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Helmholtz-Perspektiven 0214

Helmholtz Perspektiven Mai – Juni 2014 27Bildung zu hantieren und von richtigen Wissenschaftlern angeleitet zu werden, kommt bei den Jugendlichen sehr gut an“, sagt Helga Fenz. Fortbildungsangebo­ te für Lehrer bietet das angeschlossene MDC-Pro­ gramm „Labor trifft Lehrer“. Koordinatorin Luiza Bengtsson erklärt: „Mit dem Einbezug in reale Forschungsprojekte, etwa der Stammzellforschung, möchten wir auch das schulische Experimentieren stärken.“ Wie viel Experimentieren muss sein? Wie soll es bewertet werden? Und welche Art von Experimenten ist überhaupt sinnvoll? Die Debatte darüber ist im vollen Gange. So kommt Martin Schwichow vom Kieler Leibniz-Institut für die Päda­ gogik der Naturwissenschaften und Mathematik zu dem Schluss: Schüler lernten derzeit „mehr durch Berichte über Experimente als durch selbstständig durchgeführte Experimente“. Die so genannten Kochbuchexperimente zur Veranschaulichung von Lehrsätzen greifen seiner Meinung nach viel zu kurz. Das scheint kein deutsches Phänomen zu sein: Auch der im amerikanischen Stanford leh­ rende Wissenschaftsdidaktiker Jonathan Osborne stellte kürzlich in einem Zeitungsartikel fest, die landläufige Art des schulischen Experimentierens sei zu sehr auf Ergebnisse fixiert. Stattdessen solle es wieder mehr darum gehen, wie experimentelle Daten eigentlich zustande kommen und wie man sie interpretieren könne. „Experimente müssen Kinder an Hand und Kopf mitnehmen“ In Großbritannien fand die nationale Prüfungs­ behörde Ofqual im vergangenen Jahr heraus, dass bei Schulexperimenten selten individuell ange­ messen benotet wird. Als Ofqual daraufhin für eine Abkoppelung der Experimentnoten von den Abiturnoten plädierte, war der mediale Aufschrei laut. Britische Wissenschaftsorganisationen und Wirtschaftsverbände sorgten sich, das Erlernen manuellen Knowhows könnte damit unwichtiger werden – eben weil es für die Abschlussnote keine Rolle mehr spielen würde. Mittlerweile hat sich die Behörde durchge­ setzt: Wohl ab 2017 werden britische Schulabgän­ ger neben ihrem „A-level“-Zeugnis eine Bescheini­ gung über die erfolgreiche Durchführung von zwölf Basisversuchen erhalten. Wie Anne Schirrmacher vom Deutschen Lehrerverband anmerkt, liegen die Briten damit auf einer Linie mit den Anforderungen E xpe r i me n t i e r e n i m S c h ü l e r l ab o r Außerhalb der Schule können Jugendliche deutschlandweit in über 300 Schülerlaboren verschiedenster Einrichtungen experimentieren. Die Helmholtz-Gemeinschaft unterhält 30 Labore, in denen Schülerinnen und Schüler zu Themen wie Meereskunde, Molekularbiologie oder Teilchenphysik selbst aktiv werden können. Jährlich besuchen rund 65.000 Jugendliche die Labore, außerdem Vorlesungen, Forschungs- praktika, Ferienkurse und Berufsinformationstage. Fort­bildungen für Lehrer komplettieren das Angebot. Auch Museen bieten Experimentierkurse für Schulklassen an, so zum Beispiel in Berlin das Naturkundemuseum oder das Deutsche Technikmuseum mit seinem kürzlich eröffneten Schülerlabor „Meilensteine“, in dem man sich auf die Spuren bekannter Forscherpersönlichkeiten begeben kann. der international anerkanntesten Hochschulzu­ gangsberechtigung „International Baccalaureate“. Eine ähnlich drastische Neuausrichtung steht hierzulande nicht an. „Grundsätzlich ist es so, dass die experimentelle Tätigkeit eines Schülers in seine mündliche Note einfließen soll und kann“, sagt David Di Fuccia, der an der Universität Kassel Didaktik der Chemie lehrt. „Inwieweit dies überall stattfindet, ist schwer zu sagen.“ Deutlich genauere Vorgaben gibt es für das Abitur: Hier fordern die bundeseinheitlichen Prüfungsanforderungen für die MINT-Fächer die selbstständige Planung, Durch­ führung, Beobachtung, Beschreibung und Auswer­ tung von Experimenten. Wie aber kann bei all dem sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche bleibend etwas aus ihrer Laborarbeit lernen? Experten wie Martin Schwichow und Jonathan Osborne fordern dafür eine „hands-on-minds-on“-Philosophie. „Experimente müssen Kinder sozusagen an Hand und Kopf mitnehmen“, sagt Martin Schwichow. „Sie brauchen Bezüge zum Alltag und zu aktuellen Forschungsthemen, ihr Ausgang muss offen blei­ ben. Wichtig ist auch, den Experimentierenden zu zeigen, welche Konsequenzen ihre Befunde haben und dass ihr kontrolliertes Vorgehen eine auch im Alltag hilfreiche Denkstrategie ist.“ Nun bleibt zu verfolgen, wie das Pendel der Debatte weiter ausschlagen wird.   Justus Hartlieb

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