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MOSAiC-Expedition

Internationale Zusammenarbeit für die Klimaforschung

Bild: AWI/Esther Horvath

Es war das große Finale der MOSAiC-Expedition: Nach einem Jahr kehrte das Forschungsschiff „Polarstern“ nach Bremerhaven zurück. Rund 500 Menschen aus 20 Nationen waren in mehreren Etappen an Bord, eingefroren in einer Scholle drifteten sie um den Nordpol.

Bild: AWI/Folke Mehrtens

Der Kuss eines arktischen Fisches, drei Monate Dunkelheit, knirschendes Eis, eine wunderschöne und ehrfurchtgebietende Landschaft und Eisbären in freier Wildbahn: Es sind denkwürdige Erinnerungen, die die Forscher der MOSAiC-Expedition mit nach Hause bringen. Wochen- oder monatelang fern der Heimat auf einem Forschungseisbrecher, das hat die ganz unterschiedlichen Menschen aus 20 Nationen zu einem großen Team werden lassen.

Alle Teilnehmenden waren mit eigenen Vorbereitungen, Fragestellungen und Erfahrungen angereist. Pauline Snoeijs Leijonmalm, Professorin in Mariner Ökologie an der Universität Stockholm in Schweden, verbrachte elf Wochen auf der „Polarstern“ und vier Wochen auf einem der russischen Eisbrecher, die das Forschungsschiff für die Versorgung und die Teamwechsel regelmäßig ansteuerten. Sie leitete zwei Forschungsprojekte – eines über Fische und eines über den Stoffwechsel bestimmter Mikroben im Eis. „Ich war erstaunt über die Geräusche, die das Eis macht, wenn ein Schiff eingefroren ist“, sagt die Schwedin, die zuvor schon andere Arktisexpeditionen absolvierte hatte. „Es war so laut, so variabel und so anders als alles, was ich zuvor gehört hatte.“ Der schönste Moment an Bord war für sie, als sie einen arktischen Fisch küsste. „Er war tatsächlich auf dem Eis – der erste Fisch, den wir gefangen hatten!“

Jessie Creamean untersuchte an Bord die Wechselwirkungen zwischen Aerosolen und Wolken. Bild: AWI/Esther Horvath

Große internationale und interdisziplinäre Teamleistung

Jessie Creamean von der Colorado State University in den USA nahm vier Monate an der MOSAiC-Expedition teil. Sie begeisterte sowohl die starke Gemeinschaft als auch die einzigartige Naturerfahrung: „Die Tage und Wochen waren unglaublich voll mit dem Sammeln und Konservieren der wertvollen Proben“, sagt die Wissenschaftlerin aus der Abteilung für Atmosphärenforschung rückblickend. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Untersuchung von Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen – damit verfolgte sie eine sehr interdisziplinäre Fragestellung: „Meine Projekte liegen thematisch zwischen der Atmosphäre und den Quellen atmosphärischer Partikel, die als Saatgut für die Bildung von Wolkeneis dienen, das wiederum aus der Ozean- und Meereisbiologie stammt. Es war eine große internationale und interdisziplinäre Teamleistung.“

Networking, neue Zusammenarbeit, Medienaufmerksamkeit und Öffentlichkeitsarbeit sind für sie wertvolle praktische Gewinne der Reise, aber beeindruckt hat sie vor allem die Natur selbst: „Als Arktisforscherin widme ich mich dem Verständnis, wie schnell sich die Arktis verändert und warum. Es war erstaunlich, die drastischen Veränderungen der Dicke und des Zusammenhaltes des Meereises persönlich zu sehen – in der isolierten, dunklen und abgelegenen hohen Arktis. Das war atemberaubend.“

Gunnar Spreen kümmerte sich vor allem um Messung der Interaktion von Meereis mit Mikrowellenstrahlung. Bild: AWI/Esther Horvath

Wertvolle Informationen über das arktische Klimasystem

Nicht seine erste Arktisexpedition hat Gunnar Spreen nun zu Ende gebracht. Der Leiter der Sektion „Fernerkundung der Polarregion“ an der Universität Bremen war bereits auf der ersten Etappe der MOSAiC-Expedition an Bord und nahm auch an der letzten teil. Der Fokus seiner Arbeit lag auf der Messung der Interaktion von Meereis mit Mikrowellenstrahlung. „Das mag recht abstrakt klingen“, stellt er fest und führt aus: „Aber wenn wir diese Prozesse besser verstehen und modellieren, können wir aus Satelliten gezielte Informationen über das Meereis und das arktische Klimasystem ableiten. Zum Beispiel über die Schneetiefe und Eisdicke, die den Wärmefluss vom Ozean in die Atmosphäre beeinflussen.“ Die von ihm und den anderen Wissenschaftlern gesammelten Daten würden dazu beitragen, diese Veränderungen durch Satellitenbeobachtungen besser zu quantifizieren zu können.

