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HPV-Virus

"Die Impfrate ist viel zu niedrig"

Seit Kurzem wird die HPV-Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) auch für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen. Sind sie geimpft, schützen sie nicht nur sich, sondern auch ihre Partnerinnen. Bild: Fotolia / Africa Studio

Die Impfung gegen Humane Papillomviren wird seit 2007 für Mädchen empfohlen, seit Kurzem auch für Jungen. Wovor schützt die Impfung, warum ist die Impfrate noch so niedrig und wie lässt sie sich steigern? Ein Interview mit dem Nobelpreisträger Harald zur Hausen

Herr zur Hausen, Sie haben den Nobelpreis erhalten für Ihre Entdeckung des Zusammenhangs zwischen humanen Papillomviren (HPV) und Gebärmutterhalskrebs. Das hat die Grundlage für die HPV-Impfung gelegt, durch die Millionen Frauen geschützt werden. Nun hat ihre Entdeckung noch eine weiteren, verspäteten Erfolg zu verzeichnen: Seit Kurzem wird die HPV-Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) auch für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen. Was sagen Sie dazu?

Das freut mich natürlich sehr. Aber Sie haben auch schon den Punkt angesprochen, der mich in den letzten Jahren auch ungeduldig gemacht hat: verspätet. Dass die HPV-Impfung für Jungen nun auch in Deutschland zugelassen ist, wurde höchste Zeit. In Australien, Österreich und den Niederlanden zum Beispiel ist die HPV-Impfung für Jungen längst eingeführt.

Bestimmte Arten von Humanen Papillomviren begünstigen das Entstehen von Gebärmutterhalskrebs, das ist aber eine Erkrankung, die nur Frauen betreffen kann. Warum sollen überhaupt Jungen geimpft werden?

Es stimmt, für die Humanen Papillomviren ist vor allem der Zusammenhang zu Gebärmutterhalskrebs belegt. Aber alles deutet darauf hin, dass HPV auch Krebsarten wie Mund-Rachen-Krebs oder Analkrebs hervorruft. Insgesamt dürften jährlich in Deutschland etwa 1000 Männer an Krebs sterben, der durch HPV ausgelöst wurde.

Prof. Harald zur Hausen hat für seine Forschung zum Zusammenhang von Viren und Gebärmutterhalskrebs 2008 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Bild: DKFZ / T. Schwerdt

Wie kann ein Virus so viele Arten von Krebs auslösen?

Die Viren sind sehr vielfältig in Ausprägung und Wirkung. Das zeigt sich schon daran, dass derzeit mehr als 400 Typen von Humanen Papillomviren bekannt sind, die vor allem Haut und Schleimhäute besiedeln. Die meisten dieser Typen sind sogenannte Niedrigrisikoviren, das heißt, sie besiedeln zwar Haut oder Schleimhäute, haben dort jedoch kaum krebsfördernde Wirkung. Unter den HPV-Typen im Genitalbereich hat die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) aber auch zwölf Typen, darunter vor allem HPV 16 und HPV 18, als Hochrisikotypen benannt. Diese Hochrisiko-HPV-Typen können in den Körperzellen grundsätzlich Veränderungen hervorrufen, die zu Vorstufen von Krebs und schließlich zu Krebs führen. Das dauert übrigens bei den Frauen bei Gebärmutterhalskrebs im Durchschnitt 15-30 Jahre von der Infektion an.

Wie lässt sich das erklären?

Weitere Veränderungen im Erbgut der infizierten Zelle, die schließlich zu Krebs führen, treten im Verlauf vieler Zellteilungen auf. Das heißt, wenn man Mädchen impft, dann schützt man sie vor Krebs 15-30 Jahre nach erfolgter Infektion. Aber bei der Impfung geht es ja nicht ausschließlich um den Schutz des Geimpften selbst, sondern mittel- und langfristig auch um das Erreichen eines Herdenschutzes. Und da ist die Einführung der Impfempfehlung für Jungen natürlich hochwillkommen.

Herdenschutz bedeutet in diesem Fall, dass man durch die Impfung der Jungen auch verhindert, dass sie Mädchen anstecken können.

Das spielt unter anderem deshalb eine große Rolle, weil Jungen und junge Männer mehr Sexualkontakte haben als Frauen der gleichen Altersgruppe. Damit verbreiten vor allem sie die Humanen Papillomviren. Sind sie geimpft, schützen sie nicht nur sich, sondern auch ihre Partnerinnen.

Für Mädchen wird die HPV-Impfung in Deutschland bereits seit 2007 empfohlen. Trotzdem liegt die Impfrate heute in der Mehrzahl der Bundesländer unter 40 Prozent pro Jahrgang. Woran liegt das?

Es gibt zumindest zwei Gründe dafür, dass die Impfrate viel zu niedrig ist. Da ist einmal die Impfskepsis, die in der deutschen Bevölkerung leider immer noch verbreitet ist. Dabei gilt ausgerechnet die HPV-Impfung als besonders sicher. Daten aus Australien zeigen, dass bei etwa 100.000 Impfdosen nur eine einzige ernsthafte Nebenwirkung erfasst wurde, und zwar eine allergische Reaktion, die gut beherrschbar ist.

Was ist der andere Grund dafür, dass die Impfrate so niedrig ist?

Die Impfung ist leider einfach immer noch zu unbekannt. Und zwar auch bei den Frauenärzten. Ein großer Teil der Frauen- und Kinderärzte spricht die Impfung zum vorgesehenen Alter überhaupt gar nicht an. Hier sollte es von Seiten der Gesundheitsbehörden mehr Aufklärung geben. Es gibt aber noch eine viel effizientere Möglichkeit, die Impfrate zu steigern: Schulprogramme. Anfang des Jahres war ich im Rahmen eines solchen Programmes an drei Schulen in Hessen beteiligt, dort hat auch eine Patientin , die wegen Gebärmutterhalskrebs behandelt wurde, gesprochen. Die Impfrate stieg dort auf mehr als 70 Prozent an.

Harald zur Hausen, von 1983 bis 2003 Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums, hat für seine Forschung zum Zusammenhang von Viren und Gebärmutterhalskrebs 2008 den Nobelpreis für Medizin erhalten.

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