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Helmholtz Perspektiven Juli 2016

Helmholtz Perspektiven Juli – August 2016 9TITELTHEMA daran, selbst an einer Technologie zu basteln – und genau das geht bei einer Geothermie-Anlage im eigenen Haus.“ Solche sozio-kulturellen Hintergründe hätten oft größere Auswirkungen auf die Einstellung zu einem neuen Verfahren als detaillierte technische Informationen – denn die könnten den Einzelnen schnell überfordern. Um also Anreize zu schaffen, innovative Energie- formen zu nutzen, müssten solche kulturellen Merkmale bekannt sein. Das zeigt sich gerade bei der Energiewende. „Prinzipiell sind wir in unserer Gesellschaft für den Ausbau erneuerbarer Energien, weil wir so gegen den Klimawandel handeln können und der ‚Natur‘ etwas Gutes tun“, sagt Matthias Groß. „Wenn das dann aber mit Veränderungen des von uns als ‚Natur’ empfundenen Landschaftsbildes einhergeht, ändert sich unsere Einstellung. Hier gilt es bei den Gründen noch vieles zu erforschen.“ Viele fühlen sich bei diesem Verhalten an das alte Sankt-Florians-Prinzip erinnert: „Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and‘re an!“ Neudeutsch heißt das „not in my backyard“, nicht hinter meinem Haus, und die Wissenschaft spricht sogar vom NIMBY-Effekt. Er zeigt sich bei- spielsweise, wenn sich Bürger in lokalen Vereinen gegen den Bau von Windkrafträdern zusammen- schließen. Allein die Europäische Plattform gegen Windkraftanlagen, EPAW, hat in Deutschland 178 Mitglieder: Bürgerinitiativen von Nordfriesland bis zum Allgäu, die sich gegen Windkraftanlagen in ihrer Region aussprechen. Dass sich in diesem NIMBY-Effekt purer Ego- ismus äußert, ist jedoch selten. Damit beschäftigt sich Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam. Der Soziologe und Volkswirt befasst sich mit Technikfolgenabschätzung und war Vorsitzen- der einer Expertengruppe, die im Auftrag der Akademie der Technikwissenschaften (acatech) politische Empfehlungen zum Thema „Mensch und Technik“ herausgegeben hat. „Teils wenden sich Menschen gegen die Sache selbst, wenn etwa bei hohen Kosten nur ein geringer Nutzen für das Allgemeinwohl besteht“, sagt Renn. „Teils sind es auch emotionale Vorbehalte gegen Landschafts- veränderung oder moralische Bedenken, die grei- fen.“ In Deutschland seien die Menschen weder technik-euphorisch noch technikfeindlich: Der NIMBY-Effekt trete auch auf, wenn ein Kinder- garten in einem Wohngebiet geplant wird. Streitfall Der Abschied von der alten Glühbirne fiel vielen Menschen schwer, obwohl sie ineffizient war. Illustration: Tanja Hildebrandt Energie aus der Tiefe Mit Erdwärme kann man Häuser heizen. Im Osten Deutschlands ist die Technik aufgrund ihrer langen Tradition deutlich mehr verbreitet. Bild: vector/AngelaStolle/Fotolia

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