So viele Tage mit ganz verschiedenen Nationalitäten auf einem Schiff – ist das nicht schwierig? „Nationalitäten sind für die Interaktion mit verschiedenen Menschen sicher nicht ausschlaggebend. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet“, sagt Spreen. Herausforderungen lauerten für den erfahrenen Expeditionsteilnehmer eher auf dem Eis selbst. „Wir waren uns immer bewusst, dass es schwierig sein wird, ein ganzes Jahr lang ein intaktes Lager auf dem am Ende viel jüngeren, dünneren und dynamischeren Eis zu erhalten. Dass unser Lager jedoch durch Risse und Grate, die sich auch mitten im Winter regelmäßig bilden, beschädigt werden würde, hat mich etwas überrascht.“ Messstrategien mussten angepasst und der Lageraufbau flexibler werden. Die Verformung des Eises war für ihn gleichzeitig die beeindruckendste Erfahrung. „Innerhalb weniger Dutzend Minuten bildeten sich vor unserem Auge Grate, und das Geräusch, das Eis machen kann, ist erstaunlich.“

Lauriane Quéléver überprüft die Daten in ihrem Containerlabor an Bord der "Polarstern". Bild: AWI/Esther Horvath

Für die Finnin Lauriane Quéléver vom Institut für Atmosphären- und Erdsystemforschung der Universität Helsinki war es die erste Arktisreise – und sie kehrte begeistert zurück. „Der zentrale Arktische Ozean, ein eher ungewöhnlicher Ort zum Erleben, zeigte sich in seiner ganzen Schönheit und Erhabenheit, aber auch in seiner Dunkelheit während der Winterzeit“, schwärmt die Doktorandin. Ihr haben vor allem diese einzigartigen Naturerfahrungen geholfen, diese Zeit durchzustehen. „Man kann die schönsten Sterne, den reinsten Schnee und, wenn man Glück hat, das majestätischste Tier der Erde sehen!“

Gemeinsam alles geben für die Wissenschaft

Quéléver kümmerte sich während der Expedition um einen atmosphärischen Messcontainer am Bug des Schiffes und unterstützte zugleich die Messungen der Kollegen vom British Antarctic Survey für die Aerosolprobenentnahme. „Indem wir unser Wissen mit den Wissenschaftlern an Bord teilten, kamen wir zu ganz neuen Erkenntnissen. Und jetzt arbeiten wir gemeinsam an erfolgreichen wissenschaftlichen Publikationen!“ Sie hat besonders beeindruckt, die Anstrengungen zu sehen, die alle Teilnehmenden unternommen haben, um die bestmöglichen Messungen unter solch rauen Bedingungen durchzuführen. Die Menschen seien erschöpft, geben aber alles, was sie haben, für die Wissenschaft. „Ich habe es geliebt, Erfahrungen auszutauschen und die Möglichkeit zu haben, auch auf dem Eisfeld zu helfen. Dort, weiter weg vom Schiff, verliert man sich unter den hellsten Sternen.“

Die MOSAiC-Expedition

Während der MOSAiC-Expedition erforschten Wissenschaftler aus 20 Nationen die Arktis im Jahresverlauf. Von September 2019 bis Oktober 2020 driftete der deutsche Eisbrecher „Polarstern“ eingefroren im Eis durch das Nordpolarmeer. MOSAiC wurde unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) realisiert. Damit dieses einzigartige Projekt gelang, arbeiteten über 80 Forschungsinstitute zusammen.

Kamerateams der UFA dokumentierten die Expedition von Beginn an. Am 16. November wird der Dokumentarfilm „Expedition Arktis“ in der ARD ausgestrahlt.

Informationen zur MOSAiC-Expedition auf der AWI-Website

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