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Interview

Den Invasoren auf der Spur

Dr. Elizabeta Briski. Foto: J. Steffen, GEOMAR

Elizabeta Briski untersucht, warum Arten aus bestimmten Regionen erfolgreiche Eroberer fremder Ökosysteme sind. Für ihre Forschung ist sie in Berlin ausgezeichnet worden

Die kroatisch-kanadische Biologin Dr. Elizabeta Briski untersucht, warum bestimmte Arten fremde Ökosysteme erobern können und andere nicht. Für ihre Forschungen verlieh ihr die Alexander von Humboldt-Stiftung den mit 1,6 Millionen Euro dotierten Sofja Kovalevskaja-Preis. Damit baut Dr. Briski jetzt eine Forschergruppe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel auf. Die offizielle Preisverleihung fand am 11. November in Berlin statt.

Herzlichen Glückwunsch, Frau Briski! Die Alexander von Humboldt-Stiftung hat Ihnen den Sofja Kovalevskaja-Preis verliehen. Wie haben Sie davon erfahren?

Kam die Nachricht völlig überraschend?Ich erhielt die Nachricht von der Humboldt-Stiftung per E-Mail - aus heiterem Himmel. Das war eine Riesenüberraschung. Es dauerte, bis ich begriff, dass ich diesen Preis wirklich gewonnen hatte. Ich bin darüber sehr glücklich.

Was werden Sie mit dem Preisgeld von 1,6 Millionen Euro machen?

Damit baue ich meine Forschungsgruppe am GEOMAR auf. Wir untersuchen, ob Arten aus bestimmten Regionen Eigenschaften in sich tragen, durch die sie anderen Arten bei der Besiedelung neuer Gebiete überlegen sind. Mit dem Preisgeld ist das Projekt für fünf Jahre finanziert.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, gerade am GEOMAR zu forschen?

Das GEOMAR ist eines der Institute, die in Europa auf dem Gebiet der Meereswissenschaften führend sind. Dass ich dorthin komme, war schon länger klar. Wer hier zu Ökologie- und Entwicklungsthemen forscht, kann auf eine breit aufgestellte, gut ausgerüstete Fakultät mit guten Leuten zurückgreifen.

Was ist das Hauptziel Ihrer Forschung?

Durch den Menschen geförderte Einwanderungen fremder Arten sind eine der größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt. Besonders interessant ist, dass sich die Fauna aus dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer sowie der Azov-See stark verbreitet, etwa in nordeuropäischen Hafenregionen. Das hat mit den Kanalverbindungen zwischen Nord- und Ostsee sowie zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer zu tun, aber nicht nur. Seit den 1990er-Jahren werden Einwanderer aus diesem Gebiet außerdem an den Großen Seen Nordamerikas nachgewiesen. Interessanterweise verlief der Transfer asymmetrisch. Nur wenige Arten von den Großen Seen haben sich in Europas Gewässern angesiedelt und praktisch keiner Süßwasserart ist der Sprung in Brack- oder Salzwasser gelungen.

Woran kann das liegen?

Die einfachste Erklärung könnte sein, dass die Arten aus der Ponto-Kaspischen Region die besseren Siedler sind. Aber die Gründe dafür sind bisher unklar. Darum liegt das Hauptaugenmerk meiner Studie darauf, ob Ponto-Kaspische Arten beim Besiedeln neuer Gebiete genetische Vorteile gegenüber Arten aus Nordeuropa oder von den Großen Seen haben. Außerdem möchte ich erforschen, ob sie fähig sind, sich aus Nordeuropas Brackwassergebieten bis ins Salzwasser der Nord- und Ostsee zu verbreiten.

Was hat Sie an Ihren bisherigen Forschungsergebnissen am meisten fasziniert?

Bevor ich ans GEOMAR kam, habe ich mich mit Arten beschäftigt, die in Ballasttanks von Schiffen reisen. Heute tauschen Schiffe das Ballastwasser auf halber Strecke aus, um zu verhindern, dass Lebewesen über dieses Wasser in andere Gebiete gebracht werden. Die meisten meiner Ergebnisse zeigten, dass diese Maßnahme nicht bei allen Gruppen gleich effektiv ist und dass es immer noch ein Risiko für neue Invasionen gibt.

Sie sind in Kroatien geboren und aufgewachsen, einem Land mit einer großartigen Küste - rührt Ihr Interesse für Meeresbiologie daher?

Ich bin ausgerechnet in einem meeresfernen Teil Kroatiens aufgewachsen, in der Stadt Kutina. Trotzdem hat mich Biologie schon als Kind fasziniert - und ganz besonders die Meereslebewesen. Auch wenn ich zunächst Landwirtschaft studiert habe.

Wie kamen Sie von der Landwirtschaft zur Meeresbiologie?

Das ist etwas kompliziert. Nach dem Bachelor in Agrarwissenschaften studierte ich erst noch Pädagogik und arbeitete als Englischlehrerin. Erst danach machte ich in Belgien an der Universität Gent den Master in Aquaculture. Und für meine Doktorarbeit ging ich an die Universität von Windsor in Kanada. Dort erforschte ich die Invasion von Zooplankton aus Ballastwasser. Danach war ich drei Jahre als Postdoktorandin am Great Lakes Laboratory for Fishery and Aquatic Sciences im kanadischen Burlington. Warum zieht es Sie jetzt nach Europa zurück?Weil die Fragen, mit denen ich mich jetzt beschäftige, Europa, Asien und Amerika verbinden.

Werden Sie also später auch in Asien forschen?

Dazu habe ich noch keine Pläne.

Sie arbeiten seit Juli in Kiel - hatten Sie schon Zeit, ein wenig Deutsch zu lernen?

Die Humboldt-Stiftung ermöglichte mir einen zweimonatigen Deutsch-Intensivkurs in Hamburg, bevor ich nach Kiel ging. Und in Kiel lerne ich jetzt in Abendkursen weiter. Das Schwierigste ist, für alles Zeit zu finden.

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