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Dürre

„Deutschland wird ein wasserreiches Land bleiben"

Ausgetrockneter Teich. Bild: André Künzelmann UFZ

Jahrelang zu wenig, nun scheinbar zu viele Niederschläge. Wie sieht die Wasserbilanz hierzulande aus? Wir sprachen mit Andreas Marx, Leiter des Dürremonitors am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Herr Marx, wie würden Sie die Dürre-Situation in Deutschland aktuell beschreiben?

Wir erleben seit mehreren Jahren unterdurchschnittliche Niederschläge. Gleichzeitig hatten wir drei Jahre mit extremen Hitzewellen. Zwei davon – nämlich 2018 und 2019 – sogar in Folge. Die dritte war dann 2022. Das hat dazu geführt, dass in den letzten fünf Jahren auch die Böden in Deutschland wesentlich trockener waren als im normalen Fall. Das Außergewöhnliche daran: In einigen Regionen sind die Böden bis in große Tiefe über fünf Jahre nicht aus dem Dürrezustand herausgekommen.

Von welchen Regionen sprechen wir hier?

Eine dieser Regionen erstreckt sich von Hannover in Niedersachsen über den Norden Sachsen-Anhalts und Berlin bis hinunter nach Cottbus im südöstlichen Brandenburg. Hier haben wir jetzt einen dauerhaften Dürrezustand. Dass diese Region besonders stark betroffen ist, sieht man auch am politischen Handeln. Denn dort liegen die Landkreise, die als erste auch die private Wassernutzung einschränken. Wird es zu trocken, dürfen tagsüber die Rasenflächen nicht mehr gewässert und keine Pools befüllt werden. Oder es gibt zum Beispiel Entnahmeverbote von Wasser aus Flüssen.

Gibt es noch andere Problemregionen in Deutschland, auf die wir ebenfalls ein Auge haben sollten?

Andreas Marx. Bild: Sebastian Wiedling UFZ

Es gibt auch Flecken im Süden Deutschlands, in denen wir dauerhaft Probleme hatten. Zum Beispiel in einigen Teilen Frankens. Das hängt unter anderem mit der Beschaffenheit der Böden zusammen. In einige kann das Wasser relativ schnell einsickern. Andere hingegen halten es nicht so gut. Diese Eigenschaften von Boden und Geologie bestimmen auch mit, ob Dürren länger bleiben oder nicht. Man darf sich also nicht nur die Niederschläge anschauen.

Wie sieht denn die Bilanz der letzten Jahre aus?

Seit Mitte 2018 haben wir in Deutschland mehrere Regionen, die beinahe dauerhaft im Dürrezustand sind. Allerdings führt eine Dürre nicht automatisch zu Schäden. Denn das normale regionale Klima in Deutschland ist sehr unterschiedlich. So schwankt der Jahresniederschlag zwischen etwa 450 Liter pro Quadratmeter im mitteldeutschen Trockengebiet im Regenschatten des Harzes südlich von Magdeburg und 2.200 Litern in manchen Ortschaften in den Alpen. Wenn dort nun ein Dürrezustand erreicht ist, es also so trocken ist wie statistisch nur alle 5 Jahre, dann sind die Auswirkungen auf die Entwicklung der Grundwasserstände und auf die Natur wesentlich geringer als zum Beispiel bei einem Dürrezustand in Brandenburg.

Was braucht es, damit sich eine Dürre wieder auflöst?

Im Jahr 2018 hat es etwa fünf Monate gedauert, bis die Böden in Deutschland ausgetrocknet waren. Mindestens genauso lange braucht es dann, bis sie aus dem Dürrezustand wieder herauskommen. Die Dürrephase wurde 2021 in vielen Regionen Deutschlands unterbrochen, auch 2023 ist kein ausgeprägtes Dürrejahr. In beiden Jahren hat es vor allem in der Westhälfte Deutschlands in den ersten neun Monaten überdurchschnittlich viel geregnet und der Sommer war nicht von extremen Hitzewellen geprägt. Dadurch hat sich die Dürre nicht nur im Oberboden, sondern vielerorts auch bis in zwei Meter Tiefe aufgelöst.

Die Böden hatten sich durch die Niederschläge wieder erholt?

Baumsterben im Harz. Bild: Andre Künzelmann, UFZ

Es ist so, dass sich gerade die bis in große Tiefen greifenden Dürren eher beginnend mit überdurchschnittlichen Niederschlägen im Winterhalbjahr auflösen. Das hängt damit zusammen, dass bei den hohen Temperaturen im Sommer mehr Wasser verdunstet und vor allem die Vegetation über die Wurzeln permanent Wasser aus dem Boden zieht. Im Winterhalbjahr haben wir sie Vegetationsruhe. Und die Verdunstung spielt bei den niedrigen Temperaturen fast keine Rolle. Deswegen ist es normal, dass im Winter die Böden von oben nach unten nass werden. Das tun sie jeden Winter. Und ist auch normal, dass im Winter die Grundwasserspiegel steigen. Das tun sie auch im Dürrefall, jedoch nicht so stark an wie in normalen Jahren.

