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Helmholtz Perspektiven Mai 2016

Helmholtz Perspektiven  Mai – Juni 2016 9Titelthema Skepsis damals. Doch Hubberten ahnte, dass da mehr sein musste. „Anfangs, als wir das Institut in Potsdam aufgebaut haben, hatten wir noch so eine Art Sammler- und Jäger-Mentalität“, erzählt er. „Da lief vieles eher zufällig. Wir haben einfach mit den Fachrichtungen angefangen, die wir noch aus DDR-Zeiten am Institut hatten.“ Damals sei es erst einmal darum gegangen, wie der Permafrostboden überhaupt aufgebaut ist, wie er sich im Lauf der Jahrhunderte verändert hat, welche geologischen Entwicklungen an ihm abzulesen waren. „In den vergangenen 20 Jahren haben wir aber gesehen, dass da sehr viel passiert. Und dass die Ände- rungen große Auswirkungen auf den gesamten Globus haben.“ Der dauergefrorene Boden spielt für den Klimawandel eine bedeutende Rolle, weil in ihm große Mengen Kohlenstoff gespeichert sind. Der steckt in organischem Pflanzen- und Tiermate- rial, das teils seit Jahrtausenden im Permafrost eingefroren ist. Bislang ist es nicht verrottet, sondern noch sehr gut erhalten. Doch schon seit dem Ende der letzten kleinen Eiszeit vor 200 bis 250 Jahren zieht sich die Kälte im Boden zurück. Taut der Boden, können Mikroben das organische Material abbauen. Dabei entstehen die Treib- hausgase Methan und Kohlenstoffdioxid, die in die Atmosphäre wandern und so zur weiteren Erderwärmung beitragen. „Das ist das sogenannte Permafrost-Kohlenstoff-Feedback“, sagt Hubber- ten. „Kohlenstoff wird durch das Auftauen des Bodens freigesetzt. Die Atmosphäre erwärmt sich durch die vermehrten Treibhausgase schneller. Der Boden taut tiefer und setzt mehr Kohlenstoff frei.“ Im Zusammenhang mit der Klimadiskussion spielt die Komponente Permafrost also eine ent- scheidende Rolle. „Das, was in der Arktis passiert, betrifft uns alle“, sagt Hubberten. „Es hat Einfluss auf das Gesamtklima der Welt.“ Das hat Hubberten gemeinsam mit vielen Kollegen bei seinen jahrzehntelangen Forschun- gen herausgefunden, wenn sie sich in hüfthohen Gummistiefeln durch den Matsch gruben. In den Permafrostgebieten haben sie Bodenproben ge- nommen, Küstenlinien vermessen, Luft- und Was- sertemperaturen notiert. Der Abgleich ihrer Daten mit alten Luftaufnahmen zum Beispiel hat ergeben, dass die Erosion der Küsten in diesen Regionen rapide fortschreitet. „In Kanada und Russland hat sich die südliche Permafrostgrenze um bis zu 100 Kilometer zurückgezogen“, sagt Hubberten, der im Juni 2015 als erstes ausländisches Mitglied in die Akademie der Wissenschaften der russischen Republik Sacha aufgenommen wurde. Sein Kollege Guido Grosse nennt konkrete Zahlen. Sie zeigen eine erschreckende Dimension: „Wir vermuten, dass allein in den oberen Bereichen des Permafrosts 1500 Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert sind, die in die Atmosphäre freigesetzt werden könnten“, sagt er mit Verweis auf Hoch- rechnungen auf Grundlage der Bodenproben und anderer Messungen. „In der Atmosphäre haben wir bislang etwa 800 Gigatonnen. Im Permafrost schlummert also viel Potenzial für ein Katastro- phenszenario.“ Das Auftauen des gesamten Permafrosts als Klimabombe halten die beiden Forscher jedoch nicht für sehr wahrscheinlich. Dennoch sei das Problem ernst. Man könne schließlich keinen Treibhausgas-Filter auf die gesamte Region setzen. Wenn der Auftauprozess schon nicht aufzuhalten sei, so lasse er sich zumindest steuern, sagt Grosse. Feldarbeit  Permafrost-Experte Guido Grosse (links) und sein Kollege Matthias Fuchs dokumentieren die Beschaffenheit des Bodens auf der sibirischen Insel Sobo-Sise im östlichen Teil des Lena-Deltas. Bild: Thomas Opel/Alfred-Wegener-Institut Die 11. Internationale Permafrost- Konferenz findet vom 20.–24. Juni 2016 im Kongresshotel Potsdam statt. Anmeldungen sind noch bis Ende Mai möglich. Die Veranstalter erwarten 700 Teilnehmer. Die alle vier Jahre stattfindende Konferenz soll nicht nur für Fachwissenschaftler ein Treffpunkt sein, sie richtet sich auch an die interessierte Öffentlichkeit. Weitere Informationen zur Konferenz: www.icop2016.org

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