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Standpunkte

Brauchen wir eine CO2-Steuer?

Illustration: Jindrich Novotny

Um den Klimawandel einzugrenzen, müsste der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid drastisch reduziert werden. Doch reichen die bisherigen Anreize und Werkzeuge wie der Emissionshandel aus? Oder sollten wir eine CO2-Steuer einführen? Zwei Blickwinkel. 


Markus Groth, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Klimafolgen und Ökonomie am Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung (HZG). Illustration: Jindrich Novotny

"Eine CO2-Steuer kann mehr bewirken, als ausschließlich Anreize für den Klimaschutz zu setzen. Durch eine angemessen Ausgestaltung kann sie auch Einstieg und Basis für eine umfassende ökologische Steuer- und Finanzreform sein."

Der IPCC-Sonderbericht "Global Warming of 1.5 °C" hat gezeigt, dass bereits eine Erwärmung von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau deutliche Folgen des Klimawandels mit sich bringen wird. Die gesamtwirtschaftlichen Schäden bis 2100 können dabei regional höher sein, wenn die globale Erwärmung zwei Grad Celsius erreicht. Alle für das 1,5-Grad-Ziel potenziell zielführenden Emissionspfade wiederum, setzen schnelle und weitreichende Emissionsminderungen und Systemübergänge in vielen gesellschaftlich und wirtschaftlich bedeutenden Bereichen voraus, wobei sie Synergien mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen aufweisen können.

Doch wie können wir es schaffen, die Weichen weiter in Richtung dieser notwendigen Transformation zu stellen? Mit dem Blick auf Europa und Deutschland machen es die bisherigen praktischen Erfahrungen mit dem europäischen Emissionszertifikatehandel schwer vorstellbar, dass er zeitnah so ausgeweitet werden kann, dass dadurch die notwendigen Anreize gesetzt werden können.

Wir benötigen kurzfristig vielmehr eine Lösung, die unmittelbar alle Emissionen erfasst und mit der auch ein klares klimapolitisches Bekenntnis auf nationaler Ebene verbunden ist. Beispiele von weltweit mehr als 70 Maßnahmen zur Bepreisung von CO2 – beginnend mit der erstmaligen Einführung einer CO2-Steuer 1990 in Finnland – zeigen, dass sich Steuern im Vergleich zu einem Emissionszertifikatehandel in der Regel schneller, zielgenauer und einfacher umsetzen lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie sozial verträglich ausgestaltet werden, wie das Beispiel Schweden zeigt – das Land mit dem derzeit höchsten CO2-Preis von über 110 Euro pro Tonne. 

Eine CO2-Steuer kann zudem mehr bewirken, als ausschließlich Anreize für den Klimaschutz zu setzen. Durch eine angemessene Ausgestaltung kann sie auch Einstieg und Basis für eine umfassende ökologische Steuer- und Finanzreform sein. Hierfür ist ein Großteil der Steuereinnahmen unter anderem für zukunftsfähige und gesellschaftlich nutzbringende Investitionen – beispielsweise in klimawandelangepasste Infrastrukturen – sowie zur Verringerung der steuerlichen Belastung von Arbeit einzusetzen. Bislang bleiben die sich dadurch bietenden Chancen für stärkeren Klimaschutz und eine gesellschaftlich notwendige Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit in Deutschland noch weitestgehend ungenutzt.  


Sonja Peterson, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel und Honorarprofessorin an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Illustration: Jindrich Novotny

„Nationale CO2-Steuern sind die zweitbeste Lösung und sollten in jedem Fall eng auf das Emissionshandelssystem abgestimmt sein.“ 

Keine Frage: Mit einheitlichen Preisen für die Emission von CO2 lässt sich Klimaschutz effizient erreichen, also zu minimalen Kosten. Prinzipiell lassen sich solche Preise sowohl durch eine CO2-Steuer implementieren als auch durch ein Emissionshandelssystem (EHS), in dem sich ein Marktpreis für Emissionszertifikate bildet. Vieles spricht dafür, ein EHS mit einem Preiskorridor zu kombinieren. So würden die Vorteile beider Ansätze vereint. Allerdings sind für die Bepreisung von CO2-Emissionen in Deutschland oder der gesamten EU die politischen Realitäten zu berücksichtigen.

Eine CO2-Steuer auf EU-Ebene müsste einstimmig beschlossen werden, was derzeit politisch nicht umsetzbar ist. Das 2005 geschaffene EHS hingegen funktioniert heute bereits als klimapolitisches Instrument. Es deckt etwa die Hälfte der CO2-Emissionen in der EU ab und macht es dank Deckelung der Zertifikate einfach, gesteckte Emissionsziele zu erreichen. Bei einer CO2-Steuer dagegen wäre unklar, wie stark Emissionen tatsächlich sinken. Im EHS sind sogar die Vorteile einer Preissteuerung, soweit politisch möglich, durch die Stabilitätsreserve eingebaut. Daher gilt es, das EHS als Kernelement der EU-Klimapolitik anzunehmen, es zu stärken und neue politische Schritte darauf abzustimmen.

Wären nationale CO2-Steuern dennoch sinnvoll? CO2-Steuern in Sektoren, die vom EHS erfasst sind, würden nicht zu einer Emissionsminderung führen, wenn nicht gleichzeitig dem System Zertifikate entzogen würden. Dies wäre also für die Effektivität notwendig. Gleichzeitig führen Steuern zu uneinheitlichen CO2-Preisen in den EHS-Sektoren, was ineffizient ist: Die gleiche Emissionsminderung ließe sich kostengünstiger erreichen, wenn etwa ein Land Zertifikate aufkaufte und stilllegte. Für Sektoren außerhalb des EHS sollte zunächst geprüft werden, ob diese integriert werden können, wie es für den Verkehrssektor bereits diskutiert wird. So wird sichergestellt, dass in noch breiterem Kontext dort CO2-Emissionen vermieden werden, wo es am günstigsten ist. Eine CO2-Steuer kann dort sinnvoll sein, wo eine Integration in das EHS nicht möglich ist. Eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft zeigt, wie Maßnahmen innerhalb und außerhalb des EHS generell aufeinander abgestimmt sein müssen, damit CO2-Emissionen kosteneffizient gesenkt werden. Nationale CO2-Steuern sind die zweitbeste Lösung und sollten in jedem Fall eng auf das EHS abgestimmt sein.

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