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Klimagipfel

Den Ozeanen droht der Kollaps

Bild: Carsten Kolbe-Weber

Anfang Dezember wollen sich Abgesandte aus aller Welt auf Maßnahmen einigen, die die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf zwei Grad begrenzen. Doch was passiert, wenn dies nicht gelingt? Besonders betroffen wären die Ozeane, sagen Meeresforscher. Sie rechnen mit gravierenden Schäden. Auch die wirtschaftlichen Folgen wären deutlich spürbar.

Die Weltmeere brauchen dringend Unterstützung. Nur eine sofortige Reduktion der Treibhausgas-Emissionen kann größere Schäden von den Meeren und ihren Bewohnern abwenden. Die Folgen treffen auch die Menschen, insbesondere in den Entwicklungsländern. So das Fazit der Review Studie der Ocean 2015 Initiative zu den Risiken des globalen Klimawandels. Die Studie erschien vor ein paar Monaten in dem renommierten Fachjournal Science. Über 20 Wissenschaftler weltweit, unter ihnen auch Hans-Otto Pörtner vom Alfred Wegener Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, werteten wissenschaftliche Studien zu den Risiken des Klimawandels aus der Sicht der Meeresforscher aus.

Die Ocean 2015 Initiative hat zum Ziel die Öffentlichkeit und insbesondere Entscheidungsträger besser über die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die Weltmeere zu informieren. Sie wird durch die Prince Albert II von Monaco Foundation, das Ocean Acidification International Coordination Center of the International Atomic Energy Agency; die BNP Paribas Foundation und die Monégasque Association for Ocean Acidification getragen.

Ozeane als gigantische Puffer

Rund 70 Prozent der Erdoberfläche werden von Meeren bedeckt. Der Wasserkörper ist mit knapp 1,4 Milliarden Kubikkilometer gigantisch. Seit vorindustrieller Zeit ist die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre unseres Planeten von 278 auf 400 ppm (parts per million) gestiegen. Ein Plus von 40 Prozent, das in den Ozeanen grundlegende Veränderungen in Gang gesetzt hat. "Die Weltmeere funktionierten bisher als Kühlschrank und Kohlendioxidspeicher unserer Erde. Sie haben zum Beispiel seit den 1970er Jahren rund 93 Prozent der durch den Treibhauseffekt von der Erde zusätzlich aufgenommenen Wärme und 30 Prozent des menschengemachten CO2 gespeichert und auf diese Weise die Erwärmung unseres Planeten verlangsamt", sagt Hans-Otto Pörtner vom AWI.

Die Veränderungen sind schon heute an der steigenden Wassertemperatur bis zu einer Wassertiefe von 700 Metern messbar. Die Meere werden nicht nur wärmer, sondern auch saurer. Je mehr CO2 in der Luft ist, umso mehr löst sich im Wasser, wobei Kohlensäure gebildet wird. Der Säuregehalt der Meere nimmt daher zu, der Sauerstoffgehalt in verschiedenen Regionen ab. Alle drei Faktoren haben in der Summe deutliche Auswirkungen auf die maritime Fauna und Flora.

Das unter zwei Grad Szenario

Um die Frage zu beantworten, "was wäre wenn" arbeiten die Wissenschaftler mit Szenarien: Das erste geht davon aus, dass es gelingt, den CO2 Ausstoß so weit zu reduzieren, dass der globale Temperaturanstieg auf unter zwei Grad begrenzt werden kann. Um die zwei Grad Grenze zu halten, müssten die weltweiten Treibhausgas-Emissionen auf der Basis von 1990 bis zum Jahr 2050 um mindestens 50 Prozent sinken, in den Industrieländern um 80-95 Prozent. Das Szenario zwei der Wissenschaftler geht davon aus: "Wir machen weiter so wie bisher".

Die Fähigkeit der Ozeane, bei steigenden CO2 Emissionen weiteres CO2 aufnehmen zu können, nimmt ab. Während bei dem weniger als zwei Grad Szenario für das 21te Jahrhundert eine verringerte Absorptionsfähigkeit für CO2 von 22 Prozent angenommen wird, sinkt diese im "wir machen weiter so" Szenario um 56 Prozent - was in der Konsequenz den Klimawandel und seine negativen Auswirkungen auf die Weltmeere beschleunigt.

Warum zwei Grad?

