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Wasser

Jeder Tropfen zählt

Tröpfchenbewässerung ist eine äußerst effektive Bewässerungsmethode und in Israel mittlerweile auf 75 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen im Einsatz. Bild: Goldlocki, CC-BY-SA 3.0

Wasser ist im Nahen Osten eine knappe Ressource. Doch aus dem Mangel machte Israel eine Tugend. Heute zählt das Land weltweit zur Spitze, wenn es um Meereswasserentsalzung, Wasser-Recycling und intelligente Bewässerungstechnik geht.

Die Wüste lebt – das ist bekannt. Doch dass in ihr neuerdings auch Barramundi, eine Riesenbarsch-Art, die zwei Meter lang werden kann und dabei bis zu 60 Kilo auf die Waage bringt, sowie Karpfen und sogar Krabben heimisch geworden sind, dürfte viele überraschen. Im Negev ist das aber längst der Fall. Möglich machte das Ganze der Hydrologe Arie Issar, nachdem er in den 1970er Jahren bei Bohrungen nahe dem Toten Meer in 600 Metern Tiefe auf Brackwasser gestoßen war. 200 Milliarden Kubikmeter sollen es insgesamt sein. Genug eigentlich, um die knapp neun Millionen Israelis über Jahrzehnte hinweg mit dem kostbaren Nass zu versorgen. Aber seine hohe Saliniät – Brackwasser hat ungefähr ein Zehntel des Salzgehalts von Meereswasser – macht es für Menschen eher ungeniessbar. Und da kamen die Fische ins Spiel, die darin ganz wunderbar gedeihen und sich munter vermehren.

Die Aquakulturen im Negev sind ein Musterbeispiel dafür, mit welcher Effizienz man in Israel mit der knappen Ressource Wasser umgeht. Das Wasser aus der Tiefe wird in einem Kreislaufsystem nicht nur für die Fischzucht, sondern für viele weitere Zwecke genutzt. So auch in dem 25 Kilometer südlich von Beer Sheva gelegenen Kibbuz Mashabei Sadeh, wo eine der über 20 großen Fischfarmen in der Region steht: Das bei der Förderung bis zu 40 Grad warme Brackwasser heizt zuerst die Gewächshäuser, in denen es nachts empfindlich kalt werden kann. Danach wird es auf rund 27 Grad abgekühlt und fließt weiter in die künstlich angelegten Fischbecken, bevor man damit Olivenhaine und Jojobastrauch-Plantagen bewässert. Die Nährstoffe aus den Exkrementen der Fische als Dünger bringen besonders gute Ernteerträge hervor. Kein Tropfen geht so ungenutzt verloren. Der Kibbuz selbst verzeichnet so eine Jahresproduktion von über 200 Tonnen Barramundi, die auf den Weltmärkten bis zu 20 Dollar das Kilo erzielen – ein lukratives Geschäft und das mitten in der Wüste.

Mit einer Abwasserrecycling-Quote von fast 90 Prozent ist Israel heute Weltmeister. Zum Vergleich: Spanien, das auf Platz zwei liegt, erzielt gerade einmal 20 Prozent. Das so wieder aufbereitete Wasser kommt vor allem der Landwirtschaft zugute. Auf den Feldern sieht man überall eine weitere israelische Erfindung: die Tröpfchenbewässerung. Statt mit der sprichwörtlichen Giesskanne bringen dünne Plastikschläuche mit winzigen Löchern das Wasser punktgenau dahin, wo es gebraucht wird, nämlich an die Wurzeln der Pflanze. Die Idee dazu hatte der 1897 in Warschau geborene Simcha Blass, nachdem er sich wunderte, warum auf einer Farm nur ein einziger Baum innerhalb einer Gruppe richtig blühte. Des Rätsels Lösung war eine direkt daneben verlaufende Wasserleitung, aus der es regelmäßig tropfte. 1965 wurde dann im Kibbuz Hatzerim im Negev das Unternehmen Netafim ins Leben gerufen, das aus dem Prinzip der Tröpfchenbewässerung ein Produkt entwickelte, das bald schon in über 110 Ländern zum Einsatz kommen sollte – übrigens auch in solchen, die keine diplomatischen Beziehungen mit Israel haben oder sich offiziell sogar im Krieg mit dem jüdischen Staat befindet.

