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Helmholtz-Perspektiven 0214

Helmholtz Perspektiven Mai – Juni 2014 19Forschung befindet sich eine Art Säule. Im Inneren schwebt bei Versuchen das Plasma, ein außerordentlich dünnes Gemisch aus normalem Wasserstoff und Deuterium. Den echten Kraftwerksbrennstoff aus Deuterium und Tritium hat in Europa bislang nur das große Gemeinschaftsexperiment JET einge­ setzt. Das Plasma besteht aus ionisierten Atomen, deren Kerne sich abstoßen – eigentlich. Heizt man sie aber auf und jagt sie mit riesiger Geschwindig­ keit aufeinander, können sie ihre Abstoßung über­ winden und zu einem Kern verschmelzen. Dadurch wird Energie freigesetzt. Das Problem: Bisher muss für all das noch zu viel Energie eingesetzt werden. Außer in Garching betreibt das Max-Planck- Institut auch in Greifswald Kernfusionsforschung: Dort laufen die Vorbereitungen für den 2015 geplanten Betrieb der Forschungsanlage „Wendel­ stein 7-X“. Zudem wird am Forschungszentrum Jülich und am Karlsruher Institut für Technologie geforscht – all das unter dem Dach der Helmholtz- Gemeinschaft und in Kooperation mit dem welt­ weiten Projekt ITER, in dem die EU, USA, Russland, Japan, Südkorea, Indien und China zusammenarbei­ ten. Das nächste Ziel: das Plasma für etwa sechs Minuten zum Brennen zu bringen, so dass circa 500 Megawatt produziert werden, etwa zehn Mal mehr, als vorher investiert wurde. „Das soll bis Ende der 2020er Jahre gelingen“, sagt Isabella Milch. Bis 2050 soll das Projekt DEMO Prototypen von Kraftwerken hervorbringen, in denen das brennende Plasma dauerhaft Energie erzeugt. „Möglicherweise gehen dann die teilnehmenden Länder wieder eigene Wege“, sagt Milch. China etwa plant schon jetzt zwei bis drei unterschiedliche Kraftwerktypen. „Das ist schon beeindruckend. Man kann das auch mit einem gewissen Neid betrachten.“ Bei derartigen Forschungsgroßprojekten zeige sich ein vermeintlicher Vorteil autoritärer Staaten, sagt Stefan Hornbostel, Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Wissenschaftsforschung am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin: „China ist in der Lage, Planungshorizonte von 20 bis 30 Jahren mit einiger Konsequenz um­ zusetzen. Auch, weil es weniger auf die Erneuerung politischer Legitimation zu achten braucht.“ Es ist aber nur ein vermeintlicher Vorteil: Derselbe politische Legitimationsprozess, der in demokra­ tischen Staaten gelegentlich zu Verzögerungen oder Planänderungen bei Großprojekten führt, ist in der Lage, einen nachhaltigen gesellschaftlichen Konsens zugunsten der Grundlagenforschung herzustellen. Einen Konsens, um den Deutschland selbst von einigen seiner europäischen Nachbarn beneidet wird. So entsteht eine auf den ersten Blick widersprüchliche politische Konstellation: Politiker, deren Zeithorizont sich normalerweise auf die Dauer einer Legislaturperiode beschränkt, unterstützen Forschungsvorhaben, die vielleicht einmal etwas bringen – vielleicht aber auch nicht. Deren Erfolg aber auf jeden Fall erst in Dekaden absehbar ist. Wie kann das sein? Der erste Grund: Weil das Ziel als unvergleichlich wichtig gilt. „Die Kernfusion  K e r n f u s i o n – das P r i n z i p Treffen zwei Atomkerne aufeinander, so stoßen sie sich gegenseitig elektrisch ab – eigentlich. Heizt man sie aber auf und schleudert sie mit hoher Energie aufeinander zu, so können sie diese Abstoßung überwinden. Kommen sie sich dabei nahe genug, können sie zu einem Kern verschmelzen. Am leichtesten gelingt das mit den beiden Wasserstoff-Sorten Deute- rium und Tritium: Aus ihnen entsteht durch die Verschmelzung Helium. Dabei wird ein elektrisch ungeladenes Neutron freigesetzt, das mit großer Geschwindigkeit in die Wand der Brennkammer saust. Dort verwandelt sich seine Bewegungsenergie in Wärme. In der übermannshohen Kammer ist ein starkes Mag- netfeld aufgebaut, das das elektrisch geladene Deuterium, Tritium und Helium in der Schwebe hält. Denn kämen diese Teilchen mit der Wand in Berührung, würde der ultradünne Brennstoff sofort abkühlen. Das alles ist erstmals 1991 bei JET gelun- gen. Man sieht: Kernfusion ist im Prinzip eine ein­fache Sache. Das Problem: Die auf 100 Mil- lionen Grad Celsius erhitzten Wasserstoff-Teil- chen müssen ihre Temperatur über längere Zeit halten, damit das Plasma brennen kann – dazu muss man derzeit noch mehr Energie hinein­ stecken, als am Ende herauskommt. Im Experi- mentalreaktor ITER in Südfrankreich arbeiten Forscher daran, dies zu ändern. Gelingt es, sollen Prototypen von Kraftwerken entstehen, um Energie im großen Stil zu gewinnen. Deuterium Helium Tritium Neutron 360°-Rundgang durchs Plasmagefäß und Kernfusions- Animation: www.helmholtz.de/ kernfusion

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