Agile Robots
Deutschlands erstes Robotereinhorn
Früher entwickelten Peter Meusel und Zhaopeng Chen beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Roboterhände für den Weltraum. Vor drei Jahren gründeten sie Agile Robots. Nun hat es ihr Unternehmen zum wertvollsten Robotik-Startup Deutschlands geschafft.
Einhörner sind selten. Doch es gibt sie auch in Deutschland. Weil sie so selten sind wie eben jene Fabeltiere, bezeichnet man im Fachjargon all jene aufstrebenden Startups als Einhorn, die noch vor dem Gang an die Börse mehr als eine Milliarde US-Dollar wert sind. Eine gute Handvoll können sich hierzulande so nennen. Und nur ein einziges davon baut Roboter. „Ich will zeigen, was Roboter leisten können“, bringt Peter Meusel seine Motivation auf den Punkt. „Es ist wichtig, Entwicklungen auch marktreif zubekommen und nicht beim Prototyp stehenzubleiben.“ Deshalb hat er 2018 gemeinsam Zhaopeng Chen das Startup Agile Robots gegründet. Zuvor forschten beide viele Jahre am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen.
„Auf der Erde können wir viel besser zeigen, was unsere Roboter im Alltag alles leisten können.“
„Zhaopeng und ich haben dort Roboterhände für den Weltraum entwickelt“, erzählt der Automatisierungstechniker und fügt stolz hinzu: „Eine davon arbeitet heute auf der chinesischen Raumstation.“ Auch wenn Roboter schon seit Längerem am Fließband Autos schweißen und sein Kurzem unseren Rasen mähen, sind präzise und vor allem vielseitig einsetzbare Greifwerkzeuge noch eine Seltenheit. „Unsere Roboterhände haben an jedem Gelenk eigene Kraft- und Positionssensoren“, erklärt Peter Meusel. „Das bedeutet, dass jeder Finger mit jeweils 3 Gelenken ausgestattet ist und eine Hand somit 30 Sensoren hat.“ Da die komplette Mechanik bereits in der Handfläche und in den Fingern integriert ist, sind seine Roboterhände sehr kompakt. In beengten Situationen – wie eben auf einer Raumstation – ist das ein großer Vorteil. Allerdings ist der Markt für Weltraumroboter noch sehr überschaubar. Deshalb haben er und sein Mitstreiter die Technologie zurück auf die Erde gebracht. „So können wir viel besser zeigen, was Roboter im Alltag alles leisten können.“
Etwa in der Elektronikfertigung. In China bauen die Roboter des DLR-Spin Offs zum Beispiel Smartphones namhafter Hersteller zusammen. Und auch in der Medizintechnik haben sie schon Fuß gefasst. Peter Meusel setzt dabei auf einen ganzheitlichen Ansatz. „Wir sind in der Robotik ganz breit aufgestellt und bieten einen kompletten Service“, sagt er. „Wir liefern nicht nur den Roboter, sondern eine Technologieplattform, die eine Lösung für den Kunden darstellt.“
Denn bei heutigen Robotern sei die Mechatronik nicht mehr das Zünglein an der Waage. Diesen Teil, so der Automatisierungstechniker, beherrschten alle in der Branche sehr gut. „Das DLR zum Beispiel hat in den vergangenen 20 Jahre fantastische mechatronische Systeme wie die humanoiden Roboter Justin und Toro aufgebaut.“ Jetzt aber schlägt die Stunde der Software. Allen voran die Werkzeuge der künstlichen Intelligenz wie das Deep Learning.“ Die Möglichkeiten, die wir heute damit haben, machen die ganze Sache deutlich komplexer als noch vor 10 oder 20 Jahren“, sagt er. So wenden seine Teams zum Beispiel Deep Learning Algorithmen an, um die Steuersoftware für die Hände zu programmieren. „Das ist auch für uns ein neues Kapitel. Und da liegt unser Hauptaufwand.“
„Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir bereits sehr gut im chinesischen Markt sind.“
Bei all den neuen Möglichkeiten stellt sich Peter Meusel aber immer noch die eine Frage: Was bringt es der Robotik? „Die hat uns Gerd Hirzinger, mein früherer Chef beim DLR, immer gestellt, wenn wir mit einer Idee zu ihm kamen“, sagt er. „Gerd Hirzinger ist der einer der 'Big Five' in der Welt der Robotik. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich damals bei ihm und beim DLR gesammelt habe“, fährt er fort. „Und deshalb versuchen wir nun in seinem Geist, eine große, eine internationale Firma aufzubauen, die die Robotik weltweit voranbringt.“
Dass ihm die gelingen kann, davon scheinen die Investoren weltweit überzeugt zu sein. Denn bei der letzten Finanzierungsrunde flossen nochmals 220 Millionen US-Dollar in das Unternehmen und hoben es auf den Status eines Einhorns. Die japanische Softbank Group gehört ebenso zu den Geldgebern wie die chinesische Hillhouse Capital Group, der Smartphonehersteller Xiaomi oder die Abu Dhabi Royal Group. Um deren Erwartungen zu erfüllen, hat sich Agile Robots hohe Ziele gesetzt. Arbeiten heute gut 100 ihrer Roboter in chinesischen Fabriken sollen es in drei Jahren 7.000 sein. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist nicht irgendein supertolles Teil, das der Zhaopeng und ich erfunden haben“, sagt Peter Meusel. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir bereits sehr gut im chinesischen Markt verankert sind.“ Neben den guten Kontakten und den hohen Absatzpotenzialen sieht er vor allem die Technikaffinität der Chinesen als Pluspunkt für seine Strategie. „Ich arbeite schon seit nahezu 30 Jahren mit China zusammen“, erzählt Peter Meusel. „Daraus sind wertvolle Freundschaften und Beziehungen entstanden wie Kontakte aus der Raumfahrt, der Industrie und von Hochschulen, die sich mit Robotik befassen. Diese Beziehungen sind eine exzellente Hilfe und eigentlich unabdingbar, um ein erfolgreiches Geschäft in China zu etablieren.“
„Roboter werden fast unbemerkt in immer mehr Bereichen unseres Lebens Fuß fassen“
Doch auch den europäischen Markt will Agile Robots nicht links liegen lassen. Hier sollen in den kommenden Jahren gut 3.000 ihrer Roboter arbeiten. Dabei geht der Blick hierzulande nicht nur zu den Großen in der Industrie, sondern auch zum Mittelstand. „Roboter werden fast unbemerkt in immer mehr Bereichen unseres Lebens Fuß fassen“, glaubt er fest. Mit seiner Technologieplattform, versichert er, sei Agile Robots auch für solche neuen Märkte gut aufgestellt. „Die Akzeptanz für Roboter wird nicht zuletzt durch den Fachkräftemangel auch in Deutschland immer größer. Und wir sind Teil dieser neuen Zeit.“
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