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Fazit der Klimakonferenz

„Kyoto ist tot“

Bild: Magalhães, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Die Klimakonferenz in Warschau ist vobei, die Meinungen reichen von „Minimalfortschritt“ bis „Zeitverschwendung“. Als Beobachter auf der Konferenz erlebte Prof. Schwarze auf vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) eine bedrückende Atmosphäre. Im Interview erzählt er, welche Hoffnung er für die Klimaverhandlungen sieht

Als Leiter der Abteilung „Ökonomie und Politik“ befasst sich Prof. Dr. Reimund Schwarze mit den ökonomischen Folgen des Klimawandels und Fragen der internationalen Klimapolitik. Bild: Tobias Hametner

Herr Prof. Schwarze, die Süddeutsche Zeitung schrieb zum Klimagipfel in Warschau: „Die Schnecke kriecht voran“, Greenpeace spricht von einer “Enttäuschung“.  Die Frage ist: Kleiner Fortschritt oder großes Scheitern? Wie haben Sie die Verhandlungen erlebt?

Die Stimmung war sehr aufgewühlt unter dem Eindruck des schweren Taifuns auf den Philippinen. Es waren viele humanitäre Aktivitäten zu sehen, überall standen Sammeldosen. Der Philippinische Chefunterhändler hatte angekündigt, bis zum Erreichen einer Einigung zu fasten, und hat das tatsächlich bis zum Ende der Konferenz durchgehalten. Es konnten einem die Haare zu Berge stehen, dass vor dem Hintergrund der Bilder von den Philippinen in der üblichen zähen und kleinteiligen Weise über das Weltklima verhandelt werden sollte.

In der zweiten Woche herrschte dann eher eine Stimmung von business as usual. Es gab das übliche Klein-Klein der Unterhändler und Diplomaten. Der Rückzug Japans und Australiens aus dem Kyoto-Protokoll dämpften die Stimmung merklich. Der Tiefpunkt war erreicht, als die Umweltorganisationen aus Protest gegen das schleppende Vorankommen die Konferenz verließen.

Fehlte denn der Wille zu einer klaren Einigung, oder ist das Prozedere schuld?

Oft wird überschätzt, welchen Spielraum die Unterhändler der einzelnen Staaten haben. Sie müssen Vorgaben folgen und können kaum Kompromisse eingehen. Die Umweltorganisationen hingegen sehen sich zurecht als Treiber des ganzen Prozesses und als Fürsprecher der ärmsten Länder. Diese unglückliche Konstellation ist nicht neu, und Enttäuschungen sind unter solchen Voraussetzungen geradezu vorprogrammiert. Und tatsächlich war die Stimmung bedrückend, als die Umweltorganisationen auszogen und eine gewisse Angst umging: Könnte man das gleiche erleben wie zum Ende der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen, als es kein echtes Verhandlungsergebnis gab und die Verhandler vor einem Scherbenhaufen standen?

Ist es denn tatsächlich so schlimm gekommen?

Der Gipfel wurde letztlich dadurch gerettet, dass man sich auf Minimalbeschlüsse einigen konnte. Es wurden 100 Millionen Dollar für Klimahilfen versprochen – das sind zwar längst nicht die für 2020 angestrebten 100 Milliarden, aber immerhin kommt das Geld an der richtigen Stelle an.

Gab es auf der Konferenz auch einen Hoffnungsschimmer für die weitere politische Entwicklung?

Ja: Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat in einer bewegenden, persönlichen Ansprache für das nächste Jahr zu einer Sonderkonferenz nach New York eingeladen. Er geht damit ein hohes persönliches Risiko ein, doch ein solcher Impuls auf hoher politischer Ebene war dringend notwendig.

Eins wurde nämlich in Warschau mehr als deutlich: Die Idee, das Kyoto-Protokoll mit einem Nachfolge-Abkommen weiterzuführen, ist vom Tisch. Kyoto ist tot, und wird auch nicht mehr zum Leben erweckt werden. Ich halte das für eine gute Entwicklung, denn es muss ein neues, weltumspannendes Abkommen geben. In diesem müssen Entwicklungs- und Schwellenländer als Leidtragende des Klimawandels anerkannt, aber auch stärker in die Verantwortung genommen werden.

Wo steht die deutsche Klimapolitik in diesem großen Prozess?

Die in Warschau von Deutschland ausgerichtete Begleitveranstaltung über die Energiewende war trotz des Fehlens von Umweltminister Altmaier brechend voll. Das zeigt sehr deutlich: Deutschland wird als noch als Musterbeispiel gesehen, aber auch genau beobachtet: Gelingt es, eine kohlenstoffarme Wirtschaft aufzubauen, ohne Wachstum einzubüßen? Hier wäre es verheerend, sich durch Länder-Kompetenzgerangel oder ähnliche Streitereien auszubremsen.

Wir müssen in den Forschungszentren den technologischen Unterbau dafür liefern, dass die Energiewende gelingt. Von der Politik wünsche ich mir, dass sie den Vorstoß von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon aufgreift und ernst nimmt. Insbesondere sollte die Bundeskanzlerin auch in den kommenden Koalition ihre Rolle als „Klimakanzlerin“ beibehalten und Deutschland bei der Sonderkonferenz in New York nächstes Jahr persönlich vertreten.

Wie könnte eine konkrete Lösung des Problems aussehen, um das alles so festgefahren wirkt?

Ich als Wissenschaftler und Ökonom hoffe, dass es gelingt, dem bisher völlig freien „Gebrauch“ der Atmosphäre einen spürbaren Preis anzuheften. Ob das durch Kontingente, Zertifikate, Steuern oder andere Instrumente geschieht, ist noch offen. Wichtig ist, dass bis in den Alltag der Menschen hinein spürbar wird: Die Atmosphäre ist ein knappes Gut. Wir leisten zum Beispiel gerade einen kleinen Beitrag dazu in den Helmholtz-Forschungszentren, wo wir die CO2-Kompensation von Dienstreisen festschreiben wollen.

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