Gast-Kommentar
Denkanstöße fürs Urlaubsgepäck
Mit den jüngsten wissenschaftspolitischen Entscheidungen sind wichtige Weichen gestellt. Die Sommermonate sollten unsere Politiker aber nutzen, um über Grundsätzliches nachzudenken. Ein Kommentar von Anna Lehmann.
Denkanstoß Nummer 1: Mit der neuen Exzellenzstrategie verabschiedet sich die Politik vor allem wieder ein Stück weiter von der Volluniversität, jener chimären Institution, in der jedes Fach ein vergleichbares Niveau besitzen sollte. Auch wenn WissenschaftsministerInnen egal welcher politischen Couleur inzwischen einhellig überzeugt von der Strategie der Profilbildung sind, darf doch eine Frage erlaubt sein: Wie werden die etwas schnöderen, das heißt nicht so forschungsattraktiven, Fächer künftig auskömmlich finanziert? Hochschulen haben ja nicht nur den Auftrag tolle Forschung auf internationalem Niveau zu betreiben. Sie leisten auch eine Grundversorgung, indem sie etwa genügend LehrerInnen für die Schulen dieses Landes ausbilden. Die Politik muss deshalb einen Weg finden, den Hochschulen die Entscheidung zwischen Pflicht und Kür zu erleichtern. Indem man die Möglichkeiten, die das geänderte Grundgesetz bietet, nutzt, um langfristig in die Unis zu investieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat haben vorgeschlagen, dass Bund und Länder besonders herausragende Forschungscluster mit langfristigen Perspektiven dauerhaft fördern. Keine schlechte Idee. Das verschafft den Unis Spielraum dafür, ihre Pflichtaufgaben wahrzunehmen.
Denkanstoß Nummer 2: Vergesst die Fachhochschulen nicht. Sie haben keine eigene Exzellenzinitiative bekommen wie von vielen gewünscht. Im Rahmen des Programms innovative Hochschule, das 550 Millionen Euro umfasst, gibt es für sie zwar die Chance, den eigenen Status aufzuwerten und leichter an Forschungsdrittmittel zu gelangen. Aber reicht das? Sicherlich nicht. Fachhochschulen sind neben Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine der drei Säulen des deutschen Wissenschaftssystems. Sie bilden zudem schwerpunktmäßig jene aus, die ohne elterliche Vorerfahrungen an die Hochschule kommen. Wenn diese Säule zu kurz kommt, stimmt die Tarierung irgendwann nicht mehr.
Denkanstoß Nummer 3: Gebt jungen WissenschaftlerInnen eine Perspektive. Dass mit dem Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs 1.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren ins System kommen, ist lobenswert, löst aber nicht das Grundproblem: Der wissenschaftliche Mittelbau ist fast ausschließlich befristet beschäftigt. Wieso bekommt jemand, der seit vielen Jahren an der Uni arbeitet, keine feste Stelle? Er oder sie wird doch offenbar gebraucht. Das muss sich ändern, nicht nur, weil es die Gefahr mit sich bringt, dass gute Leute lieber gleich in die Wirtschaft gehen, sondern weil es unethisch ist. Wieso also nicht die Vergabe staatlicher Drittmittel, die ja nun wieder reichlich fließen, an vernünftige Personalentwicklungskonzepte koppeln? Und bei der Gelegenheit: Bitte macht Euch Gedanken, liebe PolitikerInnen, wie ihr den Begriff "wissenschaftlicher Nachwuchs" ersetzt. Die meisten Nachwuchswissenschaftler sind irgendwann zu alt für diese Bezeichnung - aber längst noch nicht ProfessorIn.
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