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Infektionen

Der wunde Punkt

Salmonellen. (Bild: Marc Erhardt/HZI)

Salmonellen sind besonders widerstandsfähig gegen Antibiotika. Wissenschaftler suchen deshalb nach alternativen Wirkstoffen, um diese Infektionen behandeln zu können.

Man könnte meinen, Marc Erhardt kämpft gegen einen Gegner, der schon lange verloren hat: Salmonellen. Schließlich sind die durch das Bakterium verursachten Infektionen beim Menschen in Deutschland seit Jahren rückläufig, von gemeldeten 200.000 Infektionen im Jahr 1990 auf nur mehr 16.000 im Jahr 2014. Doch man würde weit fehlen. Denn tatsächlich täuschen die Zahlen eine falsche Sicherheit vor, wie der Bakterienphysiologe von der Humboldt-Universität Berlin erläutert: "Die Dunkelziffer ist bedeutend höher, weil nicht jede der durch den Erreger ausgelöste Durchfallerkrankungen gemeldet wird." Rückläufige Infektionszahlen in der Tierhaltung seien hauptsächlich auf ein EU-weites Salmonellen-Bekämpfungsprogramm und eine Impfpflicht für Legehennen zurückzuführen. "Problematisch ist auch die erhöhte Inzidenz von Antibiotikaresistenten Salmonellen", so Erhardt.

Dass gerade letzteres ein ernsthaftes Problem darstellt, dringt zunehmend ins öffentliche Bewusstsein. Durch falsche oder übermäßige Antibiotikagaben bilden sich zunehmend Resistenzen aus: Gängige Antibiotika wie etwa Sulfonamide konnten 32 Prozent der den Menschen befallenden Salmonellen im Jahr 2015 nichts anhaben. 29 Prozent zeigten mehrfache Resistenzen.Und das Salmonellen-Bakterium S. Typhimurium war sogar in 81 Prozent der Proben mehrfach gegen Antibiotika resistent. In der Tierhaltung sah es nicht viel besser aus: Sowohl bei Schweinen, als auch bei Rindern, zeigten 40 Prozent der Salmonellen mehrfache Resistenzen.

"Klassische Antibiotika sind wie eine Keule"

Ansporn genug also, nach alternativen Angriffsstrategien zu suchen, um dem Erreger zu Leibe zu rücken. "Klassische Antibiotika sind wie eine Keule", erklärt Marc Erhardt. Sie wirken gegen zentrale Prozesse von Bakterien, etwa die Proteinbiosynthese oder die Zellwandsynthese. "Dadurch, dass die Bakterien hierdurch getötet werden, entsteht aber auch ein Evolutionsdruck und es entwickeln sich Resistenzen. Wir verfolgen einen anderen Ansatz, indem wir Inhibitoren gegen die Virulenzfaktoren suchen - also jene Eigenschaften, die für die krankmachende Wirkung des Mikroorganismus verantwortlich sind."

Die Achillesverse, die die Biologen dabei besonders im Blick haben, ist das sogenannte Flagellum der Salmonellen: Geißeln außerhalb der Zellmembran, die die Bakterien wie ein drehender Propeller an den Ort der Infektion transportieren und bei vielen bakteriellen Krankheitserregern vorkommen, darunter den Salmonellen die Erhardt erforscht. Gelänge es, die Bakterien bewegungsunfähig zu machen, wären sie nicht mehr infektiös. Auch für andere Bakterien ist das Flagellum essenziell: Etwa Helicobacter pylori, das Magenerkrankungen hervorruft oder das Bakterium E. coli, von dem ein Stamm im Jahr 2011 die "EHEC-Epidemie" auslöste, an der 3842 Menschen erkrankten, davon 800 mit lebensgefährlichen Komplikationen.

Obwohl schon seit Jahrzehnten bekannt, dass das Flagellum für die Virulenz solcher Bakterien entscheidend ist, ist es erst seit kurzem im Fokus der Forschung. "Heutzutage besteht viel mehr Interesse an dieser Forschung, weil sich die Antibiotikaresistenzen erst in den letzten Jahren stark gezeigt haben", berichtet Erhardt.

Durchbruch in der Forschung

Jüngst ist den Wissenschaftlern in ihrer Forschung ein großer Durchbruch gelungen: Sie konnten ein Protein identifizieren, das für den Aufbau des Flagellums nötig ist. Das Protein "FliO" hilft dabei, innerhalb der Zellmembran eine Pore auszubilden, aus der heraus das Flagellum wächst. Als die Forscher die Herstellung des Proteins genetisch ausschalteten, waren die Salmonellen nicht mehr dazu in der Lage, einen geordneten Proteinkanal aufzubauen - und damit auch kein Flagellum. Das Bemerkenswerte ist: "FliO" kommt bei über 80 Prozent aller begeißelten Bakterien vor und der Proteinkanal ist für die Funktion des Flagellums absolut essentiell. Entsprechend sind FliO oder der Proteinkanal des Flagellums damit eine vielversprechende Anknüpfstellen, um eine Vielzahl von bakteriellen Krankheitserregern mit Flagellen potentiell unschädlich zu machen.

Noch ist es freilich ein langer Weg, bis hieraus ein Medikament entstehen kann, räumt Marc Erhardt ein: "Zunächst müssen wir die molekularen Mechanismen des Sekretionsapparates gründlich verstehen, aus dem sich die Flagellen bilden. Dann könnte man auch darüber nachdenken, am Computer kleine Moleküle zu designen, die etwa den Aufbau oder den Proteinkanal des Flagellums blockieren."

Die Forscher um Marc Erhardt haben inzwischen ein gutes Verständnis davon, wie die Pore aufgebaut ist und welche Proteine an ihrer Entstehung beteiligt sind. Wie die Proteine, die letztlich das Flagellum aufbauen, jedoch zur Pore und durch sie hindurch gelangen, ist noch eine offene Frage. "Ein Flagellum baut sich aus mehreren zehntausend einzelnen Proteinen auf. Wie sich diese sinnvoll zusammenfügen, ist noch unklar und der Prozess einer solchen 'Selbstassemblierung' ist in der Biologie insgesamt eine sehr spannende Fragestellung. Zudem investieren Salmonellen einen beträchtlichen Anteil ihrer biosynthetischen Kapazitäten in den Aufbau dieser großen extrazellulären Strukturen. Da gibt es noch viel zu erforschen", sagt Marc Erhardt.

2017 Europäischer Tag zur Bewusstseinsbildung betreffend Antibiotika

Der Europäischer Tag zur Bewusstseinsbildung betreffend Antibiotika ist eine jährliche europäische Initiative für die öffentliche Gesundheit, die am 18. November stattfindet, um das Bewusstsein für die Bedrohung der öffentlichen Gesundheit durch die Antibiotikaresistenz und für die Bedeutung einer vorsichtigen Antibiotika-Anwendung zu wecken. Die neuesten Daten bestätigen, dass in der EU die Zahl der Patienten, die durch resistente Bakterien infiziert sind, zunimmt und dass die Antibiotikaresistenz eine große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellt. Der vorsichtige Einsatz von Antibiotika kann dazu beitragen, resistente Bakterien vor ihrer Entwicklung aufzuhalten und die Antibiotika für einen Einsatz im Interesse künftiger Generationen wirksam zu belassen.

Weitere Informationen zu der Veranstaltung

Hintergrundinformationen zu Antibiotika und Antibiotikaresistenze finden Sie unter helmholtz.de/antibiotika

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