Sinneswahrnehmung
Aus zwei mach eins
Ob ein Gegenstand nass oder trocken, rau oder glatt, hart oder weich ist, erfahren wir über unseren Tastsinn. Gleichzeitig erkennt das Gehirn, dass die frisch gefüllte Kaffeetasse sich nicht nur glatt, sondern auch warm anfühlt. Doch wie funktioniert die gleichzeitige Verarbeitung von Berührung und Temperatur im Gehirn?
In drei Phasen geht Poulet dem bisher ungelösten Rätsel der Wahrnehmungsverbindungen auf den Grund. Zunächst will er herausfinden, welche neuronalen Schaltkreise die thermalen und haptischen Reize verarbeiten. Dafür lokalisiert er die verantwortlichen "Nervenzell-Netzwerke", um sie in einer Art Landkarte darstellen zu können - denn Poulet will wissen, welche Regionen im Gehirn bei welcher Empfindung angesprochen werden und welche Neuronen daran beteiligt sind.
In einem zweiten Schritt geht es darum, den aktiven Prozess der Wahrnehmung zu verfolgen. Dazu trainieren Poulet und sein Team Mäusen an, mit ihrer Vorderpfote einen Hebel zu berühren, sobald sie beim Betasten eines Objektes auch Kälte wahrnehmen. "Mäuse haben eine besonders gute Empfindung, wenn es um Temperaturdifferenzen geht", erklärt der Neurowissenschaftler. "Sie können selbst einen Wärmeunterschied von nur einem halben Grad erkennen, was dem Temperaturbewusstsein eines Menschen ähnelt." Die Forscher beobachten, welche Nervenzellen in der Großhirnrinde - dem Kortex - den thermischen mit dem haptischen Reiz verbinden, wenn die Mäuse den Temperaturwechsel signalisieren.
Schließlich will Poulet auch erforschen, ob eine Veränderung dieser Wahrnehmung möglich ist. In einem sogenannten optogenetischen Verfahren sollen deshalb lichtempfindliche Proteine an bestimmte Zellen im Gehirn geknüpft werden. Wie mit einer Art Schalter lassen sich mit den Proteinen Wahrnehmungsprozesse aktivieren oder deaktivieren. "Diese spezielle Methode ermöglicht uns, die Aktivität von gekennzeichneten Zellen im Gehirn mit Hilfe von Licht zu verändern. Das verschafft uns völlig neue Live-Einblicke in die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen", erklärt Poulet weiter.
Solche Forschungserkenntnisse könnten dazu beitragen, gesunde Verbindungsprozesse im Gehirn von abweichenden Mustern zu unterscheiden. Langfristig könnten diese Informationen helfen, neurodegenerative Krankheiten, bei denen Wahrnehmungsprozesse im Gehirn gestört sind, besser zu verstehen.
Poulet konnte mit seiner Grundlagenforschung beim ERC bereits zum zweiten Mal trumpfen. Im Jahr 2010 erhielt er einen "Starting Grant" für Nachwuchswissenschaftler. Mit dieser Förderung untersuchte der Forscher Veränderungen der Gehirnaktivitäten im Wachzustand, wie etwa verschiedene Muster bei Aufmerksamkeit. "Die Kortex-Region stand schon damals im Vordergrund meiner Forschung. Ich will verstehen, wie das Gehirn funktioniert", so Poulet.
Mehr Informationen:
Homepage European Research Council, ERC
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