Neuer Exascale-Rechner

Auf Augenhöhe mit den USA und China

Blick in ein offenes Rack von JUPITER. Copyright: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Am Forschungszentrum Jülich geht einer der schnellsten Computer der Welt in Betrieb. Die Vorstandsvorsitzende Astrid Lambrecht im Interview über das atemberaubende Rechner-Tempo, den konkreten Nutzen für die Forschung – und darüber, warum Europa jetzt in Sachen Künstlicher Intelligenz endlich aufholen kann.

JUPITER ist nicht nur ein Rekordhalter, sondern vor allem ein Beschleuniger für die Wissenschaft. Zum ersten Mal wird uns in Europa Rechenleistung im Exascale-Bereich zur Verfügung stehen – das sind mehr als eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde. Für die Forschenden in Jülich, in der Helmholtz-Gemeinschaft und darüber hinaus bedeutet JUPITER: Sie können ihre wissenschaftlichen Ideen schneller, genauer und umfassender umsetzen. Insbesondere Künstliche Intelligenz und datenintensive Anwendungen bekommen durch JUPITER den Schub, den sie brauchen.

Schon jetzt liegen zahlreiche Anträge vor – aus der Klimaforschung, der Material- und Energieforschung oder Physik. Es geht beispielsweise darum, die Genauigkeit von Klima- und Wettersimulationen zu verbessern, etwa bei lokalen Extremwetterereignissen wie Starkregen und Hitzeperioden. Oder um realistische Simulationen für die Optimierung von Windkraftwerken und Wasserstoffturbinen. Auch in der Medizin – bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe oder personalisierter Therapien – eröffnen sich ganz neue Perspektiven: etwa in der Biomedizin, wo wir Moleküle für künftige Medikamente simulieren.  Hinzu kommen große europäische Initiativen, die mit JUPITER erstmals die Möglichkeit haben, eigene große Sprachmodelle zu trainieren.

Absolut. JUPITER ist so etwas wie ein gemeinsamer Motor für viele Disziplinen. Klimawissenschaftler, Materialforscher, Mediziner, Informatiker – sie alle nutzen diese Infrastruktur und tauschen sich zu Methoden und Daten aus. Das beschleunigt die Entstehung neuer Ideen an Schnittstellen zwischen Disziplinen und damit Innovationen. Gerade die großen gesellschaftlichen Herausforderungen – Energiewende, Klimaschutz, Gesundheit – lassen sich nur interdisziplinär lösen. JUPITER bietet dafür die notwendige Plattform.

Exascale bedeutet, dass ein Rechner mehr als eine Trillion, also 10 hoch 18 Rechenoperationen pro Sekunde durchführen kann – eine enorme technische Herausforderung. Damit erreicht JUPITER eine völlig neue Dimension der Rechenleistung. Bisher ist dies offiziell weltweit nur drei Supercomputern in den USA gelungen. Umso stolzer bin ich, dass wir ein solches System am Jülich Supercomputing Centre des Forschungszentrums Jülich in weniger als zwei Jahren realisieren konnten. Und es geht dabei nicht nur um eine Zahl: Exascale eröffnet die Möglichkeit, Probleme zu lösen, die bislang selbst für Supercomputer unlösbar waren.

Astrid Lambrecht ist seit August 2023 die Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich. In ihrer eigenen Forschung ist sie auf Quantenphysik spezialisiert. Nach ihrem Physikstudium in Essen und London wurde sie 1995 am Forschungsinstitut Laboratoire Kastler Brossel (LKB) in Paris promoviert. 2002 habilitierte sich Lambrecht an der Pariser Universität Pierre und Marie Curie. Bild: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Ja, und das ist weltweit einzigartig. Klassische Supercomputer und Quantencomputer sind keine Konkurrenten, sondern ergänzen sich. Supercomputer rechnen zuverlässig mit den bekannten klassischen Bits, den Nullen und Einsen. Quantencomputer nutzen dagegen die besonderen Möglichkeiten der Quantenmechanik. Ihre Quantenbits können viele mögliche Zustände annehmen, und das gleichzeitig. Dadurch kann perspektivisch eine sehr große Zahl von Aufgaben in einem Quantencomputer simultan bearbeitet werden und nicht nacheinander, wie einem klassischen Computer.  Die Technologie erfordert aber noch viel Forschung. In Jülich arbeiten wir daran, die Vorteile aus beiden Welten in einem hybriden Ökosystem zu vereinen.

JUPITER ist einer der weltweit schnellsten Rechner für KI. Damit wird es erstmals in Deutschland und Europa möglich, größte KI-Modelle selbst zu trainieren – etwas, das bisher nur in den USA oder China geschieht. Für Europa ist das entscheidend: Wir wollen unsere eigenen großen Sprach- und KI-Modelle entwickeln und dabei unsere Werte und Standards einfließen lassen. JUPITER liefert die Rechenleistung, um diese Daten- und Modellsouveränität zu erreichen.

Die JUPITER AI Factory, kurz JAIF, ist eine neue Infrastruktur, die wir gemeinsam mit Partnern in Europa aufbauen. Sie soll gezielt das Training großer KI-Modelle für Unternehmen ermöglichen. JUPITER ist praktisch das Herzstück von JAIF. In Verbindung mit JAIF kann JUPITER über die Forschung und den öffentlichen Sektor hinaus künftig auch von Start-ups, kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Industrie genutzt werden. In diesem Kontext wird JUPITER um ein zusätzliches Modul speziell für Inferenzanwendungen erweitert. Die Cloud-Plattform, die im Rahmen von JAIF angeschafft wird, ergänzt die JUPITER-Infrastruktur und ermöglicht die schnelle, effiziente Nutzung trainierter KI-Modelle im praktischen Einsatz.

Unbedingt. Es geht nicht nur darum, wer die absolut höchste Rechenleistung hat. Wichtig ist, dass Europa mit JUPITER erstmals die Möglichkeit erhält, auf Augenhöhe mit den USA und China zu agieren. Wir schaffen eine Infrastruktur, die es unseren Forschenden und Unternehmen erlaubt, eigene Modelle und Technologien zu entwickeln. Damit stärken wir Europas Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit. JUPITER ist also ein entscheidender Schritt hin zu technologischer Souveränität.

Die Rechenzeit auf JUPITER wird, wie bei allen großen europäischen Supercomputern, über ein wissenschaftliches Begutachtungsverfahren vergeben. Unternehmen können sich genauso bewerben wie Universitäten oder Forschungsinstitute – allerdings müssen ihre Projekte einen klaren Innovationscharakter haben und ihre Ergebnisse müssen veröffentlicht werden, wie in der öffentlichen Forschung auch. Damit und über die JUPITER AI Factory stellen wir sicher, dass die Ressourcen verantwortungsvoll eingesetzt werden und größtmöglichen Nutzen für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft bringen.

Die Entwicklung im Supercomputing ist extrem dynamisch – die Leistung wächst noch deutlich schneller, als wir es von Alltagsgeräten wie Notebooks oder Smartphones kennen. Im Durchschnitt wird ein Supercomputer nach rund fünf Jahren abgelöst. JUPITER ist jedoch modular aufgebaut – er kann kontinuierlich erweitert und an neue Technologien angepasst werden. Wie lange er Platz 1 in Europa halten wird, wird man sehen. Entscheidend ist, dass wir in Europa eine Infrastruktur geschaffen haben, die dauerhaft Spitzenforschung und technologische Innovation ermöglicht.

Leser:innenkommentare