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Helmholtz Perspektiven 0115

11standpunk te Helmholtz Perspektiven  Januar – Februar 2015 Frau Kraas, es heißt in allen Prognosen, die Zahl der Megastädte stei- ge beständig an. Wie viele gibt es eigentlich inzwischen? Sie sprechen gleich eine wichtige Frage an: Es gibt keine einheitliche Definition von Megastädten. Manche setzen zehn Millionen Einwoh- ner als Kriterium an, ich selbst halte fünf Millionen für die geeigne- tere Marke, denn so sind die „emerging megacities“ eingeschlossen; jene Städte, die rasant wachsen. Die Bevölkerungszahl hängt davon ab, wie man die Städte abgrenzt – rechnet man also beispielsweise die umgebende Region mit ein? Durch solche Definitionsprobleme entstehen Unschärfen. Als Orientierung können die Zahlen der world urban prospects der Vereinten Nationen dienen: 2014 gab es ihnen zufolge 28 Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern und 43 Städte mit fünf bis zehn Millionen Einwohnern. Sind solche Städte überhaupt noch kontrollier- und gestaltbar? Das hängt davon ab, wie die Städte administrativ und politisch auf- gestellt sind. Bei schwachen Regierungen, wenn Gesetze und Regeln fehlen oder Korruption auftritt, entgleiten die Prozesse schnell einer transparenten Gestaltbarkeit. Zudem ist die Rolle der Zivilgesell- schaft entscheidend: Wird die Bevölkerung beteiligt an den urbanen Entwicklungen, werden Bedürfnisse unterschiedlicher Bevölkerungs- gruppen berücksichtigt? Die Stadtentwicklung der Zukunft muss sich ernsthaft auf die Bedürfnisse der Menschen konzentrieren. Das hört sich so an, als sei die Urbanisierung ein höchst individueller Prozess. Gibt es Problemlagen, die allen Megastädten gemein sind? Ja, große Linien ähneln sich. So leiden sehr viele Megastädte an einer massiven Überlastung des Verkehrs, haben ökologische Probleme und Defizite bei der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Energie und Rohstoffen. Außerdem weisen sie teils eine gravierende soziale Polarisierung auf. Die Ursachen dafür und die historischen wie sozio- kulturellen Entwicklungspfade sind jedoch sehr unterschiedlich. Diese Diversität gilt es besser zu verstehen und bei den nächsten Entwicklungsschritten zu berücksichtigen. Als ein Lösungsansatz wird das Konzept der Smart Cities gehandelt, in denen mit umfassender Daten-Analyse gearbeitet wird. Lassen sich die Probleme mit Technik in den Griff bekommen? Helfen kann der Smart City-Ansatz sicherlich, aber er trifft gerade in den Schwellen- und Entwicklungsländern oft nicht den Kern des Problems. In vielen Städten hat ein Großteil der Bewohner nicht ein- mal Zugang zu sauberem Trinkwasser, Bildung und Gesundheitsver- sorgung. Solche Probleme kann die digitale Vernetzung nicht lösen, die Realitäten erfordern andere Ansätze. Um es klar zu sagen: Die zentralen sozialen, öko- nomischen und ökologischen Probleme vieler Städte lassen sich nur durch Verbesserungen im Bereich der Regierungen, Verwaltungen und durch ernst- hafte Kooperation der Entschei- dungsträger lösen. Ziehen die Menschen eigentlich freiwillig in die Megastädte? In vielen Staaten dominiert Landflucht, weil die Menschen auf dem Land sich und ihre Fa- milie nicht mehr ernähren kön- nen. Diese städtische Migration ist aus der Not geboren. Aber zumeist wandern die Menschen in Megastädte, weil sie sich bessere Verdienstmöglichkeiten, eine bessere Versorgung, bessere Bildung für ihre Kinder versprechen. In prosperierenden Volkswirt- schaften gibt es durch die Urbanisierung mehr Gewinner als Verlierer in Bezug auf die Einkommenssituation. Die Frage der Lebensqualität lässt sich nicht messen – das ist eine hoch subjektive Frage. Worin sehen Sie die Prioritäten der Stadtentwicklung der Zukunft? Städte müssen wieder Orte werden für Kultur, Identität, Heimat, Kreativität, Innovativität und Diversität. Es gibt meiner Meinung nach keine Alternativen zu Nachhaltigkeit, Dezentralisierung und Bürgerge- sellschaft.   Interview: Kilian Kirchgeßner Mehr zur Stadt der Zukunft: www.helmholtz.de/ stadt Frauke Kraas ist Professorin für Humangeographie an der Univer- sität zu Köln, Chair der MegaCity Commission der International Geographical Union und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umwelt- veränderungen. Bild: M. Wodak „In vielen Städten hat ein Groß- teil der Bewohner nicht mal Zu- gang zu sauberem Trinkwasser“ Die digitale Vernetzung kann nicht alle Probleme der neuen Mega-Cities lösen, sagt Frauke Kraas

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