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Helmholtz Perspektiven 0316

Helmholtz Perspektiven  September – Oktober 2016 Open Science und Open Access werden bei Helmholtz groß geschrieben. Mehr zu unseren Aktivitäten erfahren Sie hier: www.helmholtz.de/ open_science 35 INTERVIEW Die OPEN SCIENCE-Bewegung setzt sich dafür ein, dass wissenschaft- liche Daten und Prozesse einfach und ohne Barriere zugänglich gemacht werden. OPEN ACCESS ist ein Teilaspekt dieser Bewegung. Hier geht es um den freien Zugang zu wissen- schaftlicher Literatur und anderen Materialien im Internet. Sind Sie sicher, dass sich diese Skepsis besiegen lässt? Es braucht vor allem Anreize, sich mit Open Access und Open Science auseinan- derzusetzen. Nicht jeder hat ein Interesse an der Offenheit, schließlich bedeutet die Verschlossenheit auch einen Machtvor- teil, und den wollen viele Akteure nicht aufgeben. Das ist nicht immer im Sinne der Gesamtgesellschaft, ich finde es aber solange in Ordnung, wie eine aktiv ge- troffene Entscheidung dahinter steht. Oft aber beschäftigen sich die Wissenschaftler gar nicht mit dem Thema, und das halte ich für eine vertane Chance. Deshalb sind neben dem individuellen Ansporn drin- gend auch systemische Anreize wichtig. Initiativen wie „Open Access 2020“, an der viele führende Wissenschaftsorganisa- tionen aus der ganzen Welt beteiligt sind, spielen dabei eine wichtige Rolle. Ich würde mir aber viel mehr Experimentier- freudigkeit innerhalb der Community wünschen, um auszuprobieren, inwiefern Open Science möglich und erstrebenswert ist. Schließlich geht es darum, die Zukunft der wissenschaftlichen Kommunikation zu gestalten! Auch der Dialog zur Gestaltung dieser Zukunft muss aus meiner Sicht anders geführt werden. Moment: Anders geführt bedeutet aber nicht nur, dass er intensiviert werden muss, oder? Entscheidend ist, dass das Thema inner- halb des Wissenschaftssystems vorange- trieben wird. Die Wissenschaftler müssen endlich aktiv in den Dialog eingebunden werden. Alles andere halte ich für gefähr- lich, weil wirtschaftliche oder politische Interessen den Prozess womöglich in eine Richtung bewegen würden, die nicht unbedingt gut für die Wissenschaftsfrei- heit wäre. An der Aushandlung müssen deshalb alle wissenschaftlichen Akteure teilnehmen – egal, ob sie für die Öffnung sind oder dagegen. Es braucht eine ausgewogene Debatte von Befürwortern und Gegnern. Nur dann kann man etwas erreichen. Sie haben mit Open Science ganz eigene Erfahrungen gesammelt. Wie war es eigentlich, Ihre Doktorarbeit für alle offen zu gestalten? Ich hatte den Anspruch, dass die Arbeit jederzeit auf der Webseite www.offene-doktorarbeit.de einsehbar war. Das war technisch gar nicht so trivial. Ohne ein paar Programmierfähigkeiten hätte ich das gar nicht geschafft, weil es noch kaum technische Tools für so ein Vorhaben gab. Außerdem musste ich erstmal klären, ob das rechtlich überhaupt möglich ist. Eine Doktorarbeit darf ja bei- spielsweise noch nicht veröffentlicht sein, wenn man sie einreicht, und sie muss nachweislich eigenständig erstellt werden, weshalb etwa Kommentare nicht einfach so einfließen dürfen. Das sind Vorausset- zungen, die das Internet eher nicht bietet. Es war also schon rein formell nicht ganz so einfach. Das klingt vor allem nach Nachteilen. Gab es auch positive Aspekte? Ja, natürlich: Ich bin zum Ergebnis gekom- men, dass die Erstellung einer wissen- schaftlichen Qualifikationsarbeit durch die offene Schreibweise grundsätzlich möglich ist; es waren weder fundamentale Vorteile noch unlösbare Hürden für den publizierenden Wissenschaftler erkennbar. Das ist schon mal ein guter Ausgangs- punkt. Diese und viele weitere Erkenntnisse habe ich in Handlungsempfehlungen festgehalten. Aber die konkreten positiven Folgen der offenen Publikation konnten im Rahmen dieser Arbeit noch nicht abschlie- ßend betrachtet werden. Was ist denn Ihre Vermutung: Welche Chancen bietet die Digitalisierung für die Wissenschaft? Ich sehe große Chancen, das Vertrauen in die Wissenschaft zu fördern, indem man zum Beispiel auch negative Ergebnisse veröffentlicht und die Daten zur Verfü- gung stellt. Damit lässt sich einfacher sicherstellen, dass es sich um wirklich belegtes Wissen handelt und nicht einfach nur um eine Theorie. Das passiert zwar auch im bestehenden Kommunikations- system durch peer review, aber Open Access und Open Science würden diese Prozesse nochmal transparenter machen. Das verhindert Missbrauch und anderes wissenschaftliches Fehlverhalten, denn wenn jeder die Daten und Experimente einsehen kann, lässt sich der Prozess des Erkenntnisgewinns nachvollziehen. Davon profitieren alle. Glauben Sie, dass die offenen Standards zur gängigen Praxis werden? Ich sage mittlerweile nicht mehr, dass sich alles in fünf bis zehn Jahren verändert haben wird. Allerdings muss man sich nicht mehr die Frage stellen, ob wissen- schaftliche Kommunikation offener und digitaler werden wird, sondern eher wann und wie. Wenn die Debatten über die Veränderungen in der wissenschaftlichen Kommunikation noch offener, konsequen- ter und konstruktiver geführt werden, können wir viel erreichen. Ich denke aber, dass diese Entwicklung letztendlich eher 20 als fünf Jahre dauern wird. Interview: Rebecca Winkels

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