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Griechenland-Krise

„Das Klima hat sich gewandelt“

Die Akademie von Athen ist die zentrale wissenschaftliche Einrichtung Griechenlands. Bild: Yukatan (CC BY-SA 3.0)

Das Parlament in Athen hat den vom EU-Gipfel geforderten Reformen zugestimmt. Was bedeutet das für die Wissenschaft in Griechenland? Und wie empfinden Griechenlands Wissenschaftler die Unsicherheit dieser Tage? Vier von ihnen haben wir gefragt.

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George A. Giannopoulos ist Direktor des Hellenic Institute of Transport - HIT am Center for Research and Technology Hellas - CERTH und Vizepräsident des CERTH. 

"Ich bin optimistisch. Weit mehr, als ich es vor zwei Wochen noch war. Das Klima hat sich gewandelt und ich denke, dass auch wir Wissenschaftler dabei eine kleine Rolle gespielt haben. Viele Professoren haben an vorderster Front dafür argumentiert, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben soll. Der Ministerpräsident bewegt sich jetzt in eine realistische, pro-europäische Richtung. Er baut seine Regierung um und entlässt die sehr linken Politiker. Ich hoffe sehr, dass diese Krise nicht nur Griechenland, sondern auch die Euro-Zone insgesamt stärken wird. Griechenland ist in der Lage, sich positiv zu entwickeln, sobald die Hindernisse ausgeräumt sind. Das größte Hindernis ist der schwache öffentliche Sektor. Der muss verändert werden, das ist ganz klar. Zwar würde ein Grieche, den man auf der Straße nach seiner Meinung zu Deutschland und dem deutschen Finanzminister fragt, nicht viel Positives sagen. . Aber ich halte das für unreflektierte Vorurteile, die es sicher auch auf deutscher Seite gibt – ich bin mir sicher, es ist ein temporäres Phänomen, das keinerlei Bedeutung hat. Die Menschen, die es besser wissen, denken nicht so, mich selbst eingeschlossen. Die griechisch-deutschen Kooperationen in der Wissenschaft funktionieren unverändert."

Bild: Vivian Tseveleki, privat

Die Immunologin Vivian Tseveleki war 15 Jahre am Griechischen Pasteur Institut (Hellenic Pasteur Institute) beschäftigt und arbeitet heute für ein Pharmaunternehmen.

"Es ist eine sehr unsichere Situation. Alles ist instabil. Im Moment sind vor allem die Banken betroffen. An meiner Arbeit im Labor hat sich nichts geändert. Anders als Geschäftsleute, die etwas verkaufen müssen, trifft uns die Krise im Moment nicht. Wir haben alles, was wir brauchen, und wir müssen weiterarbeiten und unsere Deadlines einhalten. Wir haben gar keine Zeit, um so viel nachzudenken. Aber wir verfolgen den ganzen Tag die Nachrichten, während der Arbeit durch die Live-Blogs im Internet und bis spät in die Nacht am Fernseher. Wir sorgen uns um das Land, aber nicht nur darum, sondern auch um Europa. Die einen sagen: Helft Griechenland, die anderen sagen: Helft Griechenland nicht. Ich finde es verstörend, wenn ich höre, dass Griechenland aus der EU austreten soll. Alle Menschen, mit denen ich arbeite, möchten in der EU bleiben. Für uns Wissenschaftler ist das sehr wichtig. Allein schon deshalb, weil wie viel reisen und weil wir in der Lage sein müssen, dies  auch weiterhin zu tun."

Bild: Nikos Kanellopoulos. Privat

Nikos Kanellopoulos leitet das Demokritos Research Centre in Athen. 

"Wir haben bis drei Uhr nachts die politischen Debatten im Fernsehen verfolgt. Als klar war, dass Griechenland den Euro behält, war jeder erleichtert. Ich erwarte jetzt, dass die Banken bald wieder öffnen und sich das Leben in den kommenden zehn Tagen wieder normalisieren wird. Aber es wird etwa drei Jahre dauern, bis Griechenland wieder den Stand von vor zehn Jahren erreicht hat. Vielleicht wird die Regierung einsehen, dass die Wissenschaft dabei eine große Rolle spielen kann, weil das Land gerade jetzt Innovationen brauchen. Es wäre klug, sich drauf zu konzentrieren. Die Menschen sind gut ausgebildet. Das Potential ist also da. Aber es muss gefördert werden."

Stergios Logothetidis. Bild: Privat

Der Physiker Stergios Logothetidis lehrt und forscht an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki. 

"Mein Labor arbeitet mit etwa 20 deutschen Partnern zusammen, in ganz Europa sind es noch mehr. Aufgrund der Kapital-Verkehrskontrollen können wir zurzeit keinem von ihnen Geld überweisen. Wir können auch kein Equipment verschicken, weil wir die Transportfirmen ebenfalls nicht bezahlen können. Unsere Partner haben Geduld, aber auf diese Weise betrifft die Krise alle. Nicht nur Griechenland. Viele denken, dass sich die Dinge nach den politischen Entscheidungen in dieser Woche in die richtige Richtung entwickeln, aber zuerst müssen sich die Märkte wieder stabilisieren. Es sind eben nicht die Märkte allein, sondern auch die Universitäten und Forschungseinrichtungen, die unter der jetzigen Situation leiden. Noch ist nichts entschieden. Alle warten ungeduldig darauf, dass die Krise beendet wird." 

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