Vor welchen Herausforderungen stehen solche Regionen, wenn es weiterhin trocken bleibt?

Dazu muss man erst einmal sagen, dass wir uns seit 2018 in einer völlig neuen Situation befinden.  2018 sind in der Landwirtschaft in Deutschland flächendeckend große Schäden entstanden. In den Folgejahren waren sie dann geringer. Auch im Forst fing alles mit dem Jahr 2018 an. Da die Böden von oben nach unten ausgetrocknet sind, kamen die Bäume damals noch verhältnismäßig gut an Wasser. Doch als der Boden dann bis in größere Tiefe ausgetrocknete, traten von Jahr zu Jahr große Schäden auf. So ist letztendlich eine Situation entstanden, die sich bis heute vor allem im Osten nicht aufgelöst hat. Denn durch die Trockenheit und die milden Winter haben sich die Käfer in den deutschen Wäldern stark vermehrt. Die Forstleute befürchten also, dass das Waldsterben auch 2023 anhalten wird. Das wäre dann das fünfte Jahr in Folge mit großem Druck auf den Wald. Häufig wird gefragt, was denn von einer Dürre übrig bleibe. Die Antwort liegt in unseren Wäldern. Es sind die entbaumten Gebiete. Die werden wir noch auf Jahrzehnte sehen.

Dürre trifft also die Land- und die Forstwirtschaft.

Genau. Aber wir dürfen auch die Auswirkungen der sogenannten hydrologischen Dürre nicht vergessen. Damit ist die Austrocknung von Bächen, Flüssen und Seen gemeint. Ist kein Wasser im Bach, sind die Auswirkungen auf die aquatischen Lebewesen leicht auszumalen. Das ist ein Super-GAU für das Ökosystem. Bei langanhaltender Trockenheit sind aber auch größere Flüsse betroffen. Die nutzen wir zum Beispiel als Transportwege. An der Elbe südlich von Magdeburg ist 2018 und 2019 ab Juni kein Frachtschiff mehr gefahren. Und auch am Rhein gab es große Auswirkungen. Da wurde die Schifffahrt zwar nicht eingestellt, aber die Fracht verteuerte sich. Denn je niedriger der Wasserstand im Fluss ist, desto weniger Tiefgang und damit auch Beladung darf ein Schiff haben. Das hatte beispielsweise große Auswirkungen auf Industrieunternehmen wie BASF. Denn die haben ihre Rohstoffe nicht in gewohntem Umfang ans Werk in Ludwigshafen bekommen. Und die Produkte nicht abtransportieren können. Oder nehmen wir Kali und Salz. Das Unternehmen verklappt die salzhaltigen Abwässer in der Regel in den Flüssen. Führen diese aber wenig Wasser, ist das nicht möglich. Deshalb war 2018 die Produktion über zeitweise eingeschränkt.

An den Flüssen hängt aber auch unsere Energieerzeugung.

Niedrigwasser in der Elbe. Bild: André Künzelmann, UFZ

Richtig. Thermische Kraftwerke nutzen das Wasser zur Kühlung. Sind die Wasserstände niedrig und ist das Wasser auch noch sehr warm, wird die Entnahme behördlich eingeschränkt. So kann die Dürre letztlich auch Auswirkungen auf die Energieproduktion haben. Auch die Binnenfischerei und Tourismus können betroffen sein. Und schlussendlich können Dürren auch Auswirkungen auf die Wasserversorgung haben. Nämlich dann, wenn einzelne Grundwasserkörper irgendwann nicht mehr ergiebig sind. Das ist kein flächendeckendes Problem. Denn durch das regionale und überregionale Leitungsnetz ist die Wasserversorgung in Deutschland sehr gut aufgestellt. Aber für die sogenannten Brunnendörfer – also jene Orte ohne Anschluss an überregionale Wasserleitungen – kann das zum Problem werden. Wenn dort die wenigen Brunnen trockenfallen, müssen sie von außen mit Tankwagen versorgt werden. Das sind wir in Deutschland bisher nicht gewohnt. Das sorgt dann für starke mediale Aufmerksamkeit.

Am Niederschlag können wir ja leider nicht drehen. An unserer Wassernutzung schon. Wo sehen Sie die größten Hebel für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser?

