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Digitalisierung

Die Demokratisierung wissenschaftlicher Daten

Bild: Shutterstock/LeoWolfert

Die Blockchain-Technologie wird unsere Gesellschaft genauso stark verändern, wie es das Internet in den vergangenen Jahrzehnten getan hat. Das sagt der Informatiker Ali Sunyaev. Und er erklärt, was das für die Wissenschaft bedeutet.

Blockchain ist in aller Munde. Die Technologie, mit der Informationen in einer verteilten Datenbank in einer kontinuierlichen Liste von Datensätzen, den sogenannten Blocks, dezentral und öffentlich einsehbar gespeichert, verarbeitet und schließlich kettenartig und verschlüsselt verknüpft werden, startete ihren Siegeszug einst in der Finanzbranche – mit der Berechnung von Bitcoins. Deren neuer Wert wird stets auf Basis bisher erzeugter Bitcoins berechnet, so dass jede neue Transaktion in einem neuen Block dokumentiert und ans Ende der Kette angehängt wird. Dadurch aktualisiert sich mit jedem neuen Block die Kette. Doch die Blockchain-Technologie könnte auch die Wissenschaft revolutionieren. Davon ist Ali Sunyaev, Professor für Informatik und Direktor am Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren des Karlsruher Instituts für Technology (KIT) überzeugt. In einem Vortrag Anfang November im Rahmen der Veranstaltung Helmholtz-Horizons 2018 sprach er darüber, wie die Technologie die Wissenschaft aber auch jeden einzelnen von uns beeinflussen wird.

Prof. Dr. Ali Sunyaev ist Professor für Informatik und Direktor am Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Bild: Stefanie Herbst / Helmholtz

"Der Einsatz von Blockchain-basierten Lösungen verspricht, den Zugang zu wissenschaftlichen Daten und Ergebnissen weiter zu demokratisieren, die Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse besser zu unterstützen und für mehr Transparenz in der Wissenschaft zu sorgen, etwa in der Bewertung der wissenschaftlichen Leistung", formuliert Sunyaev den möglichen Mehrwert von Blockchain. Sobald sich alle Beteiligten auf Spielregeln geeinigt hätten, könnten die Blockchains dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. So wie das Internet vor 30 Jahren begonnen habe, die Welt zu revolutionieren, ist das nach Meinung des KIT-Forschers auch mit der Blockchain-Technologie möglich.

Ali Sunyaev arbeitet mit seiner Arbeitsgruppe am KIT daran, spezielle Formen der elektronischen Datenverarbeitung und –speicherung, wie etwa Blockchain für die Wissenschaft anwendbar zu machen. Im Fokus steht dabei vor allem, die zugrundeliegenden Informationssysteme technisch und organisatorisch neu zu gestalten und dabei interessierte Organisationen und Personen mit einzubeziehen. "In der Forschung haben wir es oft mit sensiblen Informationen zu tun. Insbesondere in der Medizin oder den Lebenswissenschaften wie etwa der Humangenetik geht es oft um sehr persönliche Daten", sagt er. Anspruch sei es dabei nicht nur, Daten vor dem Zugriff nicht autorisierter Personen zu schützen, sondern vor allem die Datenintegrität. Welche Informationen der Patienten werden wo gespeichert? Wer darf diese Informationen zu welchem Zweck nutzen? "Blockchain kann einzelne Fehlerquellen in der Datenspeicherung entfernen sowie die Integrität und die Verfügbarkeit von Daten verbessern", sagt Sunyaev. Die Technologie sei in der Lage, sensitive Informationen besser als je zuvor zu schützen. Allerdings, auch das verschwieg der KIT-Forscher nicht, seien die meisten Blockchain-Anwendungen heute nicht auf Big Data, wie etwa in den Omics-Technologien notwendig, ausgelegt - zumindest noch nicht. Im Moment nutzt die Wissenschaft dafür Hybridlösungen: Daten sind in einer Cloud gespeichert, mit Blockchain wird lediglich Zugang kontrolliert. Dies, so Sunyaev, sei jedoch Gegenstand aktueller Forschung und solle, wenn möglich, in den kommenden Jahren geändert werden.

Wichtig ist bei der Blockchain-Technologie auch das Thema Beteiligung: Noch nie sei es so einfach gewesen wie derzeit, an Informationen zu gelangen und sie zu teilen, sagt Ali Sunyaev. Doch die Konkurrenz jener, die Daten nutzen wollen, ist groß. Warum, zum Beispiel, sollte jemand, der über Gen-Daten verfüge, diese mit Wissenschaftlern teilen – gerade vor dem Hintergrund, wenn man nicht weiß, was mit den Daten passiert. "Helfen sollen dabei Datenschutzverträge, die ein zentraler Bestandteil bei Blockchain sind", erklärt Sunyaev. Sie regelten zwischen Gebern und Nutzern von Daten sehr genau, wofür die Daten eingesetzt werden dürfen. "Datengeber können so entscheiden, Wissenschaftlern Gen-Daten zur Verfügung zu stellen oder nicht." Zudem eröffne Blockchain neue Perspektiven, wie Wissenschaftler publizieren, wie sie bewertet und finanziell gefördert werden.

Sunyaevs Bilanz: "Blockchain wird als disruptive Technologie nicht nur einen Einfluss auf den Einzelnen, auf Organisationen, auf Wissenschaft oder Wirtschaft, sondern auf die gesamte Gesellschaft haben – wer das noch nicht verstanden hat, der hat den Knall nicht gehört", sagt er. Es werde die Art und Weise ändern, wie der Mensch Daten und Prozesse speichere, manage und nutze.

Ali Sunyaevs Horizons-Vortrag (Länge ~ 13 Minuten):

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