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Helmholtz-Perspektiven 0214

30 Helmholtz Perspektiven Mai – Juni 2014 Forschung Chancen für die Forschung. Ich sehe die Raumfahrt in einer ähnlichen Rolle wie die Polarforschung vor 100 Jahren. Heute gibt es viele Forschungsstationen in der Antarktis. Die dort gewonnenen For­ schungsergebnisse etwa zum Klimawan­ del nutzen der Gesellschaft direkt. Die bemannte Raumfahrt kann sich ebenfalls in diese Richtung entwickeln und irgend­ wann wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, die wir noch gar nicht absehen können. Die Polarforschung zeigt, dass wir manchmal weite Wege gehen müs­ sen, an unwirtliche Orte, um Zusammen­ hänge zu erforschen, die sich direkt vor unserer Haustür abspielen. Viele Astronauten sind ausgebildete Testpiloten – Sie kommen aus der Forschung. Was unterscheidet Sie von ihren Kolleginnen und Kollegen? Astronaut ist für uns alle ein komplett neuer Beruf, egal ob Wissenschaftler oder Pilot. Aber die meisten Experi­ mente auf der ISS sind auch für Nicht- Wissenschaftler bedienbar. Man ist dort als Astronaut der verlängerte Arm der Forscher am Boden. Bei 162 Experimen­ ten, die während meiner Mission geplant sind, 40 davon allein aus Deutschland, kann man gar nicht für jedes Thema Experte sein. Viele Versuche laufen auto­ matisch ab, andere müssen wir selbst durchführen. Bei denen könnte mir meine wissenschaftliche Intuition etwas nützen. Man kennt das ja aus irdischen Laboren: Manchmal fällt einem während eines Versuchs zufällig etwas auf, das die Un­ tersuchung verbessern kann. Für solche Dinge habe ich vielleicht eher ein Auge. Sie haben mehr als zwei Jahre für die Mission trainiert. Was war das Schwierigste? Das Russischlernen. Verglichen damit fielen mir das Training von Außenbordein­ sätzen oder die Bedienung des Sojus- Raumschiffs bei simulierten Starts und Landungen leicht. Auch auf die wissen­ schaftlichen Inhalte der Mission bin ich durch mein Studium am Karlsruher Institut für Technologie gut vorbereitet. Das Russische habe ich mittlerweile so gut gelernt, dass ich selbst mit meinem US-Kollegen Reid Wiseman während des Raketenstarts in Baikonur russisch spre­ chen werde, damit uns alle im Moskauer Kontrollzentrum verstehen. Wir beide sind auch oft zu Gast bei unserem dritten Teammitglied, Maxim Surajew. Ihn und seine Familie haben wir häufig besucht, wenn wir zum Training mal wieder im Sternenstädtchen bei Moskau waren. Dort hat sich vor mehr als 50 Jahren schon der erste Mensch im All, Juri Gagarin, auf seinen Raumflug vorbereitet. Die Raumstation ISS hat etwa 100 Milliarden Euro gekostet. Raumfahrt­ organisationen rechtfertigen die Kosten oft mit ihrer Nützlichkeit in Form von wissenschaftlichen Ergebnissen. Sind sie das Steuergeld wirklich wert? Ich finde schon. Die Kosten verteilen sich auf viele Jahre und viele Länder weltweit. Jeder EU-Bürger zahlt pro Jahr etwa zehn Euro für die Raumfahrt, davon etwa einen Euro für die bemannte Raum­ fahrt. Dafür erhalten wir Erkenntnisse, die wir anders nicht erzielen könnten, zum Beispiel in der Osteoporose-For­ schung oder für die Entwicklung neuer Materialien. Wir sind eine neugierige Spezies und haben schon immer unsere Umgebung erforscht. Das liegt in unse­ rer Natur. Außerdem bietet die Raum­ fahrt eine einzigartige Perspektive: Die Atmosphäre ist eine unglaublich dünne Schutzschicht, deren Verletzlichkeit man von oben auf den ersten Blick erkennen kann. Die Erde ist unser aller Raum­ schiff, und wir haben nur eins davon. Wir sollten also gut mit ihr umgehen!

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