Doch warum wurde das zwei Grad Ziel gewählt? Dürften es nicht angesichts der aktuellen Schwierigkeiten auch drei oder vier Grad sein? Das zwei Grad Ziel war zunächst eine politische Festlegung, die allerdings auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse über die wahrscheinlichen Folgen der globalen Erwärmung getroffen wurde. Vorreiterin war die deutsche Bundesregierung, die Europäische Union folgte. Als wichtiger Meilenstein zur weltweiten Akzeptanz des zwei Grad Zieles gilt die Verabschiedung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen mit ihren 194 Mitgliedstaaten im Jahr 2010.

Mit ihrem aktuellen Review zeigen die Wissenschaftler deutlich die Verwundbarkeit des maritimen Lebens auf und die Gefahr, dass Veränderungen bei zögerlichem Handeln in der Klimapolitik unumkehrbar seien könnten. Sie geben auch Einblicke zu möglichen gesellschaftlichen Risiken und ökonomischen Schäden. Mit der zwei Grad Grenze würde von daher eher die Obergrenze des Erträglichen erreicht.

Unkontrollierter Klimawandel tut auch ökonomisch weh

Die Forscher haben neben den ökologischen Konsequenzen auch die ökonomischen Auswirkungen unter die Lupe genommen. Der Klimawandel bringt den Menschen zwar einige ökonomischen Vorteile, wie bspw. in der arktischen Fischerei. Die Nachteile sind in der Summe jedoch wesentlich schwerwiegender. Vorhersagen gehen davon aus, dass etwa die kommerzielle Muschelproduktion in den britischen Hoheitsgewässern klimafolgenbedingt um 50 bis 70 Prozent zurückgeht, je nachdem welches Szenario eintritt. Bei dem "wir machen weiter so" Szenario nehmen die Wissenschaftler an, dass die globalen ökonomischen Schäden für den Fang von Muscheln und Schnecken durch die Versauerung im Jahr 2100 bei circa 100 Milliarden US-Dollar liegen können.

Für den Tourismus sind Korallenriffe wichtig. Die weltweite Tourismusindustrie erleidet im Rifftourismus jährliche Verluste von 1,9 Milliarden US-Dollar bei dem zwei Grad Szenario und 12 Milliarden US-Dollar bei dem "wir machen weiter so" Vorgehen. Die klimawandelbedingten Folgeschäden am Großen Barriere Riff würden alleine für Australien 5,7 Milliarden Austr. Dollar jährlich betragen und mit dem Verlust von 69.000 Arbeitsplätzen einhergehen. Die Ozeanversauerung schädigt die Riffe zunehmend. Im Jahr 2100 können die ökonomischen Folgekosten weltweit bei rund einer Billionen US-Dollar jährlich liegen.

Die Forscher haben insgesamt sechs Ökosystemdienstleistungen der Meere für den Menschen näher untersucht: CO2 Speicher, Küstenschutz, Fischfang, Aquakultur, Tourismus, und Gesundheit. Die Wissenschaftler bezeichnen die zukünftigen Risiken durch Meeresversauerung und -erwärmung für alle Ökosystemleistungen unter dem "wir machen weiter so" Szenario als hoch bis sehr hoch. Demgegenüber würden mit dem fast zwei Grad Szenario die meisten Veränderungen noch moderat ausfallen, obwohl bereits heute negative Auswirkungen wie beim Küstenschutz und der Fischerei zu Tage treten.

Wir brauchen die Meere

Die Wissenschaftler der Studie geben mit der Ocean 2015 Initiative den Verhandlungsführer und Entscheidungsträgern der nächsten internationale Klimakonferenz COP21 in Paris im Dezember 2015 vier klare Botschaften mit auf den Weg: 

  1. Die Weltmeere beeinflussen maßgeblich das Klimasystem der Erde und nutzen dem Menschen auf vielerlei wichtige Weise.
  2. Die Auswirkungen des vom Menschen gemachten Klimawandels auf Schlüsselarten im offenen Ozean und in Küstenregionen sind heute schon nachweisbar. Vielen dieser Tier- und Pflanzenarten drohen in den kommenden Jahrzehnten große Risiken, selbst wenn es gelingt, den Kohlendioxidausstoß zu begrenzen.
  3. Wir brauchen dringend eine sofortige und umfassende Reduktion des Kohlendioxidausstoßes, wenn wir großflächige und vor allem unumkehrbare Schäden am Lebensraum Meer und an seinen Dienstleistungen für den Menschen verhindern wollen.
  4. Mit dem Anstieg der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre sinken die Optionen zum Schutz und zur Regeneration der Meere sowie die Chancen der Lebewesen, sich an die schnell voranschreitenden Veränderungen anzupassen.

"Die Meere können nicht mehr" - Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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