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Winterdepression

Mit Tageslichtduschen gegen dunkle Gedanken

Polarlicht. Bild: AWI, H. Bäsemann

Es ist die Zeit der kürzesten Tage, in denen es auch in unseren Breiten kaum noch hell wird. Wie wirkt sich die „dunkle Zeit“ auf unsere Stimmung aus? Was bringen Tageslichtduschen und wie geht Rudolf Denkmann, Stationsleiter der Arktis-Forschungsbasis auf Spitzbergen, mit der ständigen Dunkelheit um?

Rudolf Denkmann hat die Sonne schon lange nicht mehr gesehen. Er ist Stationsleiter der Französisch-Deutschen Arktis-Forschungsbasis des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und des Institute Polaire Paul Emile Victor im norwegischen Dorf Ny Ålesund auf Spitzbergen. Vom 24. Oktober bis 18. Februar liegt die Station im Dunkeln. Es ist Denkmanns zweite Überwinterung in arktischen Regionen. An die Monate ohne Tageslicht hat er sich schon gewöhnt: "Wir haben hier das Polarlicht, die Sterne, den Mond - das ist fast schöner als die Sonne" sagt er.

Dabei sind dunkle Tage eine Herausforderung für den Körper. Das hängt unter anderem mit dem Schlafhormon Melatonin zusammen, das in der Zirbeldrüse gebildet wird. Die Ausschüttung dieses Hormons wird von Licht gehemmt - und davon bekommen wir im Winter oft zu wenig. Als Ersatz für das Sonnenlicht kann auch künstliches Licht herhalten, die Tageslichtlampe. Diese imitiert das Tageslicht, was die Zusammensetzung des Lichtes angeht, ist aber mit bis zu 10.000 Lux um ein vielfaches intensiver. Die Beleuchtungsstärke in Räumen liegt normalerweise bei etwa 500 Lux.

Das Licht muss dabei auf die Netzhaut des Auges gelangen. Studien haben gezeigt, dass Tageslichtduschen, besonders morgens nach dem Aufstehen, eine anti-depressive Wirkung haben. Die Erfolge sind so gut, dass die Tageslichtlampe mittlerweile großflächig als Therapie eingesetzt wird, besonders gegen Winterdepression. Das ist eine saisonale depressive Störung, die jährlich wiederkehren kann. Unter den Patienten sind vermehrt solche in höheren Breitengarden zu finden, wo die Tage im Winter besonders kurz sind. Zu den Symptomen gehören Stimmungsschwankungen, Appetit auf Kohlenhydrate, Gewichtszunahme, Müdigkeit während des Tages, Angstzustände, Konzentrationsschwierigkeiten sowie ein gesteigertes Schlafbedürfnis.

Eine solche Tageslichtlampe steht auch in Ny Alesund bei der Firma Kings Bay, die das Dorf leitet. Rudolf Denkmann setzt sich aber nicht davor. Er weiß zwar von den depressiven Verstimmungen, die die Mitarbeiter und Kollegen im Winter heimsuchen können, ist aber bis jetzt bei guter Laune. Ihm hilft die Arbeit: "Wir haben einen ganz normalen Tagesablauf und viel zu tun", sagt er. Auch an den Alltag im Dunklen gewöhne man sich schnell: "Hell beleuchtet sind vor allem die Büros, in der Kantine und den Gängen haben wir gedämpftes Licht" erzählt er. "Im letzten Jahr war auch das Dorf hell erleuchtet, weil einige Einwohner Angst vor Eisbären hatten - aber dieses Jahr wird Energie gespart". Gegen die Müdigkeit hilft Denkmann - neben einer großen Tasse Schokolade zum Frühstück - außerdem Geselligkeit. Jeden Abend sitzen die drei Mitarbeiter vom Stationsteam zusammen, oft mit Forschern der anderen Institute sowie deren Mitarbeiter vor Ort: eine internationale, geselligeGemeinschaft. Im Winter leben im Dorf ungefähr 30 Personen. Sie machen Musik, spielen, haben Abendprogramm. Bei Mondlicht machen sie Skiausflüge und Schneemobiltouren in die Umgebung. Und sie planen die große Feier im Februar, wenn die Sonne endlich wieder über den Horizont steigen wird.

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