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Helmholtz Perspektiven 1507

Helmholtz Perspektiven Juli – August 2015 29FORSCHUNG mittlere Schläfenlappen und der Bereich zwischen Schläfenlappen und Scheitellappen hell auf. Wenn Kinder das Lesen lernen, entwickelt das sogenann- te visuelle Wortformareal eine bemerkenswerte Aktivität – es befindet sich in der linken Gehirn- hälfte zwischen Schläfenlappen und Hinterhaupts- lappen. Bis sich bildgebende Verfahren auch auf Einzelpersonen anwenden lassen, führen die Forscher Studien an ganzen Gruppen leseschwa- cher Kinder durch, um Gemeinsamkeiten in deren Hirnfunktionen herauszuarbeiten. „Wir reden von verschiedenen kognitiven Profilen“, erläutert Ste- fan Heim. „In vielen Studien sehen wir, dass sich diese auch im Gehirn widerspiegeln. Würde man es schaffen, Kinder mit dem gleichen kognitiven Profil mit bildgebenden Verfahren in einer Gruppe zu untersuchen, hätte man eine bessere Chance, auch bei einzelnen Kindern zu erkennen, was man heutzutage als Gruppenunterschied findet.“ Eine große Herausforderung ist es jetzt, für die betroffenen Kinder eine wirkungsvolle Thera- pie zu finden. Das Problem liegt gerade darin, dass das Krankheitsbild so differenziert ist. Bei jedem Kind träten andere Schwierigkeiten auf, sagt Forscher Stefan Heim: Tut sich das Kind damit schwer, den Zusammenhang von Worten und Lauten zu erkennen und Worte in ihre einzelnen Lautbestandteile zu zergliedern – oder hat es eher Schwierigkeiten, das geschriebene Wort zu erken- nen? „Dann kann man ein Training nutzen, das gezielt diese Schwäche behebt“, sagt Heim. Dass eine frühe Diagnostik zusammen mit gezieltem Training ausgesprochen effektiv sein könnte, vermutet auch die Züricher Forscherin Sil- via Brem. Bei Kindern, die während der Schulzeit an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche litten, waren im Vorschulalter Teile der rechten Gehirnhälfte besonders aktiv, hat sie in einer Studie gezeigt. Diese Areale reagieren üblicherweise nicht auf linguistische Reize, sondern sind für die Gesichts- erkennung verantwortlich. Brem und ihre Kollegen vermuten daher, dass die Legastheniker eine ande- re Strategie verfolgen, wenn sie Wörter entschlüs- seln: Sie betrachten möglicherweise das Wort als ganzes Gebilde, anstatt die Laute zu erkennen. Genau hier könnte eine Therapie ansetzen. Beachtliche Erfolge hat das Team um Silvia Brem mit dem Computerspiel Graphogame erzielt, das finnische Forscher entwickelt haben. Dabei lenken die Kinder ihre Spielfigur durch eine virtuelle Landschaft, öffnen Schatztruhen und lösen Rätsel. An einigen Stellen müssen sie Laute den passenden Buchstaben zuordnen – nur dann kommen sie ein Level weiter. Mit diesem Spiel konnte Brem belegen, dass Kinder bereits gedruck- te Worte erkennen, bevor sie sie entziffern können. In ihrer Studie ließ sie Kindergartenkinder acht Wochen lang den Zusammenhang von geschrie- benen Lauten und deren Klang üben. Der Effekt war beachtlich: Obwohl die Kinder insgesamt nur weniger als vier Stunden trainierten, war danach jene Gehirnregion deutlich aktiver, die auch bei Erwachsenen für das Leseverständnis verantwort- lich ist. Wenn das Gehirn schon so früh die Buch- staben mit den dazugehörigen Lauten verknüpft, lässt sich das für die Behandlung der Legasthenie verwenden. Die Pädagogin Katharina Galuschka hat herausgefunden, dass besonders solche Trainings- formen wirksam sind, die den Zusammenhang von Buchstaben und Lauten trainieren. „Zu erkennen, wie Wortbestandteile und Laute zusammenhängen, steht ganz am Anfang des Lesenlernens“, erläutert Galuschka, die als Pädagogin an der Technischen Universität München forscht. In einer großen Metastudie zur Wirksamkeit von Legasthenie- Behandlungen kommt sie zu einem eindeutigen Ergebnis: Trainings wie Graphogame seien sinn- voll für Kinder, denen die Zuordnung von Lauten schwer fällt. Die Pädagogin rät jedoch zur Vorsicht: „Neue Medien und Computer eröffnen in der Lern- therapie Möglichkeiten, die es bisher nicht gab. Meistens ist aber deren Wirksamkeit nicht geprüft. Deshalb bleibt es wichtig, dass auch ein zertifizier- ter Therapeut die Kinder behandelt.“  Tim Haarmann Spielend lernen Mit dem Computerspiel Graphogame können Kinder, die unter Legasthenie leiden, den Zusammenhang von geschriebenen Lauten und deren Klang trainieren. Bild: GraphoGame

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