaltet dann in der post-doc-Zeit. Helmholtz hat hier einen anderen Auftrag und eine andere Funktion, aber komplementär zu dem, was die Universitäten machen.
Herr Hanselka, welches sind die größten Herausforderungen, die Sie für den Forschungsbereich Energie in den kommenden Jahren sehen?
Der Forschungsbereich Energie steckt allein durch die Vokabel Energiewende in einer umfassenden Weiterentwicklung: Energie ist ein Thema, das uns seit Menschengedenken beschäftigt. Aber die große Veränderung ist gegeben durch die politische Vorgabe "Energiewende" - die ist in den Forschungsbereich Energie hineingetragen und nun gilt es, Gemeinsames zu entwickeln und umzusetzen - sowohl technologisch als auch sozioökonomisch und wir müssen die Zivilgesellschaft mitnehmen. Wir müssen die Technologien bereitstellen, wir müssen Systeme entwickeln und die Systemtechnik dahinter gestalten. Hier tut sich im Bereich Energiewende sehr viel, was wir als Forschungsbereich mitgestalten: Die politische Vorgabe lautet: "wir wünschen die Energiewende" und unsere Aufgabe ist es, das durch wissenschaftliche und technische Inhalte zu hinterlegen.
Wir dürfen dabei aber nicht außer Acht lassen, dass wir das Erbe der Vergangenheit nicht über Nacht auf Null schalten können. Wir haben aus der Energieversorgung der Vergangenheit auch Verpflichtungen den kommenden Generationen gegenüber, indem wir für Sicherheit sorgen, in dem wir für Rückbau sorgen und das muss in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Also eine möglichst schnelle Wende ermöglichen, ohne das Augenmerk auf das zu verlieren, was wir an Verpflichtungen aus der Vergangenheit, was auch die künftigen Generationen zu bewältigen haben. Das ist ein Spagat, dem wir gerecht werden müssen.
Und was würden Sie als Ihr persönliches Wunschziel für den Forschungsbereich?
Wir sind als Helmholtz-Gemeinschaft nicht die einzigen in der Republik, die Energieforschung betreiben - und darüber hinaus in Europa und in der Welt sowie so nicht. Helmholtz muss hier einen Fußabdruck hinterlassen und dabei auch die anderen Forschungsinitiativen und -einrichtungen mitnehmen, aber auch inspirieren, um so das Thema Energiewende zu einer Gemeinschaftsaufgabe zu entwickeln und nicht zu einer Konkurrenzaufgabe. Das heißt, es ist nicht nur eine Kommunikations- und Moderationsrolle nach Helmholtz hinein, sondern als maßgeblicher Mitgestalter auch weit über den Helmholtzrahmen hinaus.
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