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Helmholtz Perspektiven Juli 2016

21FORSCHUNG es mir zwar vorstellen, das Gerät im Freien zu testen, weil es ein schönes Gefühl war bei einem Fototermin draußen, die aerodynamischen Kräfte zu spüren“, sagt Christian Schnepf. Doch was er täte, wenn er tatsächlich am Berg stünde, bereit zum Losrennen und Abspringen? „Ich weiß es nicht – vor allem nicht mit dem Wissen, dass Otto Lilienthal tödlich verunglückt ist.“ Wie die Forscher nun belegten, lässt sich sein Gleiter nur verlässlich lenken, wenn die Nase höchstens 16 Grad nach oben zeigt Ob sich sein dramatischer Unfall hätte verhindern lassen? Auch das wollten die Forscher in ihren Un- tersuchungen herausfinden. Sie haben deshalb das Geschehen an jenem Unglückstag detailliert rekon- struiert. Die wahrscheinlichste Version: Lilienthal geriet mit seinem Segler in eine sogenannte Sonne- bö; eine Blase aus warmer Luft am Boden, die vom Wind mitgetrieben wird und aufsteigt. Sie riss den Flieger nach oben. Ein Strömungsabriss war die Folge, der machte ihn unsteuerbar – Lilienthal stürzte zu Boden. Wie die Forscher nun belegten, lässt sich sein Gleiter nur verlässlich lenken, wenn die Nase höchstens 16 Grad nach oben zeigt. Die begrenzten Möglichkeiten, nur mit seinem eigenen Körpergewicht gegenzusteuern, wurden dem Flugpionier daher zum Verhängnis. „Pilotenfehler“, urteilten die Forscher daher. Der lag darin, dass er bei dem Wetter am 9. August 1896 nicht hätte starten dürfen, so Andreas Dillmann vom DLR. Sein Gleiter war nur für Windstille und Gegenwind geeignet. Die Verhältnisse am Absturztag hat Lilienthal falsch eingeschätzt. „Grundsätzlich hat Lilienthal richtig reagiert“, sagt Dillmann. „Wir wissen, dass er Beine und Oberkörper nach vorne geworfen hat. Aber das hat nicht ausgereicht.“ Von einem „sehr klassischen Flugunfall“ spricht auch Bernd Lukasch. Dieser sei Seglern auch noch lange nach Lilienthal widerfahren. Bei seinem Absturz aus 15 Metern Höhe hat Lilienthal sich Untersuchungen deutscher Flugmediziner aus dem Jahr 2008 zufolge vermut- lich eine Hirnverletzung zugezogen, durch die er ins Koma fiel und am Folgetag im Universitäts- klinikum Berlin verstarb. Eine Wirbelsäulen- Verletzung als alleinige Todesursache, die der Ob- duktionsbericht und die Berliner Zeitungen damals nannten, ist weniger wahrscheinlich, urteilen sie. Als Erinnerung an Lilienthals Leistungen hofft Lukasch nach dem Ende der Untersuchungen auf einen prominenten Aufbewahrungsort für den Gleiter. Er wünscht sich eine ähnliche Würdigung, wie für die Gebrüder Wright im angelsächsischen Raum, die ihre motorisierten Flugversuche auf Lilienthals Arbeit stützten. „Wir haben da etwas aufzuholen“, sagt Bernd Lukasch vom Lilienthal- Museum. Nur die Wenigsten wüssten, dass dort, wo heute beliebte Berliner Clubs am Ostbahnhof und der Jannowitzbrücke residieren, das erste Mal in der Geschichte ein Flugzeug in Serie gebaut worden sei. „Berlin ist die Stadt, aus der das Flug- zeug kommt.“  Peter Gotzner NEUER TRAUM VOM FLIEGEN IST ELEKTRISIEREND Nach den vergeblichen Versuchen mit Muskelkraft, der erfolgreicheren Windkraft und dem Siegeszug der Turbi- nen und Verbrennungsmotoren, ist der neue Traum vom Fliegen elektrisch. Das DLR hat auf der ILA die Ära des gänzlich elektrischen Flugzeugantriebs angekündigt und wirbt mit dem Forschungskleinflugzeug HY4 und seiner Wasserstoff-Brennstoffzelle für eine zukünftig emissions- freie Flugtechnologie. Abenteurer und Luftfahrtindustrie stellen die Machbarkeit unter Beweis: Durch Solarzellen wird schwerer Treibstoff überflüssig. Mit Kohlefasern lassen sich 2,3 Tonnen schwere Flugzeuge mit Flügel- spannweiten von 72 Metern realisieren, wie die Schweizer „Solar Impulse 2“. Sie ist seit 2015 auf einer Weltumrun- dung in Etappen mit 50 bis 100 Kilometern pro Stunde. Probeflug Windkanal- Tests des Lilienthal-Gleiters in Marknesse/Niederlande Bild: JanVetter.com/ DLR (CC-BY 3.0) Helmholtz Perspektiven Juli – August 2016

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