Der See Genezareth ist die wichtigste Süßwasserquelle des Landes Israel. Bild: NASA Earth Observatory, CC-BY-SA 3.0

Sprichwörtlich am Tropf hängt Israel aber bereits seit den 1950er Jahren. Damals begann das staatliche Trinkwasserversorgungsunternehmen Mekorot mit dem Bau des sogenannten National Water Carrier, einem umfangreichen Kanal- und Leitungsnetzes, das Wasser aus dem Norden des Landes bis in den hintersten Winkel des Südens transportiert. Dort liegt die wichtigste Süßwasserquelle des Landes, der See Genezareth. Doch regelmäßige Dürrephasen sowie die demographische Entwicklung sorgten dafür, dass Mekorot ein weiteres Standbein aufbauen musste, nämlich die Meereswasserentsalzungsanlagen. Derzeit gibt es fünf davon, die insgesamt 600 Millionen Kubikmeter Trinkwasser erzeugen und damit über die Hälfte des landesweiten Verbrauchs. Klimawandel und Bevölkerungswachstum – 2024 wird es bereits zehn Millionen Israelis geben – zwingen zum Ausbau der Kapazitäten auf 1,1 Milliarden Kubikmeter bis 2025.

Aushängeschild ist die Anlage in Sorek, nur wenige Kilometer südlich vom Ballungsraum Tel Aviv gelegen. Sie funktioniert nach der Methode der Umkehrosmose, wobei Wasser mit viel Druck durch halbdurchlässige Membranen gepumpt und salzfrei gemacht wird. Mit einer Fläche von 100.000 Quadratmetern und einer Kapazität von 624.000 Kubikmetern am Tag ist sie weltweit die größte ihrer Art. Als Startup-Nation hat Israel natürlich auch einige junge Unternehmen hervorgebracht, die völlig neue Hightech-Lösungsansätze versprechen. So zum Beispiel TaKaDu, eine Firma, die eine Technik entwickelte, wodurch auf Basis von Datenanalysen undichte Stellen in den Leitungsnetzen besser identifiziert werden können – in den maroden Systemen vieler Städte des Nahen Ostens, wo bis zu 70 Prozent des Trinkwassers verloren gehen können, eine wichtige Innovation.

All diese Techniken haben dazu geführt, dass Israel mit seinen knappen Ressourcen deutlich schonender umzugehen versteht als seine Nachbarn, allen voran Jordanien. Das ohnehin wasserarme haschemitische Wüstenkönigreich steht gleich vor mehreren gewaltigen Problemen. Die Infrastruktur zur Versorgung seiner schnell wachsenden Bevölkerung von über neun Millionen Menschen ist veraltet und ineffizient; dazu kommen noch über eine Million Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak, die ebenfalls versorgt werden müssen. Aktuell liegt die Süßwasserverfügbarkeit mit 145 Kubikmeter pro Kopf und Jahr deutlich unter dem Grenzwert für absolute Knappheit. Seit über zehn Jahren ist das Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) vor Ort aktiv, um beim Aufbau eines dezentralen Abwassermangementsystem sowie beim Grundwasserschutz zu helfen. Dabei müssen auch kulturelle Hürden überwinden werden. „Denn Abwasser gilt bei den Menschen hier als unrein, weshalb viel Geduld gefragt ist“, so Manfred van Afferden Anfang Juni auf der Veranstaltung Diplomacy for Sustainability, die im Rahmen der European Sustainable Development Week in der Residenz der Botschaft des Staates Israel in Berlin stattfand.

Wasser - ein knappes Gut

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