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EU-Forschungsgelder

Das Parlament im Kampf gegen Kürzungen

Bild: European Union 2014 - European Parliament.

Das EU-Programm für Forschung und Innovation, Horizon 2020, sollte deutlich gekürzt werden, dieses Mal zu Gunsten des Investitionsfonds von Kommissionspräsident Juncker. Das Parlament ging auf die Barrikaden – nun gibt es einen Kompromiss. Was haben wir vom Ergebnis zu halten? Ein Kommentar von Annika Thies

Seit Dezember 2014 war es ein zähes Ringen (wir berichteten) – seit letzter Woche ist der EFSI, der Europäische Fonds für Strategische Investitionen, so gut wie beschlossen. Er ist auch bekannt als „Junckers Investitionspaket“. An sich eine interessante Idee. Die Europäische Investitionsbank soll Gelder für risikoreiche Projekte aller Art zur Verfügung stellen. Jean-Claude Juncker erhofft sich, dass für jeden investierten Euro 15 Euro frei werden – der viel besagte Hebeleffekt, der insgesamt zu Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro führen soll. Die Schattenseite: Das beflügelnde EU-Geld muss irgendwo herkommen und da bot es sich an, auch bei der Forschungsförderung zu wildern. 2,7 Millarden Euro wollte Juncker aus Horizon 2020 abziehen.

Juncker argumentiert nach wie vor, dass sich auch EFSI-Gelder für Forschungsprojekte nutzen ließen. Wie in Horizon 2020 also, nur besser? Der Haken ist, dass über den EFSI nur Kredite vergeben werden. Deren Aufnahme ist vielen öffentlichen Forschungseinrichtungen untersagt. Selbst wenn nicht, müssen die ESFI-finanzierten Projekte Aussicht haben, sich innerhalb kurzer Zeit zu rentieren. Doch zukünftiger Gewinn lässt sich zu Beginn eines Forschungsprojekts nicht unbedingt einkalkulieren. Oder anders gesagt: Wenn ich plane, Kerzen zu verbessern, ist das eine Sache – will ich jedoch die Elektrizität erfinden, so ist das mit der Planbarkeit eine ganz andere.

Nicht verwunderlich also, dass die Forschungscommunity gegen die Kürzungspläne aufbegehrt hat. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Es kann nicht sein, dass Horizon 2020 wahlweise als Selbstbedienungsladen oder als Notgroschen herhalten soll. Zur Erinnerung: Kurz bevor die geplanten ESFI-Kürzungen bekannt wurden, wollten die Mitgliedstaaten mit den Mitteln von Horizon 2020 noch Haushaltslöcher im laufenden EU-Budget stopfen. So dürfen Rat und Kommission nicht mit ihrem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation umgehen. Nicht, wenn es all die Erwartungen erfüllen soll, die an das Programm geknüpft sind: Arbeitsplätze, Innovationen, die Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen und nebenbei die besten Köpfe nach Europa locken und ihnen Weltklasse-Forschungsinfrastrukturen zugänglich zu machen.

Umso mehr ist zu begrüßen, dass sich das Europäische Parlament nun in den Verhandlungen mit Kommission und Mitgliedstaaten hartnäckig gezeigt hat, und dabei auch das Horizon 2020-Budget vehement zu verteidigen versucht hat. So eine klare politische Positionierung für die Forschung braucht es auf europäischer Ebene. Ergebnis: Statt der zu befürchtenden 2,7 Milliarden Euro Kürzung (über einen Zeitraum von drei Jahren), sind es nun 2,2 Milliarden Euro, die aus Horizon 2020 abgezogen werden. Muss man etwas erleichtert sein, muss man sich trotzdem ärgern? Beides, doch der Ärger überwiegt. Das European Institute of Technology (EIT), das Forschung, Industrie und Lehre verbindet, steht disproportional unter Beschuss und muss exorbitante zwölf Prozent seines Budgets einbüßen, was wichtige und hochambitionierte Projekte gefährdet; das Herzstück der Rahmenprogramme, die Forschung zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen, wird in den kommenden zwei Jahren gravierend eingeschränkt; und für Forschungsinfrastruktur-Projekte, die ohnehin nur dürftig finanziert waren, sind die Kürzungen fatal. Gerade dieses Programm hätte im Idealfall einen außergewöhnlich hohen europäischen Mehrwert für die Forschung, denn Wissenschaftler brauchen Zugang zu Forschungsflugzeugen oder -schiffen – und zwar über nationale Grenzen hinweg. Horizon 2020 wäre hierfür der bei weitem effektivste Weg. Wenn nicht die Kürzungswut um sich greifen würde.

EFSI hat vorerst eine Laufzeit von drei Jahren – schon jetzt sei gesagt, dass eine mögliche Verlängerung nicht auf Kosten der Forschung erfolgen darf. Mehr Federn kann Horizon 2020 nicht lassen!

Informationen zu EFSI (Europäischer Fonds für Strategische Investitionen)

  • Die erste EFSI-Periode soll drei Jahre betragen, gegen Ende soll die Kommission in einem Evaluierungsbericht vorschlagen, ob der EFSI fortgesetzt oder eingestellt werden soll.
  • Horizon 2020 soll für den EFSI um insgesamt 2,2 Milliarden Euro gekürzt werden. Ursprünglich sollten es 2,7 Milliarden Euro sein.
  • Von vornherein von den Kürzungen ausgeklammert war der Zugang zur Risikofinanzierung. Nun gilt dies auch für den ERC, die Marie Sk?odowska-Curie Maßnahmen sowie den Bereich "Spreading Excellence and Widening Participation". Das ohnehin geringe Budget der Forschungsinfrastrukturen hingegen büßt rund vier Prozent ein - wie im Schnitt auch die anderen Bereiche von Horizon 2020 (z.B. der Schwerpunkt "Gesellschaftliche Herausforderungen"). Das EIT büßt 12 % seines Budgets ein.

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