Direkt zum Seiteninhalt springen

Portrait

Der Akku-Experte

Seit über zwei Jahrzehnten forscht Professor Martin Winter an Batterien. (Bild. Judith Kraft)

Die Zukunft nachhaltiger Mobilität hängt entscheidend von leistungsstarken Batterien ab. Für die Entwicklung sind exzellente Forscher gefragt – solche wie Martin Winter.

Es ist eine dieser Standardfragen, auf die Martin Winter immer wieder antworten muss: Wann bitteschön fahren denn nun jene eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen, die die Bundesregierung für das Jahr 2020 prognostiziert hatte? Dass der Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts Münster, den das „Manager Magazin“ zum „Batteriepapst“ krönte, dazu des Öfteren Rede und Antwort stehen muss, ist nicht verwunderlich. Winters Forschungsgebiet, das Thema der elektrochemischen Energiespeichersysteme wird in der Wissenschaftscommunity gerne als „hot topic“ bezeichnet. Das Interesse daran ist riesig.

Seit Gründung im Jahr 2014 leitet Martin Winter, Professor für Materialwissenschaften, Energie und Elektrochemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, das Helmholtz-Institut. In Kooperation mit der WWU Münster, dem Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen gehen dort derzeit 60 Wissenschaftler der Frage nach, ob und wie elektrochemische Energiespeichersysteme als zentrale Voraussetzung für neue Energiestrategien genutzt werden können. Dahinter verbergen sich nicht nur wissenschaftlich, sondern auch forschungspolitisch spannende Fragen: Lässt sich über die Forschungs-Ergebnisse der Aufschwung der Elektromobilität beschleunigen? Kann man Strom aus erneuerbaren Energiequellen verlässlicher und effizienter zur Verfügung stellen? Dem eigentlichen Kern dieser Fragestellungen, nämlich, wie man die Sicherheit und die Lebensdauer des Stromflusses zwischen einem Plus- und einem Minus-Pol einer Batterie maximieren kann, widmet sich Winter schon seit 25 Jahren. „Dass das Thema Elektrolyte zentral für die Entwicklung von neuen Batterietechnologien ist, haben wir schon bei der Institutsgründung gewusst“, sagt der 52-Jährige. Dass es jedoch so schnell zu dem großen Thema in der Batterieforschung werde, habe man sich nicht ausmalen können.

Das Helmholtz-Institut ist in Münster angesiedelt. Dort, wo sich bereits das renommierte Batterieforschungszentrum MEET der Universität Münster, an dem Winter wissenschaftlicher Leiter und Gründer ist, befindet. Seinen Erfolg verdankt Winter seiner Hartnäckigkeit und insbesondere seinem Pioniergeist. „Ich bin bislang sehr gut damit gefahren, nicht dem Mainstream zu folgen“, sagt der Chemiker. Näher befasst hat er sich als einer der Ersten etwa mit den nanopartikulären Anoden, die heute Teil der neuen Generation von Hochleistungsbatterien sind, oder mit den Elektrolyt-Additiven, die die Batterien langlebiger und sicherer machen. „Langfristig rechnet es sich, das zu machen, was andere eben nicht machen“, sagt er. Wenn bei außergewöhnlichen Forschungsansätzen nur ein bis zwei Ideen wirklich funktionierten, erhalte man dadurch ein Alleinstellungsmerkmal.

Gut zu Pass kommen ihm nun die Vorzüge der institutionellen Finanzierung des Forschungsinstituts, das von der Helmholtz-Gemeinschaft mit 5,5 Millionen Euro pro Jahr gefördert wird. „Wir konnten unglaublich schnell Mitarbeiter einstellen, Projekte initiieren, Patente einreichen, zahlreiche Publikationen schreiben und Postdocs ausbilden, die in der Industrie gute Jobs fanden“, sagt er. Längere zeitliche Vorläufe, die sonst üblich seien, um Projekte einzuleiten, habe man so meiden können. Kluge Wissenschaftler quer durch die Disziplinen zu gewinnen, zusammenzubringen und zu fördern, das treibt ihn an. Und dies könne man über das Institut besonders gut umsetzen. Sein Credo hat Winter dabei klar formuliert: „Arbeitet man in der Wissenschaft, kann man keine Ergebnisse planen. Man kann aber einen guten Plan machen, wie man forscht“, sagt er. Schlimm sei dann nicht, wenn nach drei Jahren Forschung nichts herausgekommen sei. Schlimm sei, wenn man nicht wisse, warum man keine Ergebnisse vorweisen könne.

Winters Forschung hat ihm nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Preise eingebracht, sie verschaffte ihm auch einen Platz in der Nationalen Plattform Elektromobilität, die die Bundesregierung beim Thema Batterietechnologie und Elektromobilität berät. Seine Forscherperspektive ist gefragt, doch Winter hält sich mit Prognosen zurück - etwa bei der Frage, welche Reichweiten mit dem E-Auto in Zukunft möglich sind: 1000 Kilometer, 700 oder 500? „Es sind oft Randbedingungen, die die Voraussagen bestimmen, und die variieren stark“, sagt er. So sei beispielsweise die Wirtschaftskrise 2009 nicht abzusehen gewesen, da habe es auf einmal viele Fördermittel über das Konjunkturpaket gegeben. Dagegen habe die Batterieeuphorie in den wirtschaftlich guten Jahren 2013 bis 2015 eher nachgelassen. Zudem hänge es auch vom Willen der Automobilindustrie ab, Innovationen voranzutreiben, sowie vom Staat, welche regulatorischen Maßnahmen er setzen wolle.

Doch Winter sieht sich nicht nur als Wissenschaftsmanager an der Schnittstelle zu Politik, Industrie und Forschung - das reicht ihm nicht. „Ich fühle mich immer auch als Wissenschaftler, selbst wenn ich nicht mehr im Labor stehe“, sagt er. Seine Aufgabe sieht er darin, neue Ideen zu entwickeln, Forschungsthemen anzuschieben, nationale und internationale Kooperationen anzubahnen, möglichst viele Kollegen dabei einzubinden, junge Talente zu fördern, und Projekte auf der Suche nach unentdeckten Ansätzen zu analysieren. Auch auf präzises Formulieren in Publikationen legt er Wert, zum Beispiel bei seinen Doktoranden: „Jede Veröffentlichung lese ich Wort für Wort Korrektur, da bin ich sehr genau“, erklärt er.

Dass ihm die vielen Aufgaben und die hohen Ansprüche, die er sich setzt, gelegentlich über den Kopf zu wachsen drohen, weiß er wohl. „Doch solange wir Erfolge haben und es Spaß macht, schaffe ich das“, meint Winter. Hätte er nur Misserfolge gehabt, wäre es sicherlich schwieriger gewesen, den großen Elan und die Leidenschaft aufrecht zu erhalten. Und so gelingt es dem gebürtigen Osnabrücker immer noch abzuschalten - auf dem Trimmrad, mit einem Geschichtsbuch in der Hand, bei einem guten Essen oder wenn er mal über das Wochenende einen Städteurlaub macht. Allzu viel Freizeit gönnt er sich nicht, dafür liegt Winter, der ab dem kommenden Februar nach einjähriger Wartezeit endlich ein Elektroauto fahren wird, das Thema der Batterieforschung zu sehr am Herzen. Deshalb sollte man seiner Prognose wahrscheinlich auch glauben, wenn er sagt: „Eine Million E-Autos könnten in Deutschland bis zum Jahr 2025 auf der Straße sein.“

Helmholtz-Institut Münster

Themenseite Energiewende

Leser:innenkommentare