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Helmholtz Perspektiven 0115

10 forschung Helmholtz Perspektiven  Januar – Februar 2015 16 0 M i l l i o n e n n e u e Stä dt e r Chinas Großstädte haben einige der für Entwicklungslän- der typischen Missstände vermieden, etwa die Entstehung großflächiger Slums. Dennoch gibt es Probleme, zum Beispiel das Auswuchern von Städten wegen unzureichender Landnut- zungspläne, Wasserknappheit und die allgegenwärtige Luft- verschmutzung. Sozialleistungen und Bildungseinrichtungen stehen nicht allen Stadtbewohnern offen. Das rigide Haus- haltsregistrierungssystem „Hukou“ aus der Mao-Ära bindet Menschen an ihren Geburtsort – und nur dort kommen sie in den Genuss dieser Leistungen. Viele Migranten können daher keine Krankenversicherung abschließen oder ihre Kinder mit an den neuen Wohnort nehmen. Nur 35,5 Prozent aller Chinesen sind offiziell als Städter registriert – eine Quote, die deutlich unter der Urbanisierungsrate von 53,7 Prozent liegt. Der offizielle Prozentsatz soll bis 2020 auf immerhin 45 Pro- zent steigen – das wäre ein Plus von 160 Millionen Menschen und erforderte eine Reform des Hukou-Systems. Diese würde viel Geld kosten, etwa für den Aufbau neuer Schulen. China nimmt als Gastland am Wissenschaftsjahr 2015 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Thema „Zukunftsstadt“ teil. Beide Länder wollen ihre Zusammenar- beit bei Umwelttechnologien zum Schutz von Wasser, Boden und Luft verstärken und Stadtverwaltungen in beiden Ländern enger vernetzen. „Insbesondere gilt es, Ansatzpunkte für künftige Forschungen zu Zukunftsstädten beziehungsweise schnell wachsenden urbanen Regionen zu identifizieren“, teilte die Bundesregierung im Oktober mit. Geplant sind gemeinsame Veranstaltungen im Rahmen von Technologie- messen oder Tagungen in beiden Ländern. die Zentralregierung stärker involviert als in Euro- pa, wo Städte zumeist recht unabhängig planen. Nach dem Willen der Planer soll in China der Zuzug zu den Megacities „strikt reguliert“ werden, sprich gebremst. Denn Peking und Shanghai haben bereits je 20 Millionen Einwohner, Guangzhou und Shenz- hen im tiefen Süden je zehn Millionen. Zuzug in klei- nere Städte hingegen wird gefördert. Und sie sollen besser angebunden werden: Bis 2020 bekommen laut Plan alle Städte mit bis zu 200.000 Einwohnern Bahnzugang, alle bis 500.000 Einwohner Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn. „Da die kleineren Städte im Zentrum des Urbanisie- rungsprogramms stehen, sind sie auch Kern der Forschung zu Smart Cities“, sagt Jiang Chuyun vom National Smart City Joint Lab. Ihr Büro hat sie in ei- nem Hinterhof in West-Peking; das Forschungszen- trum ist eine Art Dachorganisation für mehrere von der Regierung unterstützte Forschungsprojekte. In diesen sogenannten Joint Labs arbeiten Kommunen, Universitäten und Unternehmen zusammen. 2013 hatte das Ministerium für Wohnungsbau und Urbane und Ländliche Entwicklung für das China National Smart City Pilot Project 193 Lokalregierungen und Entwicklungszonen ausgewählt, was diesen den Zugang zu einem milliardenschweren Finanztopf der staatlichen Entwicklungsbank eröffnete. Eines der Joint Labs erforscht ein satellitenge- stütztes System zur Analyse urbaner Verkehrsflüsse – Daten, die später für den Aufbau von intelligenten Verkehrskonzepten genutzt werden können. Ein anderes forscht zur digitalen Vernetzung unterirdi- scher Rohrleitungen. „Die Behörden kennen nur ihre eigenen Leitungen – also jeweils Wasser, Gas oder Rohre für Stromleitungen. Das Projekt sammelt die relevanten Daten, um diese Behörden miteinander zu vernetzen“, sagt Jiang Chuyun. Damit wüssten etwa die Wasserbehörden sofort, neben welchen Rohren auch Gasleitungen verlaufen – eine wichtige Information, um Unfälle zu vermeiden. „Mehrere Städte probieren das System bereits aus“, sagt Jiang. In einem weiteren Projekt arbeiten Forscher gemeinsam mit Kollegen vom amerikanischen Massachusetts Institute of Technology sowie den Firmen IBM und SoftStone an der intelligenten Überwachung von Regenfällen und Wasserständen an Flüssen in regenreichen Gebieten. Gehen diese Daten automatisch an Verkehrsbehörden, können sie viel schneller vor überschwemmten Straßen warnen. Wieder ein anderes Joint Lab testet Sen- soren in Gebäuden, die die Anzahl der Personen in bestimmten Räumen messen und die Temperatur danach ausrichten. „Wir brauchen die Unternehmen, um Ergeb- nisse der Forschung auch in die Tat umzusetzen“, sagt Wan Biyu, Chief Scientist der Joint Labs. Smart-City-Konzepte helfen dabei, die Urbanisie- rung in die richtige Richtung zu steuern, ist Wan überzeugt. „Allerdings muss man es richtig ma- chen. Der Masterplan einer Stadt muss geeignet sein, und die Technologie muss sehr sorgfältig aus- gewählt werden.“ Denn passen muss sie nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft, wenn sich die Stadt weiterentwickelt.  Christiane Kühl, Peking Gas, Wasser, Strom  Ein Pekinger Joint Lab forscht an der digitalen Vernetzung unterirdi- scher Rohrleitungen. Bild: Zhiltsov Alexandr/shutterstock.com 160 M i l l i o n e n n e u e Stä dt e r

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