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Helmholtz Perspektiven 0216

TITELTHEMA8 S einen Doktoranden sagt er immer: Im ersten Jahr ist alles super – und das zweite Jahr, das ist das Tal der Tränen. Frank Bradke lacht, als er das erzählt. „Man braucht schon eine hohe Frustrationstoleranz, wenn 80 Prozent der Experimente nicht funktio- nieren.“ Er selbst hat schon einiges erlebt – etwa, als er anfing, sich Nervenzellen anzuschauen und wissen wollte, wie sie wachsen. Zuerst musste er solche Nervenzellen überhaupt einmal unter dem Mikroskop wachsen lassen. Doch diese verflixten Dinger wollten nicht, wie er wollte: Sie starben schon nach zehn Minuten. Bradke probierte also herum: änderte Temperatur, pH-Wert, den Licht- einfall beim Mikroskopieren, die Sauerstoffzufuhr – bis alles optimal eingestellt war und die Zellen schließlich überlebten. „Das allein hat ein ganzes Jahr gedauert“, sagt der Molekular- biologe. Nervenzellen verstehen lernen, ihr Wachstum fördern – dieser Aufgabe haben sich weltweit zahlreiche Wissenschaftler verschrieben. Denn Nervenzellen – auch Neurone genannt – wachsen zwar wieder zusammen, wenn sie etwa durch einen Schnitt in den Finger getrennt wer- den. So können sie nach einigen Wochen wieder Signale senden und den Verletzten an dieser Stelle Berührung oder Kälte spüren lassen. Doch das gilt nicht für Gehirn und Rückenmark. Werden dort die Leitungen zwischen den Nervenzellen gekappt, dann können diese Verbindungen nicht nachwachsen. Ebenso wenig ist der Körper in der Lage, beschädigte Nervenzellen durch neue zu ersetzen. Schlaganfallpatienten verlieren dadurch dauerhaft Kapazitäten ihres Gehirns. Rücken- marksverletzte sind für den Rest ihres Lebens gelähmt. Und Parkinson-Erkrankte verlieren nach und nach ihre motorischen Fähigkeiten. In Biologie, Neurologie und Medizin suchen Wissenschaftler deshalb nach Lösungen: Sie wol- len Neurone auch in Gehirn und Rückenmark zum Nachwachsen anregen, sodass Verletzun- gen ausgeglichen werden oder gar neue Zellen im erwachsenen Gehirn entstehen. Es wird mit Krebsmedikamenten geforscht und mit Viren, an Fischen und Mäusen, in Dresden, München, Bonn, Düsseldorf und Hannover – und natürlich auch an US-amerikanischen Hochschulen wie in St. Louis oder Boston. Die einen regen Stammzel- len dazu an, sich in Nervenzellen umzuwandeln, die anderen wenden sich der Narbenbildung zu, ZELLFORTSATZ (DENDRIT) ZELLKÖRPER ZELLKERN AXON („NERVENBAHN“) SYNAPSE AUFBAU EINER NERVENZELLE: Helmholtz Perspektiven März – April 2016

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