Wasserknappheit ist meistens menschengemacht. Das muss man sich immer vor Augen führen. Auf der einen Seite gibt es das natürliche Wasserdargebot. Das ist das gesamte Wasser, das man in der Region zur Verfügung haben. Also vom Grundwasser bis zu den Oberflächengewässern wie Talsperren, Seen und Flüssen. Das können wir natürlich managen. Kommt dann aber ein zusätzlicher Wassernutzer hinzu – wie zum Beispiel das Tesla-Werk südöstlich Berlin – dann kann auch ein gut funktionierender Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht geraten und es kommt zu einer menschlich herbeigeführten Wasserknappheit. Um dem entgegenzuwirken kann man das natürliche Wasserdargebot managen und gleichzeitig die Wassernutzung im Extremfall einschränken. Damit das funktioniert, müssen wir aber erst einmal einen Überblick über die Wassernutzung bekommen. Das ist eine Wissenslücke, die wir in Deutschland bisher nicht geschlossen haben. Die meisten Bundesländern wissen wir nicht, wie viel Wasser zum Beispiel Industriebetriebe eigentlich genau wann aus dem Grundwasser ziehen, sondern nur, wieviel maximal genutzt werden darf.

Und wie managt man Wasser?

Im Winter haben wir in der Regel mehr Wasser, als wir brauchen. Einen Teil davon speichern wir in Talsperren, um ihn im Sommer zu nutzen. Es wird diskutiert, einzelne Staumauern zu erhöhen, um mehr Wasser zurückzuhalten. Auch das Grundwasser managen wir bereits heute. Das heißt, wir pumpen zum Beispiel Wasser aus Flüssen ab und erhöhen damit die Grundwasserstände. Etwa sieben Prozent der gesamten Wassernutzung in Deutschland stammen aus gemanagtem Grundwasser. Das sind Techniken, die wir kennen und die wir seit Jahrzehnten nutzen. Die werden in Zukunft aber eben wichtiger.

Aktuell wird über Wassernutzungsverbote als Maßnahme gegen Wassermangel diskutiert. Wie würden denn solche Maßnahmen konkret aussehen? Und was würde zuerst reguliert?

Obwohl die nationale Wasserstrategie insgesamt einen sehr guten Eindruck macht, ist genau das der Schwachpunkt. Denn das ist ein politischer Aushandlungsprozess und der ist konfliktreich. Deswegen hat man bisher vermieden, konkret darüber zu reden, in welcher Reihenfolge, welche Nutzer bei einem Dürreereignis im Wasserverbrauch eingeschränkt werden. Es gibt also keine Vorfahrtsregeln in Deutschland. Das ist aber eine der großen Umsetzungsaufgaben, die den Erfolg der nationalen Wasserstrategie ausmachen wird.

Könnte das gezielte Aufbrechen versiegelter Flächen dabei helfen, den Wasserhaushalt besser zu regulieren?

Entsiegelung von Flächen ist regional sehr wirksam. Grundsätzlich muss man es sehr deutlich sagen: Eine Neuversiegelung in Städten muss man dringend verhindern. Hier ist das Konzept der Schwammstadt wichtig. Wir wollen also das Wasser in der Region halten. Die Versiegelung in unseren Städten liegt in der Größenordnung von 60 Prozent. Das Problem: Fällt Regen auf Dächer, Parkplätze oder Straßen, wird das Wasser in die Kanalisation eingeleitet, um es so schnell wie möglich aus der Stadt herauszubringen.

Um Hochwasser zu vermeiden?

Richtig. Dabei haben wir nicht bedacht, dass dann Wasser nur noch auf etwa 40 Prozent der Fläche im Boden versickern und die Grundwasserspeicher füllen kann. Das ist für den Wasserhaushalt nicht gut und wirkt sich in längeren Trockenphasen letztlich auch auf die Pflanzen aus. Alleine deswegen sollte man das Wasser in der Region halten und wo immer möglich, versickern lassen. Und es gibt noch einen zweiten wichtigen Punkt: Eine Kanalisation kann man nicht unendlich groß bauen, sondern wird beispielsweise auf einen fünfjährigen Bemessungsregen ausgelegt. Das heißt, statistisch gesehen fällt alle fünf Jahre bei einem Gewitterregen so viel Wasser vom Himmel, dass die Kanalisation es nicht mehr aufnehmen kann. Dann laufen die Keller in einem Straßenzug voll. Die Entsiegelung von Flächen führt nun dazu, dass das Niederschlagswasser eben nicht in die Kanalisation eingeleitet wird. Stattdessen versickert es vor Ort. Das schützt auch vor Überschwemmungen.

Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Dürre hat zugenommen. Inwiefern hilft das bei Ihrer Arbeit?

Es ist nicht hilfreich, das Bild zu zeichnen, Deutschland würde austrocknen. Dafür fehlt die wissenschaftliche Basis. Unsere Klimasimulationen verorten Deutschland in einen Übergangsbereich. Während im Süden Europas die Niederschläge zukünftig abnehmen, steigen sie im Norden. Bei uns werden sie weder dramatisch zu- noch abnehmen. Damit bleibt Deutschland ein wasserreiches Land. Aber auch wenn das langjährige Mittel sich kaum ändert, werden die Extremereignisse überproportional zunehmen. Eine Dürre ist ein langanhaltendes Extremereignis, das zukünftig nicht der Normalfall sein wird, unter Klimawandel aber eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Daher müssen wir uns anpassen, indem wir das überschüssige Wasser im Winter in den Sommer bringen und uns besser auf zukünftige, mehrjährige Trockenperioden vorbereiten.

Was ist eine Dürre?

Es gibt vier Dürre-Typen. Beim ersten spielen der Niederschlag im Vergleich zum langjährigen statistischen Mittel und die Verdunstung eine Rolle. Daraus wird eine atmosphärische Wasserbilanz erstellt. Fällt diese negativ aus, sprecht man von einer meteorologischen Dürre. Das ist die klassische Form, über die man in den Medien oft liest. Die meteorologische Dürre ist die harmloseste, denn sie führt erst einmal nicht zu Schäden. Beim zweiten Typen steht die Bodenfeuchte im Mittelpunkt. Ist diese zu gering, spricht man von der agrarischen Dürre. Agrarisch bezieht sich auf die Böden. Sind diese aber längere Zeit zu trocken sind, dann leiden natürlich die Pflanzen darunter und es führt zu Schäden.

Ab jetzt handelt es sich um eine sozio-ökonomische Dürre. Das ist der dritte Typ. Denn diese hat gesellschaftliche Auswirkungen. Die Schäden müssen auch nicht auf die Landwirtschaft begrenzt sein. Und es gibt noch einen vierten Typ, die hydrologische Dürre. Hier wird geschaut wie viel Wasser die Flüsse führen und wie sich Seepegel und Grundwasserstände entwickeln. Bei dieser Unterteilung ist eine Sache besonders wichtig: Dürre ist grundsätzlich immer die Einordnung der aktuellen Situation in das, was man statistisch langjährig erwartet. Von moderater Dürre spricht man, wenn es so trocken wie alle 5 Jahre ist. Die schwere Dürre bezieht sich auf den 10-Jahreszeitraum. Die extreme Dürre auf 20 und die außergewöhnliche Dürre ist ein Ereignis, das statistisch gesehen alle 50 Jahre auftritt.

Der Dürremonitor Deutschland

Seit 2014 gibt es den Dürremonitor Deutschland, den Andreas Marx am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung leitet. Er und sein Team veröffentlichen hier Tag genau, wie es um die Böden in Deutschland bestellt ist. Betrachtet werden die oberste Bodenschicht bis 25 Zentimeter Tiefe, der Gesamtboden bis 1,8 Meter Tiefe und das für die Pflanzen verfügbare Wasser in er obersten Bodenschicht. Das vom UFZ entwickelte System nutzt hochaufgelöste Höhenmodelle zusammen mit Informationen wie Boden, Landnutzung und Geologie sowie tagaktuelle Wetterdaten. Daraus modelliert es jede Nacht automatisch den Wasserhaushalt für Deutschland, produziert Grafiken und stellt das alles ins Internet. Mehr als acht Millionen Zugriffe konnten Marx und sein Team seit 2018 zählen.

Zu den Nutzern zählen nicht nur Landwirte. Landesbehörden nutzen die Dürremonitordaten beispielsweise regelmäßig, um Förster zu informieren. Denn Trockenheit ist eben ein Risikofaktor bei der Ausbreitung von Schädlingen wie dem Borkenkäfer. Auch Banken und Versicherungen greifen auf die Informationen zu. Die Bundesbank nutzte die Daten zum Beispiel zur Abschätzung von Dürrefolgen. Aber auch Saatguthersteller nutzen die Dürreinformation, wenn sie wissen wollen, wie ihr Saatgut mit Trockenheit und Dürre klarkommt. Und selbst im Winter – wenn Dürre zumindest für die Vegetation kaum eine Rolle spielt – sind die Daten gefragt. Denn wenn im Winter gerade im Gesamtboden Dürre herrscht, steigen die Grundwasserstände nicht so stark wie in Normaljahren. Das interessiert vor allem Wasserversorger.

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